Wie hat sich ein Tech-Tag vor 26 Jahren angefühlt? Gab es schon Google und WLAN? Ich reise zurück in eine Zeit, in der Titanic im Kino lief, Final Fantasy 7 ein brandneues Game mit Killergrafik war und Netflix noch ganz anders funktionierte.
Im Röhrenfernsehen: Helmut Kohl, Lady Di und Tic Tac Toe
Als Jugendlicher im Jahr 1997 konnte ich nicht ahnen, welche Bedeutung viele der Ereignisse des Alltags einmal haben werden. Aber schauen wir gemeinsam zurück: Helmut Kohl ist der „ewige Kanzler“, kaum jemand traut Bundesumweltministerin Angela Merkel zu, dass sie eines Tages in seine Fußstapfen treten sollte.
Was ist noch passiert? Lady Diana kommt auf tragische Weise bei einem Unfall ums Leben, die USA schicken den Pathfinder auf den Mars, das Oderhochwasser verwüstet Teile von Tschechien, Polen und Deutschland. Im Radio laufen „Barbie Girl“ von Aqua und „Time to Say Goodbye“ von Sarah Brightman & Andrea Bocelli auf Dauerrotation – wem das zu lasch ist, greift zum Album „The Fat of the Land“ von The Prodigy. Natürlich auf CD.
Wenden wir uns der Welt der Technik und der Spiele zu. Nintendo bringt endlich …
1997: Das Nintendo 64 erscheint in Deutschland
… das langersehnte „Project Reality“ oder auch „Ultra 64“ auf den deutschen Markt. Die mit Abstand leistungsfähigste Konsole aller Zeiten heißt final „Nintendo 64“ und kostet 399 Mark (das wird 2022 rund 287 Euro entsprechen, inflationsbereinigt). Ein 64-Bit MIPS R4300i RISC (mit 93,75 MHz) zeigt Sonys PlayStation und Segas Saturn, wo der Grafik-Hammer hängt. Der Beweis dafür ist Super Mario 64, eines der besten Spiele aller Zeiten.
Da wird mehr kommen: Mal schauen, wie Zelda 64 („The Legend of Zelda: Ocarina of Time“) wird – die Demo auf der E3 war echt beeindruckend. Auch bei Handys, die zuweilen noch „Mobiltelefone“ genannt werden, gibt's eine unglaubliche Revolution…
1997: Das erste Handy mit Farbdisplay
… in Form des Siemens S10. Sein 5.000-Pixel-Display kann die vier Farben Grün, Rot, Blau und Schwarz darstellen. Alle anderen Hersteller bieten nur monochrome Anzeigen – keine Chance gegen das „grafikfähige Farbdisplay“ des S10. Selbstverständlich ist so ein Flaggschiff auch SMS-fähig – das ist echtes High-Tech, bei einem Gewicht von nur 185 Gramm.
Ein Unternehmen, das absolut nichts mit Handys zu tun hat und vermutlich auch nie zu tun haben wird, ist bekanntermaßen Apple. Der schwer angeschlagene Computerhersteller hat kaum noch was zu melden und könnte theoretisch von Philips oder IBM zum Spottpreis übernommen werden. Vielleicht rettet diesen armseligen Saftladen ja der Erlöser namens …
1997: Der Gründer Steve Jobs kehrt zu Apple zurück
… Steve Jobs. Der einstige Apple Gründer kehrte nach seinem Ausflug zu NeXT bereits letztes Jahr zu seinen Ursprüngen zurück, nun ist er also wieder (zunächst Interims-) Geschäftsführer von Apple. Unter dem neuen Motto „Think different“ will er die Computer-Branche revolutionieren. Naja, wir werden sehen. Die Aktien dieser kränkelten Firma würde ich lieber nicht kaufen – dann schon eher Yahoo oder Compaq. Die haben Zukunft!
