Fast jedem ist es schon einmal passiert: Man spricht mit jemandem über ein bestimmtes Thema und zack – kurze Zeit später taucht genau dazu die passende Werbung bei Facebook oder in einer anderen App auf. Wird man vom Smartphone abgehört?
Immer wieder gibt es Berichte über das Phänomen, bei dem besonders auffällig Werbung anzeigt wird, nachdem man sich über ein passendes Thema unterhalten hat. So werden gefühlt oft bei Facebook und Co. nach einem Gespräch gesponserte Beiträge im Feed ausgespielt, die erstaunlich genau ein besprochenes Thema aufgreifen. Wie kann das sein?
Handy hört mit & zeigt passende Werbung an: Was ist dran?
Jedes Smartphone ist mit einem Mikrofon ausgestattet, schließlich wird es zum Beispiel für die Telefon-Funktion sowie integrierte Sprachassistenten benötigt. Das Smartphone hört also mit, schließlich muss es bei Code-Wörtern wie „Hey Siri“ oder „Ok Google“ aktiv werden. Bei solchen Aktionen benutzt man das Smartphone aber bewusst. Erschreckender ist die Annahme, dass das Handy auch bei privaten Gesprächen zuhört, obwohl man das gar nicht möchte beziehungsweise nicht damit rechnet.
- Offiziell gibt es keine heimliche Abhörfunktion am Smartphone, die für personalisierte Werbung genutzt wird.
- Im Juni 2018 soll Facebook zwar ein Patent für eine Technologie angemeldet haben, mit der man Geräusche am Smartphone auswerten könne. Das soll aber nur passiert sein, um anderen Unternehmen in diesem Gebiet zuvorzukommen (Quelle: NDR).
Mehr zu dem Patent gibt es in diesem Galileo-Bericht:
- Facebook, Google und Co. sollen also kein entsprechendes Feature integriert haben.
- Das wäre auch illegal, schließlich würde es sich beim heimlichen Mithören um einen Datenschutzverstoß handeln, der strafrechtliche Konsequenzen und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen würde.
- Bei der Installation von Apps wie Facebook gewährt man der Anwendung zwar den Zugriff auf das Handy-Mikrofon, das Unternehmen selbst bestreitet aber, private Audio-Aufnahmen für Werbung zu verwerten.
- Einige Android-Entwickler haben in den vergangenen Jahren immer wieder den Programmier-Code der Facebook-App unter die Lupe genommen, dort aber ebenfalls keine Anzeichen für eine Abhörfunktion gefunden (Quelle: Reddit).
- Eine dauernde akustische Überwachung würde sich in einem erhöhten Akku-Verbrauch äußern.
- Zudem zeigen Android und iOS mit einem Punkt in der Benachrichtigungsleiste an, wenn Apps auf das Mikrofon zugreifen.
Stichhaltige Beweise, dass man von Facebook und Co. abgehört wird, gibt es nicht. In verschiedenen Tests und Untersuchungen konnte nicht nachgewiesen werden, dass Werbung auf dem Smartphone auf Grundlange von privaten Gesprächen ausgespielt wurde, zum Beispiel in diesem „Abhör-Experiment“ bei der „Puls Reportage“ im BR (Video bei BR ansehen).
Werbung: Kann das Handy mithören? Das könnte dahinterstecken
Es ist unwahrscheinlich, dass das Handy aktiv abhört, um Werbung anzuzeigen. Die meisten modernen Smartphones haben keine Funktionen, die sie dazu befähigen, kontinuierlich Gespräche abzuhören, ohne dass der Nutzer es mitbekommt. Stattdessen basieren die meisten personalisierten Werbeanzeigen auf dem, was man online tut. Das betrifft zum Beispiel die Suchanfragen, die Websites, die man besucht, und die Apps, die man verwendet. Unternehmen sammeln Daten über das Verhalten im Internet, um relevante Werbung zu schalten.
Einige der auffälligen Werbeanzeigen lassen sich anders erklären:
- Möglicherweise hat man entsprechende Beiträge bereits früher angezeigt bekommen, sie jedoch nicht weiter beachtet. Erst nach dem Gespräch in der jüngeren Vergangenheit ist die Marke oder das Thema noch im Bewusstsein, sodass der Werbeinhalt stärker auffällt.
