Christliche Fundamentalisten und Open World ganz ohne Türme — Far Cry 5 überrascht mit einem originellen Feindbild und überfälligen Gameplay-Neuerungen. Aber wie konservativ ist das Spieldesign wirklich?
„Wahnsinn ist, wenn man exakt dieselbe Scheiße immer und immer wieder macht und erwartet, dass sich was ändert“, erklärte Bösewicht Vaas bereits 2012 in Far Cry 3. Und getreu dieses Mottos hatte Ubisoft in den vergangenen Jahren einen Wahnsinns-Erfolg. Eine riesige Open World, unzählige Nebenmissionen und Collectibles, eine Skill-basierte Charakterentwicklung und natürlich ein irrer Bösewicht. Jahrein, Jahraus. Far Cry 4, Far Cry Primal, Ghost Recon: Wildlands — die Ubisoft-Formel ist eine gut geölte Erfolgsmaschine. Setzt mit Far Cry 5 nun endlich Rost an?
Keine Hoffnung in Hope County
Statt Inselparadies, Urzeit oder Himalaya schickt dich Far Cry 5 dieses Jahr in die Weite Montanas. Der US-amerikanische Bundesstaat ist auch als Big Sky Country bekannt, der mit seinem wunderschönen Naturpanorama Erstaunen erweckt. Da pure Idylle für ein Open-World-Spiel aber auf Dauer langweilig werden würde, wird der Landstrich Hope County praktischerweise von der Weltuntergangs-Sekte Eden's Gate heimgesucht. Kult-Führer Joseph Seed bietet Erlösung vor dem bevorstehenden Untergang, dem Kollaps. Ob du willst oder nicht, denn wer sich dem Vater verweigert, muss mit Gewalt zum Seelenheil gezwungen werden.
Unterstützt wird er von seinen drei Geschwistern Jacob, John und Faith. Ersterer ist der Mann fürs Grobe, der sich um die militärischen Belange des Kults kümmert und die Sektenmitglieder per Gehirnwäsche zu gefügigen Mördern ausbildet. John ist das Mediengesicht des Kults, versteht sich jedoch auch darauf, seinen Schäfchen unter Folter die Beichte abzunehmen. Faith wiederum rekrutiert neue Mitglieder mit Worten — und einer großzügigen Dosis bewusstseinsverändernder Drogen natürlich.
Mord, Gehirnwäsche, Folter und Drogenmissbrauch sind Gründe genug, dass die US-Regierung der Sekte den Riegel vorschieben will. Als Deputy begleitest du daher einen Sheriff sowie einen US-Marshall bei ihrer Mission, den Vater zu verhaften und per Helikopter aus Hope County zu eskortieren. Was soll dabei schon schiefgehen? Logischerweise alles, und so fliehst du kurze Zeit später vor den Handlangern des Kultes. Deine Begleiter sind in alle Himmelsrichtungen verstreut, die Straßen sind gesperrt, die Telefonleitungen gekappt und jetzt liegt es an dir, Hope County aus dem Einfluss von Eden's Gate zu befreien.
Spielwelt und Missionen
Hope County ist in drei Gebiete geteilt, die von jeweils einem Mitglied der Seed-Familie kontrolliert werden. Jacob kontrolliert den Norden, Faith den Osten und John den Westen der Karte. Nach der bekannten Formel erhöhst du durch allerlei Missionen deinen Einfluss im Gebiet und lockst somit den jeweiligen Herold aus seinem oder ihrem Versteck. Pro Gebiet findest du außerdem drei Begleiter, die dich mit ihren ganz eigenen Fähigkeiten im Kampf unterstützen.
Jägerin Jess etwa hat einen besonderen Bezug zu Wildtieren und eignet sich dank ihres lautlosen Bogens vor allem für Schleich-Einsätze, Hurk ist dank seines Raketenwerfers die perfekte Hilfe gegen die zahlreichen Helikopter, die dir vor allem in der spätere Spielphase das Leben schwer machen und Hund Boomer, Puma Peach sowie Bär Cheesburger sind ebenso knuddelig wie tödlich.
Welche Aufträge du annimmst, ist dir selbst überlassen, natürlich aber bringen die extra markierten Story-Missionen den größten Fortschritt, um die Geschichte rund um den jeweiligen Herold voran zu treiben. Darüber hinaus stehen allerhand Kleinigkeiten zur Auswahl: Geiseln am Straßenrand befreien, Treibstofflieferungen abfangen, Außenposten der Sekte befreien oder aber die waghalsigen Flug- und Fahr-Manöver auf den Spuren des legendären Stuntman Clutch Nixon vollführen, Power Metal-Hymne inklusive.
