5 Wochen untersuche ich inzwischen schon, ob sich Genshin Impact auch heute noch lohnt. Und das Spiel überzeugt immer noch an vielen Stellen. Doch hinter der schillernden Fassade verbirgt sich ein ausgeklügeltes Gacha-System, das einige Kritikpunkte aufweist.
Zwischen Fairness und Manipulation
Nennen wir es beim Namen: Gacha ist Glücksspiel – auch wenn Genshin Impact mit seinem Pity-System, das nach einer bestimmten Anzahl erfolgloser Versuche einen guten Charakter garantiert, fairer erscheint als klassische Lootboxen. Doch aus mathematischer Sicht bleibt das System unfair.
Hinzu kommt, dass Entwickler Hoyoverse die Wahrscheinlichkeiten offenbart. Eigentlich super, allerdings sind die sehr verwirrend gestaltet. Damit hat selbst ein studierter Mathematiker Schwierigkeiten. Man könnte Hoyoverse allerdings auch Absicht unterstellen. Verwirrende Systeme sind immerhin die Königsdisziplin der Dark Patterns.
Virtuelle Währungen und ihre Auswirkungen
Apropos Dark Pattern: Ein weiteres Beispiel dafür sind virtuelle Währungen wie die „Schöpfungskristalle“. Die kann man nur so kaufen, dass immer ein Rest übrig bleibt – ein klassisches Beispiel für die Sunk-Cost-Fallacy. Spieler werden dadurch verleitet, weitere Kristalle zu kaufen. Schließlich war noch was übrig!
Dadurch verschwindet außerdem die direkte Verbindung von Finanzen und Leistung: Ein garantierter 5-Sterne-Charakter erscheint bei 90 Ziehungen. Hinzu kommt die 50/50-Chance, dass dieser Charakter auch das Ziel war. Dafür braucht ihr 28.800 Kristalle, umgerechnet 480 Euro.
Dieser Fall ist natürlich eine Seltenheit. Aber auch die häufiger auftretenden Glücksfälle gruppieren sich bei einem Wert von etwa 240 Euro. Falls euch die genauen Zahlen interessieren, findet ihr die Rechnung im folgenden Absatz. Ansonsten könnt ihr direkt zum nächsten springen.
Die Chancen steigen mit jeder Ziehung gleichmäßig. Das entspricht am ehesten einer hypergeometrischen Verteilung mit der Wahrscheinlichkeit 1 aus 90. Die häufigsten Treffer sammeln sich bei einer hypergeometrischen Verteilung in der Mitte. In diesem Fall ergeben sich 45,5 Ziehungen. Die 50/50-Chance auf den begehrten Charakter hat den erwarteten Effekt: Sie verdoppelt die Ziehungen noch. Am häufigsten sind als 91 Ziehungen.
Es ist auch möglich, die begehrten Kristalle im Spiel zu sammeln. Der Aufwand steigt aber mit der Zeit immer mehr, so dass es fast in Arbeit ausartet. Und die hat einen sehr geringen Stundenlohn.
Das Powercreep-Problem
Ein weiterer kritischer Aspekt ist der sogenannte Powercreep: Neue Charaktere werden oft als spektakulärer oder stärker wahrgenommen. Während der Test-Phase von Mavuika etwa war der Wunsch, diesen Charakter zu besitzen, sofort da – eine geschickte Marketingstrategie von Hoyoverse.
Allerdings muss man dem Entwickler zugestehen, dass die Natlan-Charaktere hauptsächlich in ihrer eigenen Region glänzen und damit ein gewisses Balancing gewährleistet ist. Damit haben sie eine gute Methode geschaffen, Powercreep einzudämmen. Der ist schließlich schwer vermeidbar.
Fazit: Genshin Impacts Gacha-System ist im Vergleich zu anderen Lootbox-Systemen durchaus fairer gestaltet und kein Muss für den Spielspaß. Viele Spieler genießen das Spiel auch ohne Echtgeld-Investitionen. Dennoch bleibt es ein fragwürdiges Finanzierungsmodell, dessen Mechanismen man sich bewusst sein sollte.