Amnesia: Rebirth purzelt aus den dunklen Untiefen von The Dark Descent, einem der „schlimmsten Horrorspiele aller Zeiten“, wie es manche nennen. Zu Recht. Die Horror-Experten von Frictional Games haben fünf Jahre an dem Sequel gearbeitet, und ich durfte es spielen – inclusive sadistischer Experimente und horrender Dimensionen.
„Descent“ bedeutet auf deutsch Abstieg, Niedergang, Übergang und – in manchen Fällen – Geburt. Mag es auch der Titel des ersten Spiels sein, das Frictional Games 2010 berühmt und berüchtigt für Horror machte, so passt es auch auf Amnesia: Rebirth: Den ersten von Frictional Games selbst entwickelten Nachfolger, der indirekt an The Dark Descent anschließt. Und er ist ein Abstieg, ein Übergang, eine Geburt von etwas Neuem, wie auch etwas Altem.
Ihr erwacht allein in einem abgestürzten Flugzeug, die Wüstensonne brennt auf das Metall und lässt euch halb in der Maschine ersticken. Euer Name ist Tasi Trianon, und ihr erinnert euch an den Absturz – aber nicht daran, was anschließend passiert ist. Das Flugzeug ist leer. Euer Mann wie auch die Crew sind verschwunden, und ihr kriecht in die Wüste hinaus, um seltsamen Statuen bis zu einer Höhle zu folgen: Sind die anderen hier entlang? Und warum haben sie euch zurückgelassen? Das Brennen der Sonne auf eure Haut wird mit einem insektenartigen Krabbelgeräusch verbunden, was wie in allen Frictional-Spielen nichts Gutes bedeuten kann. Zum Glück aber ist es in der Höhle stockdunkel, was?
TU ES NICHT! Aber ich kann doch nicht anders ...
Was sich in The Dark Descent sowie auch in Machine for Pigs – das aber nicht von Frictional Games entwickelt wurde, wohlgemerkt – einzig auf große, dunkle Häuser, ölige Maschinen und Schränke, in denen ihr euch versteckt, limitiert hat, geht in Rebirth neue Wege. Klaustrophobische Häuser werden durch enge Höhlen ersetzt, alte, englische Anwesen sind hier Grabstätten oder algerische Gebäude und dann ist da noch ein Amulett, das euch in gänzlich neue, obskure Gefilde führen wird.
Erinnern wir uns an The Dark Descent, so wird auch klar, wo Rebirth hier anschließt: Wir schreiben das Jahr 1937, 98 Jahre nach dem ersten Teil. Solltet ihr The Dark Descent noch nicht gespielt haben, so möchte ich euch jetzt von diesem Artikel wegschicken und euch nahelegen, es jetzt zu tun. Es folgen zudem Spoiler zur Story von TDD.
Wie im ersten Amnesia klar wurde, stammt der Ursprung allen Grauens aus einer afrikanischen Ausgrabung, bei der die Kugel – der Orb – aufgetaucht ist. Verbunden mit dem Orb ist etwas Böses, dessen Monstren in TDD durch ihn in unsere Realität überschwappten. Tasi stürzt mit der Crew in Algerien ab und, oh Wunder, betritt eben jene Grabstätten, in denen der Orb fast hundert Jahre zuvor seinen menschlichen Besitzer fand.
Wie Amnesia: Rebirth aussieht, könnt ihr im offiziellen Gameplay-Video sehen:
Es ist möglich, Rebirth ohne Kenntnisse von Amnesia zu spielen. Aber warum solltet ihr euch den Vorgänger entgehen lassen? Während euch in The Dark Descent ein gnadenloser Abstieg ins Grauen erwartet, bietet Rebirth eine weitaus tiefer, emotionalere Story aber auch eine neue Art von Schrecken, die nicht ganz so direkt mit der Faust in euer Gesicht schlagen. Das erste Amnesia war schon ganz schön eklig, manchmal.
Und ich vermisse zuweilen den Ekel oder mehr jener unaussprechlichen Aufgaben, die uns The Dark Descent augenzwinkernd auferlegte. Kopf einer Leiche aufbohrend, um mir davon etwas injizieren zu können? Natürlich! Andererseits dürft ihr hier ebenso sadistische Entscheidungen treffen, die euch auch nach dem Spiel noch heimsuchen könnten. Rebirth wirkt erwachsener und gleichsam lovecraftiger, und das nicht nur im Sinne einer ohne Frage von Lovecraft inspirierte Welt – sondern auch eines langsamen, schleichenden Grauens, das weniger Splatter ist und euch stattdessen mitten in der Nacht fragt, was da eigentlich passiert ist, fuck.
Zurück sind außerdem die befriedigenden Alchemie-Rätsel sowie die Adrenalin-geladen Versteck-dich-Spiele, welche durch ein brillantes Jump-Scare-System abgerundet wurden. Verdammt, die Jump-Scares sind wirklich gut.
Rebirth ist gut, aber anders als The Dark Descent
Amnesia: Rebirth ist kein zweites The Dark Descent, das zuweilen als das verstörendste und gruseligste Horrorspiel aller Zeiten betitelt wurde. Rebirth Ziel ist es nicht einzig, euch weinend in einer schwarzen Ecke hocken zu lassen, damit das Monster vorüberzieht. Vielmehr will es euch faszinieren, euch an die Charaktere binden und lehren, sie zu lieben – ehe es dann anfängt, euch zu quälen, in dunkle Ecken zu schicken und Entscheidungen treffen zu lassen, die ein wenig schrecklich sind. Oder mehr als ein wenig.
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Falls ihr Kritik von mir wollt, dann ja, ich hätte es gern noch ein wenig krasser, böser und blutiger gehabt. Trotzdem denke ich, dass es fantastisch ist, denn abgesehen davon zeigt Rebirth ein weiteres Mal, wie weit sich das kleine Entwickler-Team um Frictional Games entwickelt hat. Ich bin zittrig-gespannt, was als nächstes auf dem Operationstisch serviert wird. Amnesia: Rebirth erscheint am 20. Oktober 2020 für PC und PS4.