Das klingt nach jeder Menge Abwechslung, in der Praxis laufen aber fast alle Missionen auf das Gleiche hinaus: Fahre von A nach B und töte alle Gegner / sichere das Gebiet / finde das Zielobjekt. Dazu kommen arg langwierige Fahrtzeiten, denn die schiere Größe der Weltkarte kommt leider nicht ohne Leerlauf daher. Damit du am Steuer nicht einschläfst, wirst du immerhin an jeder Kreuzung von bewaffneten Patrouillen der Kultisten verfolgt — was zwar atmosphärisch ganz gut in das Setting des besetzten Landstriches passt, das freie Erkunden der Spielwelt aber zur nervenaufreibenden Plage degradiert.
Alternativ kannst du dich durch die Wälder von Hope County fortbewegen und dir dort die Zeit mit Jagen und Angeln vertreiben. Das bringt zwar keinen Story-Fortschritt, aber immerhin bist du dort einigermaßen sicher vor den ständigen Angriffen der Kultisten. Die aggressiven Wildtiere sind allerdings nicht weniger tödlich. Egal wo du auch bist, in Far Cry 5 will alles und jeder nur eines: deinen Tod.
Evolution statt Revolution
Ubisoft für seine repetitive Open-World-Formel zu kritisieren ist kein neuer Trend, aber noch immer ein notwendiger. Ja, das Spiel ist ohne Frage unterhaltsam. Es klammert sich jedoch an den bereits ausgetretenen Pfaden fest, die sich in vorherigen Open-World-Spielen bewährt haben, wenn auch mit Verbesserungen im Detail. So gehört etwa das berüchtigte Erklimmen von Türmen endgültig der Vergangenheit an – allerdings war dies stets nur ein Symptom und nicht die Wurzel des Problems.
Abgesehen von den mitunter wirklich fantastisch inszenierten Story-Missionen fühlt sich einfach noch immer so viel im Spiel allzu bekannt an. Der Aufbau der Missionen ist in den meisten Fällen identisch und mehr als einmal hatte ich in Far Cry 5 das Gefühl, praktisch den genau gleichen Auftrag schon einmal in Ghost Recon: Wildlands absolviert zu haben.
Wolfenstein 2: The New Colossus hat mir mit Frau Engel gezeigt, wie ein charismatischer und gleichzeitig furchterregender Bösewicht auszusehen hat, während Yakuza 6 erneut bewiesen hat, dass es auf die Qualität und nicht die Quantität einer Open World ankommt. In beiden Fällen bleibt Far Cry 5 leider hinter seinem Potential zurück.
Spannend daran ist, dass Ubisoft sich dessen offenbar vollkommen bewusst ist. Vaas Zitat zum Beginn des Tests (das nicht von Albert Einstein stammt, auch wenn das Internet sich an diesem Glauben festklammert) beschreibst die Ubisoft-Formel ja bereits treffend. In Far Cry 5 ist es ein Monolog des den Drogen von Faith verfallenen US-Marshalls, der den aktuellen Open-World-Trend treffend kommentiert. So lamentiert er über die Illusion des Freien Willens, der Glaube daran, sein eigenes Leben zu leben und mit seinen eigenen Entscheidungen die Welt zu verändern. Letztendlich aber tuen wir genau das, was jemand anderes von uns verlangt und erwartet.
So sehr Open-World-Spiele auch mit Entscheidungsfreiheit, einer persönlichen Geschichte und unterschiedlichen Spielstilen werben, machen wir letztendlich nicht dennoch alle genau das Gleiche in ihnen?
Mein Test-Fazit zu Far Cry 5
In den ersten Spielstunden stand Far Cry 5 für mich zugegeben unter keinem guten Stern. Die Formelhaftigkeit der Open World war offensichtlich, das vielversprechende Konzept der fundamentalistischen Christen als Feindbild verpuffte zu einer geläufigen Weltuntergangssekte und auch Joseph Seed ließ das nötige Charisma vermissen, das ihn als Bösewicht für mich wirklich spannend gemacht hätte.
Je mehr Zeit ich jedoch in Hope County verbracht habe, desto mehr habe ich mich mit dem Spielfluss und der Atmosphäre anfreunden könnten. Unter anderem lag das auch am fantastischen Soundtrack. Unter dem Strich wendet das Spiel zwar die gleiche altbekannte Ubisoft-Formel an wie eh und je, diese ist ja aber auch nicht ohne Grund so erfolgreich. Am Ende hat mich die Sekte also doch um ihren Finger wickeln können und ich gebe zu: Far Cry 5 macht eine Menge Spaß.
Wird dir gefallen, wenn du auf eine riesige Open-World in einem originellen Setting stehst.
Wird dir nicht gefallen, wenn dir die Ubisoft-Formel bereits zum Hals raushängt.
Wertung
“Far Cry 5 ist Ubisoft-Formel nach Lehrbuch und aus diesem Grund genau das, was die Fans sich gewünscht haben.”