Das Jahr 1998 war nicht nur für uns außerordentlich ereignisreich. Die Automobilindustrie erlebte einige der markantesten Modelle der späten 90er – viele davon sieht man heute noch auf der Straße. Anlässlich unseres 25. Geburtstages zeigen wir euch in der Galerie die kuriosesten, bemerkenswertesten und besten Autos des Jahres 1998.
Fiat Multipla – unverschämt gut aussehend
Ja, der Multipla ist hässlich. Ja, die ersten Kunden hierzulande kamen erst 1999 in den Genuss, den Fiat zu fahren.
Aber das Design des 1998 vorgestellten Italieners ist so legendär schlecht, dass wir es uns nicht nehmen lassen konnten, ihn hier in der Liste zu verewigen. Da sich über Kunst bekanntlich streiten lässt und sich selbst beim Multipla die Geister zu scheiden scheinen, war das Äußere sowie das Innere sogar im Museum of Modern Art zu sehen.
Dass sich Fiat beim Multipla wirklich etwas gedacht hat, hat Top Gear in den frühen 2000ern belegt. Zur Jahrtausendwende gewann der Wagen die Auszeichnung zum „Car of the Year“, auch in den Folgejahren wurde der Multipla mehr als einmal zum Familienwagen des Jahres gekürt. 6 Sitzplätze bei geringen Anschaffungskosten sind einfach ein Argument. Auch, wenn das Design von Fiat „komplett meschugge“ aussieht, so ist das Fazit von Jeremy Clarkson eindeutig: „ein Meisterwerk“.
Smart Fortwo – der Name ist Programm
Der König der Parklücke erblickte 1998 das Licht der Welt. Wie der Name schon vermuten lässt, passen genau zwei Passagiere in das „smarte City-Coupe“.
Als erstes Auto von Mercedes‘ neuer Marke entwickelte sich der Winzling mit 3 Zylindern zu einem der größten Erfolge des Unternehmens. Bis zum Jahr 2017 verkauften sich die verschiedenen Iterationen fast 2 Millionen mal!
Aufgrund der geringen Länge von gerade einmal 2,5 Metern konnte der Smart in vielen Parklücken querparken, statt wie andere Fahrzeuge parallel zur Fahrbahn zu stehen. Ob das in Deutschland erlaubt sein sollte, wurde seinerzeit heiß diskutiert. Die StVO schwieg hierzu, solange der Verkehr nicht behindert wurde.
VW New Beetle – Neuauflage eines legendären Exports
Mit dem New Beetle erlebte der legendäre Käfer von VW eine Renaissance.
Bei Marktstart – die USA war vor Europa an der Reihe – war die Vorfreude so groß, sodass sich manche Kunden die Knutschkugel gar für horrende Preise importieren ließen. Ein wichtiger Grund dafür: das an den Ur-Käfer angelehnte Retro-Design, das besonders in den Vereinigten Staaten auf große Begeisterung stieß.
Technisch unterschied sich der Beetle deutlich vom Käfer – sie hatten kaum etwas gemeinsam. Der New Beetle nutzte als Basis den Golf, besaß somit Frontantrieb und -motor. Das könnte unter anderem ein Grund dafür gewesen sein, warum der New Beetle in Deutschland eher weniger Anklang fand.
Audi TT – zu gefährlich für Otto Normalverbraucher
Dass der Audi TT im selben Jahr erschien, in dem Gerhard Schröder zum Kanzler gewählt wurde, klingt irgendwie falsch. Stimmt aber trotzdem.
Schon 1994 begann die Entwicklung des Sportwagens. Auch hier nutzten die Ingenieure den VW Golf IV als Basis: bis zu 224 Pferdestärken leistete der 1,8 Liter Turbomotor TT je nach Antriebsart.
Das Design des TT hatte leider einen entscheidenden Fehler, der eine Reihe tödlicher Unfälle provozierte: Schuld war das abgerundete Heck ohne Abrisskante, das bei höheren Geschwindigkeiten zu Auftrieb und damit Haftungsverlust führte. In schnellen Kurven brach zu leicht das Heck aus, was selbst Rennsportlegende Walter Röhrl als zu gefährlich „für den normalen Menschen“ bezeichnete. Das Problem wurde nachträglich per Spoiler behoben.
Mercedes-Benz CLK LM – der Silberpfeil, der die GT1-Klasse beerdigte
Der CLK LM ist das Folgemodell zum berüchtigten CLK GTR mit V12-Motor, mit dem die Stuttgarter 1997 die GT1-Klasse der Gran-Turismo-Meisterschaft dominierten.
Der CLK LM, ursprünglich für das 24-h-Rennen von Le Mans mit ausdauernderem V8-Motor konstruiert, verlor in der GT-Meisterschaft kein einziges Rennen. So unerreichbar war der CLK LM für die gesamte Konkurrenz, dass diese 1999 nicht mehr antrat – unter anderem ein Grund, warum es die GT1-Klasse heute nicht mehr gibt.