Noch viel fragwürdiger ist, was eigentlich diese zwei Typen namens Sergey Brin und Larry Page vorhaben, denn …
1997: Sergey Brin und Larry Page registrieren google.com
… sie haben eine Seite namens „Google“ registriert. Die wollen wohl ernsthaft den führenden Suchmaschinen AltaVista, Excite, Yahoo und Lycos die Stirn bieten. Das kann ja nur schiefgehen.
1997: Jedi Knight erscheint für den PC
Taschengeld ade – heute gehen wir wieder zu sechst ins „Multimedia Center“ in der Bochumer City. Dort steht ein Dutzend nagelneuer Pentium-Pro-PCs (200 MHz!!!), die man für zwar teure, aber echt lohnende 10 Mark die Stunde nutzen kann, um entweder im Internet zu chatten (langweilig), oder mit Freunden im Netzwerk zu spielen (endgeil!).
Wir spielen vor allem gerade Jedi Knight. Ist zwar leider nicht ganz so blutig wie Duke Nukem 3D, das wir hier früher öfter gespielt haben, bietet dafür aber andere Vorzüge: Star-Wars-Umgebung! Charaktere und Waffen! Über Wookies mit Lichtschwertern und die albernen Realfilm-Zwischensequenzen im Einzelspieler-Modus wollen wir mal schweigen, aber im Netzwerk ist das Spiel einfach der Kracher. Vor allem das Level „Bespin Mining Station“ hat es uns angetan. Heiliger Strohsack, ist das geil, dass man Schüsse mit dem Lichtschwert abwehren kann und Machtkräfte hat! Spiegelt sich da wirklich die Umgebung im Metallkleid von C3PO?
Und anders als beim Duke stürzt nicht bei allen das Spiel ab, wenn Martin mal wieder die Windows-95-Taste drückt – Jedi Knight ist nämlich ein Windows-Spiel! Man muss man zwar seltsame Programme wie „DirectX“ mitinstallieren, dafür kann man aber sogar jederzeit in ein offenes Spiel einsteigen, das ist FETT. Aber ich muss jetzt echt mal üben, 3D-Actionspiele mit der Maus zu steuern, nur mit der Tastatur komme ich langsam nicht mehr weiter. Mehr Bilder von PC-Spieleverpackungen findet ihr hier.
Auf der Playstation beschäftigt mich zurzeit das vielleicht aufwendigste Konsolen-Spiel aller Zeiten. Es ist so umfangreich …
1997: Final Fantasy 7 erscheint exklusiv für die Playstation
… dass es drei (!) CDs benötigt. Das muss man sich mal geben: Das ist mehr als ein Gigabyte – für ein einziges Spiel. Einfach irre. Ich habe mir Final Fantasy 7 als US-Import geholt, denn die PAL-Version soll erst Ende des Jahres erscheinen und so lange kann ich nicht warten. Damit das Game läuft, wende ich auf meiner PlayStation den „Wechseltrick“ an. Der Vorgänger auf dem Super Nintendo war ja schon ein Spitzentitel, aber der siebte Teil ist echt der Wahnsinn. Die Rendersequenzen sehen umwerfend aus, die Musik ist episch!
Was ganz anderes – aber auch richtig super – ist …
1997: Men in Black stürmt die Kino-Charts
… „Men in Black“ mit Will Smith, der gerade im Kino läuft. Die Special Effects sind irre gut und auch die Sprüche unterhalten bestens. Hoffentlich kommt dazu eine Fortsetzung!
Klasse war auch „Das fünfte Element“ mit Bruce Willis und Milla Jovovich. Etwas enttäuscht waren meine Freunde und ich hingegen von …
1997: Star Wars
… der „Krieg der Sterne: Episode IV – Eine neue Hoffnung – Special Edition“ (ganz schön langer Name), die Anfang des Jahres im Kino lief. George Lucas hat zwar die Effekte aufpoliert, aber jetzt sieht das alles so „computerig“ aus. Am schlimmsten sind aber die inhaltlichen Änderungen, wie zum Beispiel die Szene am Raumhafen von Mos Eisley. „Han shot first!“ sag ich da nur.
