Der Esoterikmarkt hat die Zeichen früh erkannt und den Sprung von den Shopping-Kanälen in die Social-Media-Portale gewagt. Dabei setzen sie zur Werbung speziell auf Influencer. Dass die aber gar nicht das Heil ihrer Follower zum Ziel haben, sondern für Geld alles tun, hat der Journalist Marvin Wildhage anschaulich aufgedeckt. Sein Fazit: „Die lügen für Geld!“
Mit mehr als fragwürdigen Esoterikprodukten werden in Deutschland jährlich geschätzt zwischen 15 und 25 Milliarden(!) Euro umgesetzt. Die Kunden sind bereit, die absurdesten Versprechen zu glauben, weil der Leidensdruck oft hoch ist – das nutzen auch Influencer aus. Wildhage zeigt deutlich, dass die offenbar nicht nur für Geld alles tun, sondern sich ihrer Verantwortung gegenüber den Followern nicht bewusst sind.
Mehr als ein Prank: Esoterik-Schwurbeleien bloßgestellt
Wir haben bereits über die Abzocke berichtet, die hinter dem TikTok-Hashtag #Crystaltok steckt. Dabei nutzen skrupellose Influencer den Einfluss, von dem sich ihr Titel ableitet, um ihren Followern hübsche, aber nutzlose Steine als Heilmittel anzudrehen.
Marvin Wildhage hat auf seinem YouTube-Kanal schon mehrfach aufgedeckt, dass Influencer für Geld auch die absurdesten Waren bewerben und auch nicht davor zurückschrecken, ihre Follower darüber zu belügen, was die Wirkung und Verwendung der Produkte betrifft. Hinter seinen – oft als „Streich“ bezeichneten – Reportagen steckt ein professionell durchgeführter Enthüllungsjournalismus, der in die Fußstapfen eines Günter Wallraff tritt.
Im ersten Teil seines Videos zeigt er die Vorbereitungen der Aktion:
Dieses Mal hat er sich die Welt der Esoterik-Händler vorgenommen und Schritt für Schritt eine Tarn-Identität aufgebaut, mit der er schließlich Werbeanfragen an Influencerinnen abgeschickt hat. Dazu hat er eine Esoterik-Messe besucht und dort erste Erfahrungen mit der Branche gemacht. Anschließend setzte er einen soliden Plan in die Tat um:
- Er eröffnete einen Onlineshop für Esoterik-Artikel wie „Heilsteine“ oder „Klangschalen“.
- Danach startete er einen Instagram-Auftritt mit gekauften Followern.
- Schließlich produzierte er auch ein TikTok-Video und schaltete Werbung dafür.
Nachdem seine „Marke“ eine gewisse Bekanntheit erreicht hatte, machte er den nächsten Schritt. Denn dass eigentliche Ziel seiner Aktionen war ja schließlich, festzustellen, was bekannte Influencer für Geld zu tun bereit sind und ob sie auch nachweislich lügen würden, damit sie von einer Verkaufsprovision profitieren können.
Wenn Influencer für Geld auf den Heilstein-Betrug aufspringen
Wildhage hat in seinem Projekt lauter Hinweise eingebaut, mit denen man seinen Fake entlarven konnte. Aber nur Vanessa Mariposa fiel nicht auf die Masche rein und machte sich in einem Video sogar darüber lustig.
Das liegt aber vermutlich daran, dass sie von Marvin Wildhage vorher schon zwei Mal der Lüge überführt wurde und deshalb vorsichtig geworden ist. Da es in der Werbeanfrage genügend entlarvende Hinweise gab, hätten auch die anderen Ziele dieses Pranks es merken können – aber der versprochene Gewinn war anscheinend wichtiger.
Niemand stolperte zum Beispiel über den seltsamen Namen des guatemaltekischen Schamanen „Wilma Eierkrauln“.
Nun kann man so argumentieren, dass das Geschäftsmodell der Influencer schließlich auf Empfehlungen beruht und ja niemandem geschadet wurde, aber in diesem Fall sieht das schon ganz anders aus. Die Steine wurden etwa als Heilmittel gegen Depressionen oder sogar Krebs beworben. Das ist nicht nur illegal, es kann auch dafür sorgen, dass sich Betroffene auf diese Aussagen verlassen, anstatt die Hilfe von Fachleuten zu suchen.
Der zweite Teil des Videos zeigt Influencerinnen in Aktion - und ihre Rechtfertigungsversuche:
Influencerinnen wie Yasmin Schmidt mit über 300.000 TikTok-Followern erzählen gegen Geld in ihren Videos, dass die Heilsteine Elektrosmog ableiten oder Krebs heilen. Sie nutzt auch den erwähnten Hashtag #Crystaltok, um euch etwa weiszumachen, dass die Minerale Labradorit und Karneol eure Kreativität stärken.
Wildhage fasst ihre Videos zusammen: „Sie lügt einfach für Geld!“
Offensichtlich hat sie die Texte aus seinem Briefing unreflektiert übernommen und es war ihr auch egal, dass er darin schrieb: „Unter uns: So richtig glauben wir da auch nicht dran, aber die Leute kaufen es wie verrückt.“
Wichtiger war vermutlich dieser Satz danach: „Da wir unsere Produkte aus China importieren, können (wir) eine enorme Marge von bis zu 900% erzielen – natürlich auch interessant für eure Umsatzbeteiligung.“
Die Influencerinnen behaupten in ihren Videos, die Steine seit Jahren zu allen möglichen Heilzwecken einzusetzen und verwechseln dabei auch schon mal die verschiedenen Heilkristalle, mit denen sie sich angeblich so gut auskennen.
Nachdem ihnen klar wurde, dass sie einem Schwindel aufgesessen waren, kamen unbeholfen wirkende Rettungsversuche: „Schade nur, dass er nicht den vollen Preis bezahlt hat.“ Und „Ich muss euch aber leider ehrlich sagen… ich glaube an sowas. Ich glaube an Heilkristalle.“
In einem Interview mit der Sprecherin der Verbraucherzentrale Brandenburg wurde klargestellt, dass sich die Influencerinnen mit ihren Aussagen strafbar machen. Wenn Dinge wie Steine mit angeblichen medizinischen Heilwirkungen in Verbindung gebracht werden, ist das eine unzulässige Werbung.
Was seine Untersuchungen aber auch ergaben: Nur in den Bundesländern Brandenburg und NRW wird die Szene von der Verbraucherzentrale beobachtet, in den anderen 14 Bundesländern kümmert sich niemand um diese Gesetzesverstöße.