Liebe Leserschaft, ich stelle euch Anneliese Michel vor:
Anneliese wurde am 21. September 1952 im beschaulichen Leiblfing in Niederbayern in eine streng katholische Familie geboren. Ihr Leben war nicht besonders auffällig, bis sie sich im Alter von 16 Jahren bei einem Krampfanfall in die eigene Zunge biss. Ärzte diagnostizierten wenig später einen Fall von Epilepsie.
Unbeirrt von der Nervenkrankheit machte sich die außergewöhnlich intelligente Anneliese weiter auf ihren akademischen Weg. Nach dem Abitur 1973 ging es nach Würzburg zur pädagogischen Hochschule, denn das Fräulein Michel wollte Lehrerin werden. Leider wurde aus ihrem Traum nichts, denn wie so oft kam eine dämonische Besessenheit dazwischen.
Zunächst erlebte die junge Frau, die ihr Leben lang nach strenger, religiöser Disziplin lebte, Halluzinationen. Während des täglichen Gebets sah sie teuflische Fratzen, hörte das Flüstern von Dämonen und vernahm elende Gerüche. Bei Ärzten stießen ihre Beschwerden auf Ratlosigkeit und auch die Kirche sah sich zunächst nicht als verantwortlich für die junge Bayerin.
Allein gelassen in einer Welt voller Angst, Paranoia und religiösem Wahnsinn rutschte Anneliese immer weiter dem Abgrund entgegen. Die rätselhaften Mächte in ihrem Kopf hatten sie fest im Griff und malträtierten ihren Körper, wo es nur ging. Zum Beispiel verzichtete Anneliese Michel tage- und wochenlang auf Essen, weil ihre Dämonen es ihr nicht erlaubten. Einige Augenzeugenberichte erzählen sogar davon, dass die schmächtige junge Frau von unsichtbaren Kräften an Wände geworfen oder zu Boden gerissen wurde, das Bewusstsein verlor und sich stundenlang nicht rühren konnte.
Ab Herbst 1975 wurde zwei Mal wöchentlich ein Exorzismus vollzogen, der die dämonischen Kräfte austreiben sollte. Leider blieben die Sitzungen ohne Erfolg, denn Anneliese blieb die Kontrolle über ihren Körper und ihre Seele weiterhin verwehrt. Wie im klassischen Horrorfilm „Der Exorzist“ (der kurz vorher in den deutschen Kinos anlief) begann die besessene Person damit, ihre Exorzisten zu beleidigen und zu verspotten. Auch vor körperlicher Gewalt wie Kratzen und Beißen blieben die Leute aus ihrer Umgebung nicht verschont. Natürlich gehörten auch abstoßendere Phänomene wie das Urinieren auf den Boden oder das berüchtigte Erbrechen zum Alltag der Anneliese Michel.
In der finalen Phase des Exorzismus nahm ihre körperliche Verfassung stets ab, sie litt an Unterernährung und zahlreichen, selbst zugefügten Verletzungen. Am 1. Juli 1976 starb das geplagte Mädchen schließlich. Ihre letzten Worte an die anwesenden Priester waren „Bettelt um Absolution“, zu ihrer Mutter sagte sie noch „Mutter, ich hab Angst“.
Die genau so faszinierende wie tragische Geschichte des bayerischen Exorzismus diente als Inspiration für das deutsche Drama „Requiem“ und den amerikanischen Horrorfilm „Der Exorzismus von Emily Rose“. Allerdings ist wohl kein Film in der Lage dazu, die Qual der jungen Frau wahrheitsgetreu und in ihrem vollen Maß abzubilden.
Der Fall hat in Deutschland und weltweit für sehr viel Aufsehen gesorgt und eine Menge Öl in den uralten Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft gegossen. Heute meint man zu wissen, dass es sich im Fall der Anneliese Michel um eine schwere nervliche/psychologische Krankheit handelte, die von ihren Eltern und im weiteren Verlauf von den Priestern nur weiter gefüttert wurde, anstatt sie zu heilen.
Sicherlich werden (vor allem religiöse) Phänomene gerne von der Suche nach „Wahrheit“ entschärft, trotzdem ist es nicht minder beunruhigend, sich mit diesem Fall zu beschäftigen.
Alle Zweifler fordere ich dazu heraus, sich nachts vorm Schlafen einen Laptop mit ins Bett zu nehmen, Kopfhörer aufzusetzen und sich die folgenden 10 Minuten anzuhören, die aus originalen Tonaufnahmen von Annelieses Exorzismus-Sitzungen zusammengeschnitten wurden: