Deutschland hinkt im internationalen Vergleich bei der E-Mobilität hinterher, wie das letzte Ranking des Beratungsunternehmens Berylls zeigt. Erschwerend kommt nun die Energiekrise hinzu. Welche Folgen das für die Entwicklung der Elektromobilität haben könnte, führen wir in diesem Ratgeber auf.
Die Energieknappheit betrifft jeden in Deutschland – die einen mehr, die anderen weniger. Die Preise für Strom und Gas steigen immer weiter und besonders im Winter könnte es nicht nur für Haushalte, sondern auch für Unternehmen knapp werden.
Update: Neben den Meilern Isar 2 und Neckarwestheim 2 soll nun auch das Atomkraftwerk Emsland bis zum 15. April 2023 weiterlaufen.
E-Scooter: Der Verleih wird teuer
Betreiber von E-Scootern und anderen batteriebetriebenen Leihfahrzeugen wird es empfindlich treffen. Die steigenden Kosten für Unternehmen wie Tier, Emmy, Voi und Co. werden die Kunden tragen müssen, wenn sich die Strompreise vervielfachen.
Dabei stellt sich außerdem die Frage, wie lange sich manche Anbieter über den Winter halten können, denn schon vor der Krise war keine der E-Scooter-Firmen wirklich rentabel. So mussten selbst Mobility-Riesen wie Voi und Tier 2022 10 beziehungsweise sogar 16 Prozent der Mitarbeiter entlassen (Quelle: businessinsider.de). Die dunkelste Jahreszeit könnte diesen Trend aufgrund der geringen Nachfrage nach E-Scootern und E-Rollern verstärken.
Drohen Ladeverbote für E-Autos?
Ob sich die große Angst der Elektroauto-Fahrer bewahrheitet, lässt sich noch nicht beantworten. Engpässe könnten besonders in den Dämmerstunden und Nachts auftreten. Ein potentielles Ladeverbot in späten Stunden der Wintermonate für den Stromfresser E-Auto könnte hingegen das Vertrauen der Verbraucher erschüttern und das Image der E-Mobilität langfristig prägen. Dennoch bleiben Zwangsabschaltungen und Verbote unwahrscheinlich.
Dass uns der Strom und damit das Licht ausgeht, sollen zwei Reserve-Atomkraftwerke verhindern, die bis April 2023 weiterlaufen sollen. Die zwei AKWs Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern sollen laut Wirtschaftsministerium „in bestimmten Stresssituationen im Stromnetz einen zusätzlichen Beitrag zur angespannten Versorgungs- und Netzsituation in Süddeutschland im Winter 2022/23 leisten“ (Quelle: tagesschau.de). Damit seien Ausfälle zwar unwahrscheinlich, könnten aber nicht ausgeschlossen werden.
Unklar bleibt auch, wie viel Strom an manchen Orten tatsächlich gezogen wird. Bis zu 30% aller privaten Wallboxen werden dem Netzanbieter nicht gemeldet, so zumindest die Aussage des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Eine potentielle Überbelastung des Systems versuchen die Netzbetreiber durch die Durchführung von Stresstests vorzubeugen (Quelle: Allgemeine Zeitung).
Verlangsamung der Energiewende
Fest steht, dass die Energiekrise ein denkbar schlechtes Timing hat. Unternehmer und besonders Mittelständler konnten sich bisher kaum von den Folgen der Corona-Pandemie erholen. Gewinne und Ersparnisse aus dem Sommer rinnen aufgrund der Inflation wie Sand durch die Finger von Gründern und Privatleuten. Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland und die daraus resultierende Gasknappheit, die wiederum den Preis für Energie nach oben treiben, scheinen wie ein schlechter Scherz für Verbraucher, die ohnehin schon auf ihre Ausgaben achten müssen. Gleichzeitig fallen Anreize für E-Mobilität weg: Die staatliche Elektroauto-Förderung sinkt Anfang 2023, der Kauf von Plug-In-Hybriden wird ab dem 31.12.2022 nicht mehr finanziell unterstützt.
Kurz gesagt: Wer soll das noch bezahlen? Das Geld und die Motivation für die Energiewende fehlen. Wenn nicht auf Unternehmerseite, dann gewiss auf Seite der Konsumenten. Viel sparen sich Käufer eines E-Autos nicht mehr mit dem Verzicht auf den Verbrennungsmotor.
Andererseits denkt der Klimawandel gar nicht daran, von alleine aufzuhören oder Entscheidungsträgern eine Pause zu gönnen. Ohne Energiewende sieht es nämlich erst recht duster aus. Da E-Fuels und Wasserstoff keine echten Alternativen sind, braucht es die Elektromobilität, um Klimaziele einhalten zu können. Doch damit diese auch in der Krise attraktiv bleibt, braucht es fortlaufende Förderung. Je nachdem wie die Regierung dieses Problem in naher Zukunft anpackt, schafft es Deutschland vielleicht sogar in die Top 10 des nächsten Rankings.