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Stillstand seit 2007: Wo bleibt die Grafik-Revolution? [Kolumne]


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Laut der Werbung werden Spiele jedes Jahr schöner, beeindruckender und technisch anspruchsvoller. Wer genauer hinsieht, merkt jedoch, dass sich in den letzten zehn Jahren überraschend wenig getan hat.

Ein Grafikvergleich zwischen 2007 und 2016:

Damals ist mir die Kinnlade runtergeklappt: Auf der E3 2003 wurde eine Demo mit Spielszenen aus Half-Life 2 gezeigt und das mit einer Grafik, die ich bis dahin weder gesehen, noch für möglich gehalten habe.

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Volumetrisches Feuer, realistische Gesichtsanimationen, dynamische Beleuchtung, ganz zu schweigen von den physikalischen Möglichkeiten der Gravity Gun. Ich war im siebenten Himmel. So sah die Zukunft des Gaming aus. Und das war gerade einmal 2003. Wie werden Spiele erst 2010 aussehen? Oder 2015? Wie sich herausstellte, immer noch genauso.

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Die letzte Grafik-Revolution ist zehn Jahre her

Zugegeben, natürlich hat sich Spielgrafik in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt. Überraschend ist jedoch, mit welchen scheinbar kleinen Schritten. Die spektakuläre Half-Life 2 Demo war nicht das einzige und letzte mal, dass ich das Gefühl hatte, so etwas noch nie zuvor gesehen zu haben. Ein echter, zuvor unerreichter Meilenstein. Ein ähnliches Gefühl hatte ich kurz darauf bei Doom 3 und schließlich beim 2007 erschienen Crysis.

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Ich bin bereit mich aus dem Fenster zu lehnen und zu behaupten, dass Crysis die letzte nennenswerte Grafik-Revolution war, bei der die Neuerungen auf den ersten Blick offensichtlich waren. Wie gesagt bin ich mir bewusst, dass sich Grafik auch seit 2007 weiterentwickelt hat, aber eben nur marginal. Verbesserte Shader, flüssigere Animationen, 4K-Auflösung — eben alles Dinge die es zuvor schon gab und aus denen noch einmal jeweils ein bisschen mehr herausgeholt wurde. Zum Vergleich: Zehn Jahre vor Crysis erschien das damals bahnbrechende Super Mario 64. Zwischen den Jahren 1997 und 2007 hat die Grafik eine große Entwicklung durchgemacht. Verglichen damit, war die Zeit danach geradezu lächerlich.

Die Konsolen sind schuld — aber auch unsere Angst vor Robotern

Half-Life 2 und Crysis waren technisch kompromisslos. Sie konnten Risiken eingehen, mussten keine Zugeständnisse machen und keine Rücksicht nehmen, denn sie erschienen zum Release nicht für Konsolen. Bei allen Vorteilen, die Konsolen in Sachen Einheitlichkeit und Zugänglichkeit auch bieten, dem grafischen Fortschritt stehen die in sich geschlossenen Systeme im Weg.

Die Bedeutung und der Marktanteil der Konsolen ist im vergangen Jahrzehnt allerdings erheblich gewachsen. Wer heutzutage ein Triple-A-Spiel entwickelt, muss darauf achten, dass es neben der PC-Hardware auch auf PlayStation 4 und Xbox One läuft, die mittlerweile ganze fünf Jahre auf dem Buckel haben. PC-exklusive Grafik-Kracher sind praktisch ausgestorben, da sich ohne Absatzmöglichkeit auf den Konsolen die Entwicklung kaum rentieren wird.

Anders als der erste Teil erschienen Crysis 2 und Crysis 3 etwa zum Release auch auf den Konsolen — und sehen bis heute nicht so gut aus wie ihr Vorgänger. Ironischerweise bedeutet PC-Exklusivität heutzutage in den meisten Fällen, dass es sich um technisch genügsame Programme handelt, denn Laptops zum arbeiten und surfen besitzen schließlich die meisten, wodurch Titel wie Hearthstone florieren können.

Ein paar positive Ausnahmen gibt es dann doch:

Den Konsolen allein die Schuld in die Schuhe zu schieben, wäre aber zu kurz gedacht, denn natürlich erscheinen auch auf der PlayStation 4 und der Xbox One wunderschöne Spiele. Nur kann sich die 3D-Grafik nicht so rasant weiterentwickeln wie noch in den neunziger Jahren, da ja gefühlt bereits alles erreicht ist.

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Das Dilemma der aktuellen Grafik ist ja nicht primär, dass es an der nötigen Rechenleistung mangelt, sondern dass kaum noch Raum zur Verbesserung übrig ist, ohne sich mit dem Uncanny Valleyrumzuschlagen. Was bedeutet das? Uncanny Valley ist das Phänomen, dass uns foto-realistische Darstellung innerlich beunruhigt, solange noch immer Abweichungen von einem „echten Menschen“ erkennbar sind.

Ein klassisches Beispiel dafür sind Baby-Puppen, die daher gern in Horror-Filmen eingesetzt werden. Auch menschenähnliche Roboter wirken nicht gerade einladend auf uns. Animationsfilme haben daher bereits vor längerer Zeit damit begonnen, die Proportionen so zu verfremden, dass sie nicht in das Uncanny Valley fallen, etwa die eigentlich viel zu großen Augen der Disney-Charaktere. Dadurch werden sie von uns nicht mehr als zu menschenähnlich wahrgenommen und dementsprechend auch nicht als gruselig.

Auch die Grafik vieler Spiele funktioniert nach diesem Prinzip. Während die Gesichts- und Körperanimationen von Mass Effect: Andromeda — ein Paradebeispiel für Uncanny Valley — noch für massive Kritik und Spott sorgten, gibt es gegenüber Fortnite keine vergleichbaren Vorwürfe, obwohl die Animationen in dem Battle-Royale-Spiel theoretisch noch unrealistischer sind. Da sich Fortnite bewusst für einen verfremdenden Comic-Look entschieden hat, der nicht unserer sensibilisierten Wahrnehmung der Realität entsprechen muss, kann der Uncanny-Valley-Effekt gar nicht erst entstehen.

Auch an gruseligen Glitches erkennt man den Effekt des Unanney Valley besonders gut:

Konsequent auf bessere und realistischere Grafik zu setzen bedeutet also, die Grenzen des Uncanney Valley immer weiter auszuloten, was aus künstlerischer, psychologischer und vor allem finanzieller Sicht für die meisten Entwickler schlicht zu anspruchsvoll ist. Je realistischer die Spiele aussehen, desto weniger verzeihen wir ihnen Fehler.

Bis dieses grundlegende Problem also überwunden werden kann, werden wir uns wohl in den nächsten Jahren mit werbewirksamen Buzzwords wie 4K oder HDR zufrieden stellen müssen, die zwar eine Verbesserung im Detail bieten, für viele Spieler mit dem bloßen Auge aber kaum erkennbar sind und keine tatsächliche Grafik-Revolution darstellen.

Und zugegeben, ist das ja auch gar nicht schlimm. Schließlich beweisen Spiele wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Super Mario Odyssey oder Divinity Original Sin 2 immer wieder, dass nicht foto-realistische Grafik über die Qualität eines Spiels entscheidet, sondern das Niveau des Gameplays.

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