Egal, denn angeblich soll in ein paar Jahren ein ganz neuer Star-Wars-Film kommen, der zeitlich vor der bekannten Trilogie spielt. Der wird bestimmt super! Ich meine: Es ist immerhin Star Wars – WAS SOLL DA SCHON SCHIEF GEHEN? Ich freue mich so.
1997: Der Intel Pentium II kommt auf den Markt
Intel zeigt den Pentium II. Mit bis zu 300 Megahertz dürfte der Chip so ziemlich alles wegblasen, was zurzeit am Markt ist.
1997: Die Diamond Monster 3D bringt Spiele auf Trab
Mein Kumpel Sebastian hat jetzt was Neues in seinem PC. Eine 3dfx-Karte: Die Diamond Monster 3D. Das ist eine Ergänzung zur normalen Grafikkarte, die man in einen freien PCI-Slot im PC steckt. Auf der Rückseite führt ein kurzes Kabel vom eigentlichen VGA-Port zur Karte, den Monitor schließt man dann an der neuen Karte an. Auf dem normalen Windows-95-Desktop merkt man keinen Unterschied, nicht einmal in fordernden Anwendungen wie dem nagelneuen Word 97.
Aber wenn man 3D-Spiele spielt, … wird man weggeblasen! Basti hat mir nacheinander Twisted Metal, Quake, Turok, Need for Speed 2 Special Edition und Shadows of the Empire gezeigt und es hat mich aus den Latschen gehauen – so eine Grafik kennt man sonst nur von Silicon-Graphics-Workstations. Sogar dieses komische hässliche Autoklau-Spiel Grand Theft Auto, das man aus der Draufsicht spielt, sieht mit 3dfx besser aus und läuft flüssiger, selbst SVGA, also 800 × 600. Da kann man keine Pixel mehr erkennen, selbst auf einem gigantischen 15-Zoll-Monitor! 800 × 600 läuft zwar nicht mit diesen Voodoo-Karten, aber so hohe Auflösungen braucht wohl eh kaum jemand.
Die Zeitschriften-CDs sind mittlerweile voll mit 3dfx-Patches für Spiele und Demos, die das unterstützen. Hätte ich nur mehr Geld, würde ich mir auch eine 3dfx-Karte kaufen – aber 400 Mark, das kann ich mir nicht leisten. Na vielleicht kann ich Sebastian ja seine Karte abkaufen, wenn irgendwann mal eine Voodoo 2 kommt …
1997: Netflix wird gegründet
In den USA starten Marc Randolph und Reed Hastings einen Dienst, der eine Alternative zu den weit verbreiteten Videotheken darstellen soll. Der neuartige Online-DVD-Verleih verschickt die Filme per Umschlag an die Kunden. Nach dem Anschauen geht die Silberscheibe dann wieder zurück zu Netflix. Mir stellt sich die Frage, ob das ein Erfolg wird, denn aktuell besitzt ja kaum jemand einen dieser unbezahlbaren DVD-Player. Der Panasonic DVD-A100 kostet rund 1.400 Mark, das ist noch viel zu teuer. Die Bild- und Tonqualität des Mediums ist aber absolute spitze. Ich bin mir sicher, man wird danach nichts Besseres mehr brauchen.
1997: IBM „Deep Blue“ besiegt Kasparov
Am 11. Mai 1997 verliert der Schachweltmeister Garry Kasparov einen Wettkampf gegen den IBM-Großrechner „Deep Blue“. Letztes Jahr konnte Kasparov die Ehre der Menschheit noch verteidigen, aber dieses Mal war die Maschine einfach besser. Bricht nun ein neues Zeitalter an? Meine Meinung: Solange ich noch jede Woche den Dreck wegputzen muss, der sich an der Kugel meiner Maus verfängt, habe ich das Gefühl in der Steinzeit zu leben.