Leider gab es den CLK LM nur ein einziges Mal als Straßenversion, anders als den GTR. Davon wurden ganze 25 Stück gebaut, erst zuletzt wurden 7 Millionen Euro für ein Exemplar geboten. Den LM gibt es eigentlich nur für die Straße, weil Mercedes sonst nicht im Rennsport mitmischen durfte. Grund dafür waren Homologationsregeln in der Klasse.
Die ganze Geschichte zu diesem spannenden Abschnitt der Automobilgeschichte hat der Youtuber TheSquidd in einem Video-Essay zusammengefasst:
BMW M Coupé – Ungeliebt und doch grandios
Von Award-Gewinner zu Award-Gewinner: Auch der BMW M Coupé E36/8 ist nur ein Jahr jünger als ich.
Trotz des spektakulären Designs (das mich persönlich ob der Lufteinlässe an der Frontschürze immer an einen Hai statt an einen Clown-Schuh erinnert), bekam das Z3 Coupé nicht viel Liebe auf dem Markt. Dabei war der Z3 Roadster sogar das erste Bond-Auto aus dem Hause BMW, nur die überdachte Variante konnte Käufer trotz Hinterradantrieb und besserem Handling nicht überzeugen.
Geringe Umsätze waren dem geringen Marketing-Budget geschuldet, denn Fachzeitschriften liebten den E36/8 als Coupé. Der BMW gewann 1999 das „Design of the Year“ des Automobile Magazine sowie den Grand Prix des European Car Magazine. 2000 wurde es von Top Gear zum „Best Driver’s Car of the Year“ gekürt. Zahlreiche weitere Fachmedien wie auch Donut Media, Autoblog, Maxim und CarWOW bestätigten das M Coupé als einen der besten BMWs, die jemals gebaut wurden.
Porsche 996 – Wasserkühlung und Spiegeleier
Nachdem Porsche mit dem 993 einen der besten Sportwagen aller Zeiten – zumindest eines der begehrtesten 911-Modelle – geschaffen hatte, waren die Erwartungen an das Folgemodell hoch. Porsche entschied sich daher für einen Bruch – sowohl beim Design als auch unter der Haube.
Mit dem Porsche 996 beendete das deutsche Unternehmen die lange bestehende Tradition, 911-Modelle mit Luft zu kühlen, nachdem sich die Wasserkühlung bereits im Boxster bewährt hatte.
Neu und zunächst ungewohnt wirkte das neue Scheinwerfer-Design. Die Käfer-Augen erinnerten an die Ursprünge des 911er, die seit den 1980ern eigentlich außer Mode und dennoch mit jeder Iteration ein Statement waren. Diese wichen nun Scheinwerfern, deren Form dem Designer wohl am Frühstückstisch mit Blick auf die Spiegeleier eingefallen war.
Besonders die jüngeren Leser erkennen den Porsche 996 von weitem: Im Animations-Film Cars ist die Partnerin von Protagonist Lightning McQueen, Sally, ein Porsche 996 (911 Carrera).
Mitsuoka MC-1 – japanisches Bobbycar für die Straße
Der Mitsuoka MC-1 ist ein Machwerk ohne jegliche Historie in Deutschland und das aus gutem Grund. Für anfangs 385.000 Yen (umgerechnet unter 3.000 Euro) erhielten Kunden ein Auto mit 6 Pferdestärken und einer maximalen Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde.
Ohne jegliche Airbags oder anderweitige Sicherheitsvorkehrungen bis auf einen Sicherheitsgurt bestand der Großteil des Wagens aus Plastik und Stoff. Mit einem BMW C1 oder sogar einem Golfkart wart ihr schon damals besser bedient.
Nissan Skyline (GT-R) R34: Godzilla reborn!
Äußerlich unauffällig, fast bürgerlich aussehend rollten im Mai 1998 die ersten Skyline GT R34 aus den Fabriken des japanischen Herstellers Nissan.
Während der GT mit seinen 200 PS recht überschaubare Power liefert, setzte die Basisversion den Grundstein für den 1999 eingeführten Skyline GT-R R34. Dieser gilt als geistiger Nachfolger des legendären GT-R R32, der in den frühen 90ern die Rennstrecken weltweit dominierte. Die australische Presse verlieh dem R32 GT-R daher den Spitznamen „Godzilla“.
Fans des JDM („Japanese Domestic Market“) und von „2 Fast 2 Furious“ bekommen beim Namen Skyline GT-R R34 schwache Knie. Seine Popularität verdankt der Wagen aber nicht nur zahlreichen Auftritten in Videospielen, Anime und Filmen.
Der Superstar, in der Fast-Serie mit dem verstorbenen Paul Walker am Steuer, kam mit 280 PS von Werk aus. Das klingt wenig, erklärt sich aber durch die freiwillige Selbstbeschränkung der japanischen Autohersteller. Die Pferdestärken übertragen sich dank Allradantrieb zudem in jeder Situation und Kurve optimal auf die Räder. Tatsächlich verbargen sich unter der Haube der Basisversion aber fast 300 PS. In verschiedenen Ausgaben kitzelte die Motorsportabteilung Nismo bis zu 507 PS aus dem 6-Zylinder. In Tuning-Kreisen sind aber selbst über 1000 PS keine Seltenheit.
