Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Niemand! Und wenn er kommt? Dann laufen wir! Fast jeder kennt dieses alte Kinderspiel und hat es vielleicht auch als Kind gespielt, ohne sich größere Gedanken zu machen, wer dieser nebulöse schwarze Mann eigentlich ist. Dieser Ratgeber geht den Hintergründen des Spiels nach und nennt euch ein paar Spiel-Alternativen.
Viele Spiele spielen wir als Kind und machen uns keine Gedanken, ob sie auf einen realen Hintergrund anspielen. Ein beliebtes Spiel auf deutschen Kindergeburtstagen war jahrelang Reise nach Jerusalem, bis sich im Bewusstsein der Nach-Nach-Kriegsgeneration mehr und mehr verankerte, dass diese spielerische Verhöhnung der Opfer des Holocausts unangenehm und peinlich ist. Das Spiel macht ja aber trotzdem Spaß und wurde also schlicht umbenannt. Heute spielt man Stühle-Pogo. Ebenso erging es dem Naschwerk mit schwarzer Hülle und weißer Zuckerfüllung, das inzwischen Schaumkuss heißt. In diesem Artikel geht es jetzt um die Frage, ob auch das Spiel vom schwarzen Mann in einer rassistisch-kolonialistischen Tradition steht und folglich vermieden oder umbenannt werden sollte.
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wer soll`n das überhaupt sein - dieser schwarze Mann?
Das Spiel Wer hat Angst vorm schwarzen Mann ist ein Fangspiel, bei dem es einen Fänger, den schwarzen Mann und eine unbestimmte Anzahl zu fangender Menschen gibt. Auch heute noch wird dieses Spiel vom Kindergarten bis zum Sportunterricht in der Mittelstufe gerne gespielt. Immer wieder kommt aber bezüglich dieses Spiels die Frage auf, wer dieser schwarze Mann genau sein soll und viele Menschen befürchten sofort, dieser Ausdruck wäre rassistisch und würde sich auf die genetisch festgelegte Hautfarbe des unbekannten Mannes beziehen - also sozusagen schon frühkindlich Angst vor schwarzen Menschen, besser gesagt People of Color (PoC) geschürt würde. Allerdings stammt das Spiel schon aus mittelalterlichen Zeiten und der Entstehungszusammenhang mit der schwarzen Hautfarbe eines Menschen ist mehr als unwahrscheinlich.
Zunächst ist der schwarze Mann also eine von vielen Kinderschreckfiguren, die in der deutschen Erziehungsgeschichte fest verankert sind. Heutzutage scheinen sie nicht mehr besonders en vogue, aber die Kindheit früherer Epochen war meist begleitet von einigen Angst machenden Schreckgestalten, mit denen bei unartigem Verhalten gedroht wurde. Der Bi-Ba-Butzemann gehört zu den harmloseren Figuren mit diesem Auftrag und auch der Sandmann, der zu Kindern kommt, die nicht schlafen wollen, hat zumindest durch die Sandmännchen-Sendung ein sehr positives Image bekommen.
Eine dieser Kinderschreckgestalten war auch der schwarze Mann, zum dem sich dann passenderweise das gleichnamige Spiel entwickelt hat. Ganz genaue Erkenntnisse zur Herkunft gibt es nicht, aber verschiedene Vermutungen:
- Der schwarze Mann steht sozusagen für die dunkle Seite der Macht. Er ist in schwarz gekleidet und führt eine schattenhafte Existenz, er ist ein Fremder.
- Der Schornsteigerfeger ist schwarz - er könnte es auch sein.
- Es ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich vielleicht um einen Mann mit schwarzer Hautfarbe handelt.
- Der Tod ist in Darstellungen traditionell schwarz gekleidet.
- Der Henker trug stets eine schwarze Kopfhaube.
- Historisch am plausibelsten: Er ist ein Pestkranker, der mit dem sogenannten Schwarzen Tod infiziert ist.
Das es sich beim schwarzen Mann um einen Pestkranken handeln soll, liefert eine sehr plausible Erklärung für die farbliche Zuschreibung und für den Ablauf des Spiels. Denn wer von einem Pestkranken angefasst wurde, musste befürchten, anschließend selbst infiziert zu sein. Andererseits waren diese Kranken aufgrund ihrer Schwäche aber keine ernsthafte Gefahr. Also: Wer hat Angst vorm Pestkranken? Niemand! Und wenn er kommt? Dann laufen wir. Die pädagogische Anweisung, die sich dann subtil mit diesem Spiel verbinden würde, wäre dann sich von Pestkranken fernzuhalten.
Ist das Spiel rassistisch?
Das Problem ist, dass es kaum eine Rolle spielt, wie der tatsächliche historische Hintergrund des Spiels zu bewerten ist. Keine der Theorien kann so stringent belegt werden, dass nicht genug Platz für Spekulationen bleiben würde. Man kann argumentieren, dass sich vorhandener Rassismus und die Furcht vor dem Anderen, dem Fremden auch in Spielen, Liedern und Wortschöpfungen widerspiegelt, was vielfach zu belegen ist. Das Afrika-Bild vieler Generationen wurde beispielsweise von Zehn kleine Negerlein geprägt, ein definitiv rassistisches Lied.
Ob der Schwarze Peter oder der Schwarze Mann aber auch im direkten Bezug zu Menschen mit schwarzer Hautfarbe steht, bleibt zu diskutieren und bedeutet vor allem intensives Quellenstudium.
Muss Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? umbenannt werden?
Unabhängig davon, ob das Spiel historisch auf einen rassistischen Zusammenhang zurückzuführen ist - es wird heute meistens so wahrgenommen. Blickt man ins Netz findet man diverse Broschüren über Anti-Rassismus oder Rassismus, die den Titel des Spiels als Überschrift nehmen und somit in diesen Bedeutungszusammenhang setzen. Allerdings hat aber auch die Schornsteinfegerinnung den Spieltitel als Titel für eine ihrer Broschüren gewählt. Sprache wandelt sich und mit ihr die Bedeutungen der Ausdrücke. Wenn heute vorwiegend ein Mensch schwarzer Hautfarbe von den Spielenden imaginiert wird, dann ist das Spiel rassistisch - egal, ob dies irgendwann ursprünglich die Intension war. Das heißt, um negativer, rassistischer Manipulation der Kinder entgegen zu wirken, wäre eine Umbenennung des Spiels sicherlich sinnvoll.
Das geht ganz leicht:
- Wer hat Angst vor Justin Bieber?
- Wer hat Angst vorm bösen Mann? Oder um es anti-sexistischer zu halten: Wer hat Angst vor der bösen Frau?
- Wer hat Angst vorm Riesenfrosch?
- Wer hat Angst vorm Popelmann (alter deutscher Kinderschreck, den man wiederbeleben könnte)
Rassismus ist eines der größeren Probleme der Menschheit, an dem wir dringend arbeiten müssen. Wir werden zu einem Einwanderungsland und zunehmend werden in deutschen Schulklassen Kinder mit einer anderen Hautfarbe aufzufinden sein. Das diese sich von einem Spiel wie diesem diskriminiert fühlen müssen, sollte dringend vermieden werden. Und da es sich letztlich nur um die Änderung eines Adjektivs handelt, sollte das für jeden machbar sein.
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