Euch wird beim Minecraft zocken übel? VR-Gaming auf der PlayStation führt bei euch zu Schwindelgefühl? Dann leidet ihr vermutlich unter Motion Sickness. Wir erklären euch, was das bedeutet und verraten euch Tipps und Tricks gegen die Symptome.
Die meisten von uns spielen täglich Videospiele, ohne dabei auch nur die geringste Einschränkung zu haben. So ein gemütlicher, stundenlanger Gaming-Abend ist aber nicht jedem gegönnt. Es gibt nicht wenige Videospiel-Fans, denen beim Zocken nach kurzer Zeit kotzübel wird.
Besonders bei der Benutzung von VR-Headsets treten häufig Beschwerden auf. Sei es bei Raft, Minecraft oder eurem liebsten Ego-Shooter – hier erfahrt ihr, was ihr gegen Übelkeit, Schwindel und Co. beim Spielen tun könnt.
Was ist Motion Sickness? Erklärung und mögliche Symptome
Diese Übelkeit, die beim Spielen auftreten kann, ist ein Symptom von Motion Sickness. Die meisten von euch werden bereits den Begriff „Reisekrankheit“ gehört haben – im Prinzip ist Motion Sickness genau das. Die wortwörtliche Übersetzung wäre „Bewegungskrankheit“.
Hinweis: Vielleicht kennt ihr auch die Begriffe „Cyber Sickness“, „Gaming Sickness“ oder „VR Sickness“. In den meisten Fällen ist damit Motion Sickness gemeint.
Vielen Leuten wird auf langen Autofahrten oder auf einem Schiff schnell schlecht – beim Gaming ist das nicht anders. Während die meisten Beschwerden beim VR-Gaming auftreten, könnt ihr auch Symptome beim „normalen“ Zocken bekommen.
Zu den häufigen Symptomen von Motion Sickness gehören:
- Blässe
- Schläfrigkeit
- Orientierungslosigkeit und Schwindel
- Schweißausbrüche
- Kopfschmerzen
- Übelkeit oder sogar Erbrechen
Und wie entsteht Motion Sickness?
Die genaue Ursache von Motion Sickness ist bis heute nicht geklärt. Es gibt aber einige Theorien, die von vielen Wissenschaftlern als mögliche Erklärung aufgeführt werden. Einige davon haben wir euch hier zusammengefasst:
Konflikt der Sinne – Auge und Ohr verwirren das Gehirn
Nach dieser Theorie gibt es einen Konflikt zwischen den Eindrücken, die ihr mit eurem Auge wahrnehmt und denen, die euer Gleichgewichtsorgan liefert. Beim Zocken bewegt sich meistens die Landschaft auf eurem Bildschirm. Euer Auge liefert eurem Gehirn also die Information „Wir bewegen uns!“.
Euer Gleichgewichtsorgan im Ohr ist da aber anderer Meinung. Da ihr euch nicht wirklich bewegt, kann das Signal der Augen an euer Gehirn nicht bestätigt werden. Im Gegenteil – hier kommt das Signal „Wir bewegen uns nicht!“.
Laut einer Evolutionstheorie nimmt euer Gehirn die beiden widersprüchlichen Signale als Alarmsignal wahr. Es geht davon aus, dass ihr vermutlich ein (eigentlich nicht vorhandenes) Gift zu euch genommen habt und leitet Maßnahmen zur Entgiftung des Körpers ein.
Die resultierenden Symptome kennt ihr bestimmt allzu gut – Schweißausbrüche, Übelkeit und in manchen Fällen sogar Erbrechen.
Fehlende Balance – Wenn der Körper zu sehr „schaukelt“
Besonders VR-Spieler kennen das Problem nur zu gut. In vielen VR-Spielen könnt ihr euren Charakter bewegen, indem ihr ihn einfach mit einem Controller in eine bestimmte Richtung steuert. Das Problem – ihr steht dabei oft ganz still.
Viele Nutzer tendieren in dem Fall dazu, sich in die jeweilige Bewegungsrichtung zu lehnen. Auch das kann mit der Zeit zu Motion Sickness führen.
Zu wenige Anhaltspunkte in der Spielwelt
Diese Theorie ist etwas komplexer. Sie beschreibt den Umstand, wenn der Nutzer einen bestimmten Punkt in der Spielwelt (beispielsweise den Boden unter seinen Füßen) als unbeweglich wahrnimmt. Zumindest ist so seine Erwartungshaltung – wann bewegt sich schon der Asphalt auf dem Bürgersteig?
Wenn das Spiel dann aber genau diese Objekte (die eigentlich still an Ort und Stelle bleiben sollten) bewegt, ist euer Gehirn verwirrt und ihr bekommt Motion Sickness.
Zusammenfassung: Die meisten Theorien zu den Ursachen von Motion Sickness haben einen ähnlichen Inhalt: Euer Gehirn wird mit verschiedenen Signalen bombardiert, die im Konflikt zueinanderstehen. Die daraus resultierende „Verwirrung“ bekommt ihr in Form von Schwindel, Übelkeit und anderen Symptomen zu spüren.
Wer bekommt alles Motion Sickness?
Motion Sickness ist recht weit verbreitet. Sogar das US-Militär hat mit dem Problem zu kämpfen. Immer wieder klagen Piloten bei Übungen in Flugsimulatoren über Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen.
Videospiel-Fans sind also nicht die einzigen, die sich mit diesem Problem herumschlagen müssen. Schätzungen gehen von bis zu 50 Prozent an betroffenen Spielern aus, die beim Zocken unter verschiedenen Symptomen leiden (Quelle: The Guardian).
Im VR-Bereich sehen die Zahlen ähnlich aus. Hier klagen interessanterweise mehr Frauen über Beschwerden beim Spielen, als Männer – aus gutem Grund. Dazu aber später mehr (Quelle: VRHeaven.io).
Auch andere Faktoren wie eure allgemeine Gesundheit, euer Alter, euer Gleichgewichtssinn und Anfälligkeiten für Migräne können ausschlaggebend dafür sein, ob und wie stark ihr unter Motion Sickness leidet oder ob ihr gar keine Symptome habt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr selbst von Spielübelkeit betroffen seid oder sie zumindest schon mal wahrgenommen habt, ist also gar nicht so gering. Dabei wird das Thema unter Videospiel-Fans eher selten angeschnitten.
Der Grund ist häufig die Angst, vom eigenen Umfeld als minderwertig wahrgenommen zu werden, wenn man den neuen First-Person-Shooter nicht spielen kann, ohne zu kotzen. Aber genau das ist der falsche Weg! Es gibt nämlich viele Maßnahmen, die ihr gegen Motion Sickness unternehmen könnt.
Was tun gegen Motion Sickness? Vorbeugung und schnelle Hilfe
Motion Sickness lässt sich leider nicht einfach abschalten. Es gibt aber viele Gegenmittel, die den meisten Betroffenen eine große Hilfe sein können. Die wichtigsten haben wir euch hier zusammengefasst:
Allgemeine Tipps und Tricks gegen Motion Sickness
- Fenster auf – frische Luft sorgt für ein besseres Raumklima
- nicht zu nah am Bildschirm sitzen – das kann nicht nur schlecht für eure Haltung sein, sondern begünstigt auch Motion Sickness
- nur ausgeschlafen zocken – Müdigkeit ist ein echter Booster für Kopfschmerzen, Schwindel und andere Symptome
- regelmäßige Pausen – je länger ihr spielt, desto eher bekommt ihr Motion Sickness
- Training – wenn ihr euch das zutraut, könnt ihr eure Spielzeiten zwischen den Pausen langsam steigern und euch so an das Spiel „gewöhnen“
- Ingwer – die Zauberknolle kann bei Übelkeit wahre Wunder wirken. Ist er euch pur zu scharf, versucht es mit Bonbons oder einem Ingwertee!
Mehr Gesundheits-Tipps und Tricks rund um Ingwer erfahrt ihr bei unseren Kollegen von desired.de:
Ein genereller Verzicht auf Koffein, Nikotin, Alkohol oder salzige Snacks beim Spielen kann ebenfalls hilfreich sein. Außerdem solltet ihr entspannt in eure Gaming-Erfahrung starten.
Wenn euer Körper bereits Stresshormone ausschüttet, sobald ihr einen Controller in der Hand habt, ist Motion Sickness quasi vorprogrammiert. Alles, was hier hilft, ist tief durchatmen. Zur Unterstützung könnt ihr Atem- oder Meditationsübungen nutzen.
Versucht einfach, euch zu entspannen und probiert es in ein paar Minuten erneut.
Das Spiel richtig einstellen
Viele Spiele bieten euch heute eine Vielzahl an Einstellungen, die ihr zu eurem Vorteil nutzen könnt. Einige Optionen sind dabei besonders wichtig:
- größeres Sichtfeld – in vielen Spielen könnt ihr euer Sichtfeld (das „Field of View“) größer skalieren
- Motion Blur abschalten – wenn ihr die Kamera bewegt und das Bild dabei verwischt, ist Motion Blur aktiv
- Kopfbewegungen abschalten – in manchen First-Person-Spielen bewegt sich die Kamera, um Kopfbewegungen zu simulieren … Schwindel vorprogrammiert!
- Maus-/Kameraempfindlichkeit einstellen – eine hohe Mausempfindlichkeit lässt euch schnell die Orientierung verlieren
- Benutzt ein Fadenkreuz – in vielen Spielen ist ein Fadenkreuz bereits standardmäßig vorhanden. Ist das nicht der Fall, solltet ihr es nach Möglichkeit aktivieren
(Quelle: Makeuseof.com)
Auch die Bildwiederholrate eures Bildschirms kann entscheidend sein. Hier gilt die Faustregel: Je mehr FPS, desto besser! Auch eine bessere Auflösung kann gegen Motion Sickness helfen. Da ihr dieses Problem aber nur hardwareseitig lösen könnt, kann das schnell ins Geld gehen.
