Der Begriff „Kidult“ ist in den USA schon seit den 1960er-Jahren im Umlauf. Die Bedeutung der damit beschriebenen Gesellschaftsgruppe ist enorm. Wir stellen euch die Definition und Beispiele dafür vor.
Kidult – was ist das?
Laut dem britischen Wörterbuch Oxford Dictionary ist ein Kidult ein „Erwachsener mit kindlichen Vorlieben“ – wenn damit eine Person beschrieben wird. Zusätzlich werden damit auch bestimmte Medien beschrieben, also „ein Genre von Fernsehsendungen, Filmen oder Spielen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen sollen“.
Das Kofferwort Kidult besteht aus den englischen Begriffen kid (Kind) und adult (Erwachsener).
Mit anderen Worten: Kidults sind Jugendliche (älter als 12 Jahre) oder Erwachsene, die eine große Vorliebe für Cartoons, Superhelden und Sammlerstücke haben, die sie an ihre Kindheit erinnern. Sie kaufen Waren wie Action-Figuren, Lego-Bausätze und Puppen, die man auf den ersten Blick als „Spielzeug für Kinder“ einordnen würde. Die Spielzeug- und Unterhaltungsindustrie hat das längst erkannt und bietet entsprechende Produkte und Medien an, die der Gattung Kidult zugeschrieben werden können.
Sind Kidults womöglich erwachsene Menschen mit einer psychischen Störung? Nein, keineswegs – man könnte vielmehr sagen, es sind einfach Menschen, denen der Spieltrieb aus der Kindheit nicht verloren gegangen ist. Der Erziehungswissenschaftler Dr. Volker Mehringer (Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Augsburg) findet, dass es „vollkommen in Ordnung“ sei, ein Kidult zu sein (Quelle: Deutschlandfunk). „Ein Erwachsener, der trotzdem noch viele Hobbies hat, der spielerischen Tätigkeiten nachgeht und man sagt, das hat auch mit Lebenslust und mit Lebensfreude zu tun.“
Beispiele für Kidult-Produkte und -Medien
Zahlreiche Franchises aus der Popkultur können – manchmal allerdings nur teilweise – der Gattung Kidult zugeschrieben werden. Zu den prominentesten und auch in Deutschland beliebten Beispielen gehört etwa der dänische Spielzeughersteller Lego, der mit der Architecture-Serie bekannte Bauwerke als Set anbietet: Technisch gesehen handelt es sich um Spielzeug – ansprechen dürfte es aber eher Erwachsene.
Weitere Beispiele, bei denen der Begriff „Kidult“ relevant sein kann:
- Die Simpsons: Die seit 1989 ausgestrahlte Serie ist gewissermaßen ein Vorreiter des Genres „adult animated television“ (Zeichentrickfilm für Erwachsene). Gespickt mit Witzen und Seitenhieben auf die stereotypische US-amerikanische Familie und Gesellschaft. Der Erfinder Matt Groening hat somit zahlreichen Cartoons den Weg geebnet, die sich zum Teil noch konsequenter an Erwachsene richten, etwa „Family Guy“, „American Dad!“, „Bob’s Burgers“, „BoJack Horseman“ und „Rick and Morty“.
- Kinofilme: Allein hier ließe sich eine endlose Liste erstellen. Beispiele sind Chihiros Reise ins Zauberland (2001) oder Sonic the Hedgehog (2020) – hier werden Kinder und Erwachsene gleichermaßen (aber auf unterschiedliche Weise) angesprochen. Während ein Kind bei Ghostbusters – Die Geisterjäger (1984) vielleicht nur drei witzige Typen mit Laserkanonen sieht, erkennt man als Erwachsener den Humor zwischen den Zeilen, der sich um ernste Themen wie Einsamkeit und Kapitalismuskritik dreht. Aktuelle Beispiele, die wahrscheinlich nicht nur Kinder ins Kino locken werden, sind Barbie (von Greta Gerwig, kommt 2023) und Der Super Mario Bros. Film (ebenfalls 2023).
- Star Wars: Die Weltraumoper um die Skywalkers, das Imperium und die „Macht“ ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Die Filme und Serien laufen auf Disney+ und sind ausgesprochen erfolgreich. Das Merchandise (Action-Figuren, Lego-Bausätze, Romane & Comics, Videospiele) ist ein Milliardengeschäft. Wer „Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung“ (1999) als Kind gesehen hat, ist heute rund 30 Jahre alt – und vielleicht immer noch vom Star-Wars-Universum begeistert.
- Marvel Cinematic Universe (MCU): Was mit Comic-Heften (Spider-Man, Iron Man, Captain America, Thor, Hulk etc.) begann, ist mittlerweile ein gewaltiges Franchise aus Filmen und Serien. Es handelt sich um die erfolgreichste Filmreihe der Kinogeschichte – ein Erfolg, der sicherlich zu einem Großteil dem erwachsenen Teil des Publikums zu verdanken ist.
- Masters of the Universe (MOTU): Das Franchise des Spielzeugherstellers Mattel schildert den ewigen Kampf von
Prince AdamHe-Man gegen Skeletor. Angefangen hat alles in den frühen 1980er-Jahren, der neueste Ableger ist die Serie Masters of the Universe – Revelation (2021) bei Netflix. Für alte (und gut erhaltene) Action-Figuren aus der Anfangszeit legen Sammler (heute meist Männer über 40, die damals 5 waren) ohne mit der Wimper zu zucken mehrere Tausend Euro bei spezialisierten Händlern auf den Tisch.
Welche wirtschaftliche Bedeutung haben Kidults?
Das US-amerikanische Marktforschungsinstitut NPD Group schätzt Kidults als den aktuell „größten Wachstumsmotor für die gesamte Spielzeugbranche“ ein (Quelle: CNBC), sie seien „für ein Viertel aller Spielzeugverkäufe im Wert von jährlich 9 Milliarden US-Dollar verantwortlich“.
Eine Sonderstellung nimmt dabei die Gruppe der Sammlerinnen und Sammler ein, die (Vintage-)Spielzeug kaufen, um es aufzubewahren, auszustellen oder gewinnbringend weiterzuverkaufen. Hier vermischen sich Nostalgie und geschäftliche Interessen – beides Aspekte, mit denen Kinder wenig anfangen können.
Der Einzelhändler Andi Daniel (Fantasy Strongvision, Esslingen) kennt sich in der Sammler-Szene aus und ist einer der bekanntesten „Toy-Hunter“ Deutschlands: „Man glaubt nicht, wie viele erwachsene Menschen Spielzeug sammeln. Egal ob Star Wars, Turtles oder Masters of the Universe – wenn das entsprechende Franchise die Kindheitserinnerungen erweckt, dann gibt’s kein Halten mehr. Ein großer Teil meiner Kundschaft steht mit beiden Beinen fest im Leben, hat Job und Familie. Die Beschäftigung mit Spielzeug von früher und heute bringt da Entspannung, Austausch mit Gleichgesinnten und schafft eine Brücke zu den eigenen Kindern“, so Daniel gegenüber GIGA.