Peugeot 206 – der französische Alleskönner
Ebenfalls 1998 erblickte ein auf den ersten Blick unscheinbares Wägelchen das Licht der Welt in Frankreich: der Peugeot 206.
Bei dem Kleinwagen handelt es sich um einen echten Klassiker auf den Straßen Europas. Kaum ein Modell hat sich so lange gehalten: Immerhin wurde der 206 von 1998 bis 2013 stolze 15 Jahre lang gebaut.
Auch im Rennsport konnte sich der Peugeot 206 beweisen. 3 Jahre in Folge, von 2000 bis 2002, gewann der Hersteller die World Constructors’ Championship in der World Rally Championship. In 2 Jahren (2000 und 2002) ging auch die World Drivers’ Championship an die Franzosen.
Vor allem aber die Cabrio-Version 206 CC dürfte vielen noch bekannt vorkommen. Wer ein Cabrio für wenig Geld gesucht hat, hatte in den letzten Jahrzehnten kaum bessere Optionen. Legendär sind die Kiemen nachempfundenen Rillen auf der Kofferraumabdeckung, mit denen der Peugeot 206 CC schon auf dem ersten Blick identifiziert wird. Insgesamt wurden unter verschiedenen Marken rund 10 Millionen Stück des französischen Kleinwagens verkauft – chapeau, Peugeot.
Co-Autor: Felix Gräber
Ford Focus – wandelbarer und alltäglicher Anblick auf deutschen Straßen
Der Peugeot 206 war schon ein langlebiger Kandidat. Der Ford Focus hingegen ist noch immer im Rennen.
Seit 25 Jahren – im Herbst 2023 wurde das Vierteljahrhundert vollgemacht – baut Ford die Focus-Reihe. Denn hier von nur einem Modell zu schreiben, wäre wirklich untertrieben.
Den Focus gab es als Schrägheck-Kompaktwagen, Limousine, Kombi, in verschiedenen Sport-Versionen. Dazu gesellten sich „Abkömmlinge“ wie der Kompaktvan Focus C-MAX, der zwischenzeitlich als Ford C-MAX abgespalten lief – mittlerweile aber eingestellt wurde. Auch der Ford Kuga machte seine ersten Schritte als Focus-Variante.
Mit über 10 Millionen Stück schon bis 2005 steckt er den Klassenkonkurrenten 206 von Peugeot also locker in die Tasche – und die Geschichte des Ford Focus ist noch nicht fertig erzählt. Seit 2018 wird die Reihe in der aktuellen, vierten Version fortgeführt, 2021 gab es das bisher letzte Facelift – das wohl auch das letzte sein wird.
Denn Ford hat mit dem Ende seines Werks in Saarlouis 2025 auch das Ende für den Focus terminiert. Wenn es soweit ist, hat das Modell stolze 27 Jahre auf dem Buckel – das muss erstmal ein Auto schaffen.
Co-Autor: Felix Gräber
VW Golf IV – DER Volkswagen
Wenn es ein Auto gibt, das den Ford Focus in die Tasche steckt, ist es der VW Golf. Die Reihe läuft seit 1974 inzwischen fast 50 Jahre lang. In der vierten Generation wurde der Golf 2023 eigentlich schon 26, startete er immerhin schon 1997 und damit ein Jahr vor GIGA – aber wir wollen mal nicht so sein.
Für mich ist der Golf IV das Auto, an das ich denke, wenn ich mir den klassischen Golf vorstelle. Die früheren Generationen habe ich altersbedingt verpasst. Der 4er aber hat zwischen 1997 und 2003, als er durch die fünfte Generation abgelöst wurde, Weichen für die Baureihe gestellt – und auch auch für den Volkswagen-Konzern.
Als eines der erfolgreichsten Automobile der Welt überhaupt war und ist der Golf zwar ein Auto für den Massenmarkt. Doch Volkswagen hat mit der vierten Generation neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt.
Eine fast schon lebenslange Garantie gegen Rost, präzisere Spaltmaße und ein Satz nach vorne in der Laufruhe haben den VW Golf auf eine Stufe gehoben, auf der er noch heute zu finden ist: ein Kompaktwagen für die Mittelklasse.
Mit dieser Ausrichtung steht der Golf IV am Anfang einer Bewegung bei VW, die noch heute anhält: Klasse geht zwar nicht vor Masse, wird aber immer wichtiger.
Inzwischen ist Volkswagen bei seinen Elektromodellen sogar genau dort angekommen: Es gilt dem Konzern jetzt als wichtiger, gefällige, gut ausgestattete und rentable Elektroautos zu bauen, als möglichst große Mengen zu verkaufen. Für diesen Schwenk ist der Golf IV für mich aus heutiger Sicht ein erster Wegweiser.
Co-Autor: Felix Gräber
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