Die besten Gaming-Monitore findet ihr hier:
Bonus-Tipps für VR-Nutzer
Beim Benutzen von VR-Headsets, beispielsweise der HTC Vive oder PlayStation VR, können besonders häufig Symptome von Motion Sickness auftreten. Zum Glück könnt ihr hier einige zusätzliche Maßnahmen ergreifen:
- regelmäßige Reinigung der VR-Brille – wenn euer VR-Headset mieft, begünstigt das möglicherweise Symptome wie Übelkeit. Außerdem erschweren Fingerabdrücke oder Flecken auf der Linse die Sicht
- VR-System richtig kalibrieren – ihr solltet die richtige Spielergröße einstellen und alle benötigten Sensoren vom System erfassen lassen
- VR-Headset richtig einstellen – die VR-Brille sollte angenehm auf eurem Kopf sitzen und nirgendwo drücken
Tipp: Besonders der Augenabstand ist eine wichtige Einstellungsmöglichkeit an eurer VR-Brille. Der Abstand bei Frauen liegt mit durchschnittlich 61 mm knapp 4 Millimeter unter dem der Männer.
Das Problem dabei – es gibt deutlich weniger Systeme, die sich auf diesen Abstand einstellen lassen. Das wäre ein möglicher Grund, weshalb Frauen statistisch gesehen häufiger beim VR-Gaming an Motion Sickness leiden. Achtet beim Kauf also darauf, dass ihr die VR-Brille auch auf euren Augenabstand einstellen könnt.
Wenn ihr euren Augenabstand nicht kennt, könnt ihr ihn bei eurem Hausarzt oder eurem Optiker ausmessen lassen. Alternativ findet ihr auf der Seite eye-net.com eine kostenlose Schablone, mit der ihr den Abstand selbst bestimmen könnt.
- Tracking-Probleme bestmöglich vermeiden – spiegelnde Oberflächen wie Glas oder eben … Spiegel behindern das Tracking von vielen VR-Systemen enorm. Das kann dazu führen, dass sich eure Bewegungen in der VR-Umgebung schwammiger anfühlen
- Hinsetzen – im Sitzen zu spielen lindert oft die Symptome von Motion Sickness
- Alternative Fortbewegungsmöglichkeiten – bei manchen Spielen lassen sich unterschiedliche Bewegungssteuerungen aktivieren
Viele VR-Spieler schwören auf Natural Locomotion als Eingabemethode. Hier könnt ihr euren Avatar steuern, indem ihr eure Arme wie beim Laufen bewegt. Wenn ihr die Arme schnell nach oben reißt, könnt ihr sogar springen.
Die Königsklasse: Bewegungsplattformen
Für VR-Nutzer gibt es außerdem einige zusätzliche Hardware-Helferlein. Diese beugen nicht nur Motion Sickness vor, sondern sorgen auch für ein deutlich immersiveres Spielerlebnis. Der Nachteil: Viele Bewegungsplattformen sind nur mit bestimmten Systemen kompatibel.
Außerdem ist diese Form von Hardware meist sehr teuer oder hat es noch gar nicht über den Prototypen-Status hinausgeschafft. Ein Gadget ist mit etwa 360 Euro aber vergleichsweise günstig zu haben – die Cybershoes.
Hier sitzt ihr beim Spielen auf einer Art Barhocker und tragt Schuh-Überzieher, mit denen ihr über den Boden rutschen könnt. So könnt ihr mit den Füßen Laufbewegungen nachahmen, was das Spiel nicht nur immersiver macht, sondern auch Motion Sickness vorbeugt.
Könnt ihr Motion Sickness besiegen?
Jein. Motion Sickness erfolgreich bekämpfen, kann genauso persönlich sein, wie die eigene Reaktion. Es finden sich viele gute Tipps, die gegen die Symptome helfen können. Aber eine 100-prozentige Erfolgsformel gibt es nicht.
Hinweis: Sollten eure Symptome sehr stark ausgeprägt sein, auffällig häufig auftreten oder mit der Zeit schlimmer werden, solltet ihr unbedingt mit einem Arzt über eure Probleme sprechen!
Wenn all das nichts bringt, bleibt nicht mehr viel übrig: Ihr könnt euch von Anfang an „entspannteren“ Genres wie Simulationen oder Strategie-Spielen widmen, oder euch an andere Spiele langsam herantasten. Aber auch das kann Probleme verursachen.
Alles, was dann noch bleibt, ist der pure Verzicht. Traurig, aber für einen nicht kleinen Anteil von Spielern die tägliche Realität.
Motion Sickness ist für jeden ein individuelles Problem, das viele Auslöser haben kann. Zum Glück gibt es viele einfache Tricks, die gegen die leidigen Symptome helfen können. Regelmäßiges Training und optimale Systemeinstellungen können bei vielen Betroffenen Abhilfe schaffen.
Weitere verwendete Quellen:
Jerald J., The VR-Book: Human-Centered Design for Virtual Reality, Noderstedt (DE): Association for Computing Machinery and Morgan & Claypool, 2016
Thompson P., „Eyes wide apart: Overestimating interpupillary distance“, 20. Februar 2002 , via: https://www-users.york.ac.uk/~pt2/eyeswideapart.pdf