Mit all den Wirrungen um die Art von Spider-Man: Miles Morales ist das Spiel, noch gar nicht erschienen, schon zu Schrödingers Spider-Man geworden, das den Entwicklern zufolge ein „Stand-Alone-Spiel“ ist, also eine Art Erweiterung zu Marvel's Spider-Man, ein kleiner Nebentitel, ein neues Abenteuer im Universum, was auch immer – aber nicht Spider-Man 2. Was wir stattdessen gebraucht hätten.
Mit Spider-Man: Miles Morales schreiten wir weiter auf dem Pfad jener Helden, die gebraucht werden, aber nie auf dem Cover erscheinen. Nun, Miles Morales ist auf dem Cover seines Spiels, seines „Stand-Alones“, aber er ist weder auf dem Cover von Spider-Man, noch bis jetzt Spider-Man 2: Die Ehre bleibt Peter Parker vorbehalten, dem eigentlichen Helden der Saga – und das alles wäre kein Problem, würde die Welt der Popkultur nicht stets exakt so funktionieren: Ellie in The Last of Us ist lesbisch; ihre sexuelle Orientierung spielt allerdings nur in der Erweiterung The Last of Us: Left Behind eine Rolle. Das Stand-Alone Assassin's Creed: Schrei nach Freiheit lässt uns in die Fußstapfen eines ehemaligen Sklaven treten, der gegen den Sklavenhandel kämpft. Beide Stand-Alones – Left Behind und Freedom Cry – sind gut geschrieben und umgesetzt, aber jedes Mal wird der Weg der Hauptserie gegabelt, um diese Themen in einer Erweiterung anzugehen. Warum?
Weil der Mainstream der weißen, heterosexuellen Masse überlassen wird
Wie viele Blockbuster-Filme kennt ihr eigentlich, die in der Hauptrolle eine LGBTQI-Person zeigen, ohne LGBTQI zum hauptsächlichen Thema des Films werden zu lassen? Wie viele Blockbuster kennt ihr, die in der Hauptrolleeine schwarze Person zeigen, ohne Rassismus zum hauptsächlichen Thema des Films zu machen? Wie viele AAA-Spiele kennt ihr, die genau das umsetzen – und besser zeigen, als Blockbuster-Filme?
Es gibt diese Filme und Spiele. Lassen wir unsere Augen in den Indie-Sektor schweifen, sind da Beispiele; und auch einige bekannte Serien verwehren sich dem Stereotyp des weißen, heterosexuelles Mannes, der in der Hauptrolle die Welt rettet: Die Prime-Serie American Gods stellt den schwarzen Charakter Shadow in den Vordergrund, die englischen Serien London Spy wie auch In the Flesh zeigen schwule Charakter in den Hauptrollen, ohne Homosexualität im Fokus zu behandeln. Von Blockbustern können wir hier aber nicht reden, ein großes Publikum wird anderswo erreicht.
Was Miles Morales Animationsfilm Spider-Man: Into the Spider-Verse richtig macht, wird von Spider-Man: Miles Morales wieder in die Ecke der Erweiterungen gedrängt; des Zusatzspiels, das man sich extra kaufen muss, um einen nicht-weißen Spider-Man spielen zu dürfen: Das ist tatsächlich auch das Argument von Veve Jaffas Artikel „Downloadable Diversity“ – Diversität existiert im Sektor der Videospiele, aber ihr müsst sie euch extra kaufen; die Hauptspielreihen bleiben weitestgehend frei davon:
„Der einzige Mensch, die sich frei und unbeschwert in den Medien verlieren darf, ist der weiße Cis-Mann – das vorgegebene menschliche Ideal, von dem alle Charakter und Storys beeinflusst sind.“
Seid ihr lesbisch und möchtet gern eine Romanze spielen oder sehen, innerhalb welcher ihr euch repräsentiert fühlt, müsst ihr euch einen DLC kaufen – müsst ihr auf Nebencharaktere achten oder Indie-Filme sehen. Denn im Mainstream ist schon die weibliche Star-Wars-Protagonistin Rey ein Fauxpas in den Augen einiger Fans,
Ihr könntet Mass Effect sagen, aber Mass Effect 1 ermöglichte einzig lesbischen Beziehungen, keine schwulen. Warum? Ihr wisst alle ganz genau warum, denn Zufall war es damals nicht; und erst im dritten Teil der Serie war es überhaupt möglich, eine schwule Beziehung einzugehen: Und das in einem Science-Fiction-Rollenspiel; in einer komplett ausgedachten Welt, die sich einen Namen darin machte, dem Spieler alle Möglichkeiten offenzulassen und an einem Ort spielt, der fernab unseres Universum wirklich alles möglich machen könnte.
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Als Spider-Man: Miles Morales gleich zu Anfang des PS5-Events The Future of Gaming auf den Bildschirm krabbelte, dachte ich, es wäre Spider-Man 2. Ich dachte, das ist es, was 2020 braucht. Wie es aussieht, habe ich wohl sehr viel mehr von der Zukunft des Gamings erwartet, als die Wirklichkeit bereithält.