1997: Diablo schockt und entfacht Sammeltriebe
Blizzard hat nach WarCraft 2 endlich ein neues Spiel draußen: Diablo. Nach dem monatelangen Hype zocke ich das Rollenspiel endlich selbst und stelle fest: Es ist auf eine merkwürdige Art befriedigend. Es geht hier nicht um Handlung, es gibt wenig Taktik, Gegner klickt man zu Tode und das Spiel lebt von den Gegenständen, die man ständig findet – Waffen, Rüstungen, Tränke, Schriftrollen. Am besten sind die magischen Items, es soll auch „legendäre“ geben, hab ich bis jetzt aber keins gefunden.
Die Stimmung passt auch, vor allem die Musik in der Stadt ist unheimlich und faszinierend. Bin gespannt, wie die späteren Levels aus … WER IST DAS DENN? Ein blutüberströmter Fleischer, der mich mit „Aaah, fresh meat!“ begrüßt? Mist! Schon tot. Na gut, morgen trage ich den PC zu meinem Kumpel, wir verbinden die Dinger per Nullmodemkabel und dann plätten wir diesen „Butcher“ gemeinsam.
Kabel dürften übrigens bald komplett verschwinden, zumindest …
1997: Der WLAN-Standard wird verabschiedet
… kann man ab sofort drahtlos auf der Datenautobahn surfen. Das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) hat einen Standard namens „IEEE 802.11“ verabschiedet. Statt dieser kryptischen Bezeichnung dürfte sich wohl eher „Wireless LAN (WLAN)“ oder „Wi-Fi“ durchsetzen. Bis zu 2 MBit/s pro Sekunde sollen damit möglich sein. Mir stellt sich die Frage, wer sowas aktuell braucht, denn ein Internetmodem schafft doch nur 64 kBit/s.
Abgesehen davon müsste man ja ein geeignetes Notebook besitzen und dann zum Beispiel damit am Küchentisch sitzen oder im Bett liegen – ansonsten macht Wi-Fi doch kaum Sinn. Aber wer hat schon ein Notebook? Ich kenne fast niemanden. Und was ist eigentlich mit der Strahlung? Ich warte lieber mal ab, was diese Sache angeht.
Zur Zeit drehen zahlreiche Menschen durch, weil dieses Ding …
1997: Das Tamagotchi erscheint in Deutschland
… namens Tamagotchi in Deutschland erschienen ist. Irgendwie geht es da um ein virtuelles Küken, das ständig gefüttert werden will. Keine Ahnung, was das soll. Ich spiele lieber GoldenEye 007 auf dem N64.
1997: ThrustSSC bricht den Landgeschwindigkeitsrekord
Dieses Auto erinnert optisch an das Batmobil im Film „Batman & Robin“, für den ich neulich leider Geld im Kino ausgegeben habe. Im Gegensatz zu diesem grottigen Film hat die Karre namens ThrustSSC etwas drauf, sie ist nämlich das schnellste Auto der Welt. Das schubkraftgetriebene Überschallfahrzeug ist sozusagen ein Jet auf Rädern. In der Black-Rock-Wüste von Nevada hat das 110.000-PS-Geschoss eine Geschwindigkeit von 1.228 Stundenkilometern erreicht und so nebenbei auch die Schallmauer durchbrochen.
1997: ThrustSSC bricht den Landgeschwindigkeitsrekord
So sieht das also aus, wenn ein Auto schneller als der Schall unterwegs ist.
Das ist das Ende meiner Zeitreise ins Jahr 1997. Der Geschwindigkeitsrekord des ThrustSCC ist übrigens auch 26 Jahre später immer noch nicht gebrochen worden.
Und was geschah danach? 1998 wurde GIGA gegründet. Mehr aus 25 Jahren Technik, Kultur und Games findet ihr hier: