Ragnar Lothbrok bzw. Lodbrok ist nicht nur der Wikinger-König aus der TV-Serie Vikings, sondern auch eine reale, aber historisch umstrittene Figur. Die neue Fortsetzung der Serie startet diesen Monat auf Amazon Prime und wir machen noch mal einen kurzen Ragnar Lothbrok-Realitäts-Check, bevor wir uns wahrscheinlich dann auch für immer von ihm verabschieden müssen.
Der Trailer zur vierten Staffel von Vikings, die Mitte Juni bei Amazon Prime anlaufen wird:
Die Fernsehserie vom Sender History hält sich teilweise sehr nah an die bekannte Vorzeitsaga Ragnars saga loðbrókar. Sie basiert auf älteren Überlieferungen und wurde im 13. Jahrhundert in Island verfasst. Sie handelt vom Wikingerkönig Ragnar, der wohl mit dem Wikinger Reginheri gleichzusetzen ist, der im Jahre 845 Paris geplündert hat und von dessen ebenfalls sehr berühmten Söhnen.
Freunde der nordischen Sagenwelt bzw. Geschichtsfans werden sicher wissen, dass die Existenz von Ragnar Lothbrok bzw. altnordisch Ragnarr Loðbrók, historisch keineswegs gesichert ist. Es sind nur sehr wenige Fakten bekannt, da die Wikinger abgesehen von den Runen, eine verbale Kultur hatten. Es wird teilweise wird sogar erwogen, ob Ragnar und Lodbrok verschiedene Personen waren.
Vielen Menschen wird auch schon bekannt sein, dass mindestens ein Fakt in der Serie tatsächlich unmöglich ist und das betrifft die zeitlichen Abstände zwischen den Reisen von Ragnar bzw. damit zusammenhängend, das geographische Wissen der Wikinger im 8. Jahrhundert.
Lindisfarne oder Paris - der echte Ragnar Lodbrok hat nicht beides getan
- Die erste Reise des kommenden Jarls Ragnar führt ihn in das Kloster nach Lindisfarne. Damit will Ragnar seinen Zeitgenossen beweisen, dass es im Westen wirklich Land gibt. Dieser Wikinger-Überfall und die grausame Metzelei der Mönche ist historisch belegt, denn darüber wurde von den Engländern geschrieben - natürlich mit etwas verzerrter Sicht auf die Besucher. Aber das Ereignis hat historisch gesichert am 8. Juni 793 stattgefunden.
- Derselbe Ragnar ist aber auch beim Überfall auf Paris der Anführer und diesen kann man auf das Jahr 845 festlegen.
- Ganz schlichte Mathematik reicht aus, um zu erkennen, dass das auch nicht mit Björns Alter, der bei der Abreise zur Insel Lindisfarne 12 Jahre alt sein soll, vereinbar ist. Zwischen beiden Ereignissen würden dann über 50 Jahre liegen.
- 865 soll der historische Ragnar gestorben sein, er hätte dann ein wahrhaft unwahrscheinliches Alter erreicht.
Der Schöpfer der Serie, Michael Hirst, rechtfertigt diese Entscheidung mit der Dramaturgie, denn er wollte einen mutigen Entdeckergeist etablieren, der es plausibel macht, dass man ihm folgt und gleichzeitig auch einen Gegenspieler installieren. Eine rein dramaturgische Entscheidung, die prinzipiell auch nicht beim Genuss der Episoden stört, definitiv aber historisch inakkurat ist.
Und die Idee, die Wikinger hätten im späten 8. Jahrhundert noch die Existenz von England bezweifelt, ist lächerlich. Zwar ist die Schrift über den Überfall in Lindesfarne aus dem Jahr 793 und markiert den Anfang der sogenannten Wikingerzeit, allerdings geht man davon aus, dass bereits vorher Begegnungen stattgefunden haben, es gibt dazu aber keine Dokumente.
Die Entdeckung des amerikanischen Kontinents fand übrigens 500 Jahre vor der Ankunft der Spanier durch Leif Eriksson statt. Er reiste laut den Vinland-Sagas zweimal dorthin und seine Charakter ist zigfach Protagonist in Filmen und Serien geworden.
Hat der echte Ragnar Lothbrok wirklich so gut ausgesehen?
Zumindest nicht, was seine Bekleidung betraf. Die Kostüme in Vikings sind zwar extrem cool, aber auch ziemlich nutzlos, wenn man sich so häufig zwischen Schwertern und Äxten bewegt. Tatsächlich kann man ja im Museum oder auf Zeichnungen sehr gut sehen, dass die Wikinger in der Schlacht eigentlich immer einen Helm trugen. Das ist bei der Truppe von Ragnar total out, niemand macht das. Zusätzlich trug der echte Ragnar wahrscheinlich ein gestepptes Wams unter einem Kettenhemd, um sich halbwegs vor Verletzungen zu schützen. Selten werden sie wohl mit freiem Oberkörper gekämpft haben.
Darüber sollte man aber hinwegsehen können, weil sie einfach alle echt beeindruckend schön gekleidet sind.
Inakkurat, aber authentisch - Zumindest meistens
Auch wenn die wenigen bekannten historischen Fakten teilweise auf sonderbare Weise dramaturgisch verbogen wurden, bleibt doch die erfrischende Authentizität in der Darstellung der Wikinger und ihres Verhaltens. Sie sehen vielleicht nicht authentisch aus, aber sie agieren wie wahre Heiden. Sie verfügen natürlich über eine Religion & Moral, einen Kodex & Gesetze, aber sie halten auch Sklaven und sind ausgiebig brutalzu ihren Feinden.
Oftmals werden in historischen Produktionen aber diesbezüglich Entschärfungen vorgenommen, damit die Zuschauer keine Schwierigkeiten bekommen, sich zu identifizieren bzw. Sympathie für die Hauptfiguren zu empfinden. Wenn beispielsweise Sklaven vom weißen Hauptdarsteller ganz menschlich und fair behandelt werden oder Kolumbus Native Americans rettet, obschon dieser in der Realität einen Genozid befürwortete.
In Vikings wird nicht viel geschönt, um nach Sympathie zu heischen - die Darstellung des Übergriffs auf Lindesfarne ist eines der besten Beispiele für den Mut der Verantwortlichen in dieser Hinsicht wirklich einiges zu riskieren. Ganz großes Lob an dieser Stelle.
Einer der wenigen Augenblicke, in denen Ragnar Mitgefühl zeigt, ist als er beim Plündern ein Kind entdeckt und es vor der Gewalt der anderen beschützt, indem er eine Decke auf das kleine Mädchen legt. Die Wikinger haben bekanntermaßen eher nicht den Ruf mit besonders viel Mitgefühl ausgerüstet gewesen zu sein. Es ist bekannt, dass sie beispielsweise problemlos Babys auf verschiedene Weisen hingerichtet haben.
Der Blutadler - eine Strafe die Ragnar ausführt - ist hingegen nicht ausreichend belegt. Wenn er allerdings tatsächlich verübt wurde, dann nicht so wie Ragnar Lothbrok es in der Serie tut. Die Lungen würden sofort zusammensacken, höchstwahrscheinlich hat man eher die Schultern nach vorne gebogen.
Ob Ragnar wirklich Köpfe am Bug eines Schiffes befestigte, um den Feind zu schocken, ist nicht direkt belegt - aber auch nicht unwahrscheinlich. Man weiß sicher, dass er 845, auf einer Insel in der Mitte des Flusses, über 100 Gefangene hängen ließ und zur Demoralisierung gut sichtbar ausstellte.
Ragnar hat Großes vollbracht - aber seine Söhne waren noch krasser
Die fünfte Staffel wird sich wohl um Ragnars Söhne drehen. Da die vierte Staffel zur Zeit einigen inhaltlich noch nicht bekannt ist, wollen wir dieses Kapitel aus Spoiler-Gründen ein wenig verschieben, aber Ragnar hat ja vorhergesagt bekommen, dass seine Söhne mehr Ruhm erlangen werden, als er selbst, daher ist dies kein Geheimnis. Aber ist es auch eine historische Tatsache?
Im Gegensatz zur Existenz von Ragnar Lothbrok ist die seiner vielfach Söhne belegt. So gesehen kann man sagen, dass die Existenz seiner Söhne doch auch ein Beweis für Ragnars Existenz sein müsste? Wenn sie allesamt nur erfunden hätten, die Söhne von Ragnar Lothbrok zu sein, wer wäre dann der wirkliche Vater gewesen? So eine Lüge käme doch innerhalb nur einer Generation gar nicht durch? Definitiv waren diese Söhne aber sehr ambitioniert, soviel sei verraten. Und auch Ivar, der Knochenlose ging ruhmreich in die Geschichte ein.
Ähnliche Anmerkungen im Video in englischer Sprache mit bewegten Bildern & einigen Staffel-4-Spoilern:
Noch mehr Filme & Bücher mit Ragnar Lodbrok
Wir bleiben ständig auf der Suche und wenn ihr weitere Bücher, Filme oder Serien kennt, die in irgendeiner Form lohnenswert sind, freuen wir uns, wenn ihr sie in den Kommentaren teilt. Die Liste ist derzeit nämlich noch etwas kurz und wir hätten sie am Ende gerne ausführlicher.
1. Edison Marshall: Roman The Viking (1951)
In dem Roman The Vikings - Die Wikinger ist Ragnar Lodbrok der Hauptprotagonist, wie auch in der aktuellen Serie von History. Allerdings ist das Buch nicht einfach zu bekommen und die antiquarischen Ausgaben sind relativ teuer. Wir können nicht behaupten, dass dieser Roman unbedingt lesenswert ist, obschon er seinerzeit ein erfolgreicher Bestseller war. Der verräterische Untertitel der Originalausgabe lautete damals: Eine heroische Saga von Lust und Eroberung. Es geht dabei zwar auch um die Raubzüge und Politik des Wikingerkönigs Ragnar im 8. und 9. Jahrhundert, aber Frauengeschichten spielen eine ebenso wichtige Rolle, sowie dramatische Verwicklungen um zwei Halbbrüder. Das Buch diente als Vorlage für eine Filmadaption 1957.
2. The Vikings - der Film zum Buch (1957)
Das Historiendrama wurde nicht lange nach Erscheinen des Romans verfilmt. Kirk Douglas hatte als Produzent dieser 4-Millionen-Dollar-Produktion einiges unternommen, um eine gewisse Authentizität zu erreichen. Er mietete einen Fjord in Norwegen und eine Normannen-Burg in Frankreich, erbaute eine Wikingersiedlung und ließ zudem auch noch drei Boote bauen für jeweils 20.000 $. Trotz dieses Aufwands wurde der Film von den Kritikern sehr verspottet und eines der besten Statements seitens der amerikanischen Kritiker der damaligen Zeit war, dass es als tröstender Fakt betrachtet wurde, dass das Buch, das der Handlung zugrunde liegt, noch schlechter sei. Immerhin spielt Tony Curtis mit. Den sehr farbenfrohen Film findet ihr auf DVD, könnt ihn euch aber auch sofort unter diesem Link im kostenlosen und legalen Online-Stream anschauen.
3. Hammer & Kreuz: Die Trilogie
Diese Trilogie stellt zwar Ragnar nicht in den Mittelpunkt, allerdings beginnt der Roman mit der Hinrichtung des Wikingerkönigs in der Schlangengrube. Darüberhinaus sind die Bücher ein gelungenes Gedankenexperiment und bilden eine ausgezeichnete Mischung aus Historiendrama, Abenteuergeschichte und Science Fiction. Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn die Wikinger das Heidentum zur organisierten Gegenreligion des Christentums gemacht hätten? Und wie hätte sich der Besitz bestimmter technischer Errungenschaften auf die Gesellschaft der Nordmänner ausgewirkt? Die Parallelwelt-Trilogie ist derzeit bei Amazon nicht erhältlich, aber sicherlich antiquarisch zu erwerben.
Wir bleiben tapfer auf der Suche nach weiteren Erzeugnissen der Unterhaltungsindustrie, die sich um Ragnar Lodbrok drehen, verweisen euch aber an dieser Stelle noch auf die Liste der 11 besten Wikingerfilme und -Serien auf Kino.de.
Bilder: Via Shutterstock.com & History