- Facebook und andere Apps können auf den Gerätestandort zugreifen. Möglicherweise wird die Werbung auch nicht gesprächs-, sondern standortbezogen personalisiert.
- Facebook und WhatsApp gehören zu einem Konzern. Schreibt ihr eine Nachricht bei WhatsApp, könnten sie also durchaus ausgewertet werden, um damit Anzeigen bei Facebook auszuspielen. Schon im Jahr 2021 hat man bei Meta Mitarbeiter gesucht, um Ende-zu-Ende-Nachrichten per KI zu analysieren (Quelle: The Information).
- Facebook kann zudem auswerten, welche Internet-Seiten man aufgerufen hat. Das zeigt zum Beispiel das neue „Link Verlauf“-Feature. Möglicherweise hat man über die gesprochenen Themen in der Vergangenheit bereits früher etwas im Netz gelesen und bekommt deshalb jetzt Werbung dazu bei Facebook eingeblendet.
Es ist also möglich, dass es sich um einen Fall von Zufall oder selektiver Wahrnehmung handelt. Manchmal bemerken Menschen Werbung zu Themen, über die sie kürzlich gesprochen haben. Das ist eher eine Folge des Bewusstseins für dieses Thema als eine tatsächliche Abhörung durch das Handy. Wenn man Bedenken bezüglich der Privatsphäre hat, kann man die Datenschutzeinstellungen des Handys überprüfen und sicherstellen, dass Apps keine Daten sammeln, die sich nicht benötige., Auch die Datenschutzeinstellungen in den verschiedenen Diensten sollten immer genau durchgelesen und falls möglich angepasst werden.
„Active Listening“: Was steckt hinter der Werbefirma?
Seit Ende 2023 kursiert die News, wonach das US-amerikanische Marketing-Unternehmen Cox Media Group (CMG) einen Dienst anbietet, mit dem man Gespräche vor dem Smartphone oder Smart-TV abhören und die Inhalte für Werbung nutzen können soll. Der Dienst trägt laut 404 Media den Namen „Active Listening“. KI-gestützt sollen so Gespräche analysiert werden können, um gezielt Werbung über verschiedene Apps am Smartphone oder Smart-TV auszuspielen.
CMG soll sich rechtlich auf einer sicheren Seite wähnen, da man davon ausgeht, dass entsprechenden Maßnahmen über AGB entsprechender Apps zugestimmt wird (Quelle: t-online). Verschiedene Tech-Riesen wie Amazon, Google und Microsoft sollen laut dem Bericht bereits mit CMG zusammenarbeiten, allerdings gibt es dazu keine offiziellen Informationen. Nachdem die News Mitte Dezember 2023 aufgetaucht ist, fügten Verantwortliche von CMG hinzu, dass man keine Gespräche ohne Einverständnis abhört und es lediglich „aggregierte, anonymisierte und vollständig verschlüsselte Daten“ gibt. Kurz nachdem der Bericht veröffentlicht wurde, ist die Seite bei CMG offline gegangen und kann nur noch im Internet-Archiv abgerufen werden.
Wie kann man sich schützen?
Auch wenn es also keine offizielle Bestätigung und auch keine handfesten Anzeichen dafür gibt – ein unsicheres Gefühl bleibt, wenn auch das nächste Mal wieder Urlaubswerbung bei Facebook erscheint, nachdem man sich 2 Minuten vorher noch mit seinem Gegenüber über Reisen unterhalten hat. Wer auf Nummer sichergehen will, kann Apps wie Facebook den Zugriff auf das Mikrofon, den Standort und Co. entziehen (So ändert man App-Berechtigungen). Danach können aber einige Features wie Anrufe und Sprachnachrichten nicht mehr funktionieren. Ganz sicher ist man, wenn man auf entsprechende Apps komplett verzichtet. Auch wenn Apps wie Facebook oder die Google-Suche kostenlos sind, bezahlt man die Services schließlich mit seinen Daten.