Revolutionäre Dinge erkennt man meist erst im Rückblick. Anfangs werden diese oftmals gerne belächelt, gar verachtet und nicht für voll genommen. So erging es damals auch Apples erstem iMac. Der feiert zusammen mit GIGA dieses Jahr seinen 25. Geburtstag – ein schöner Zufall.
Eine Meinung von Sven Kaulfuss.
Die Geschichte wurde schon oft erzählt, deswegen möchte ich euch an dieser Stelle nicht mit einer ausschweifenden Darstellung plagen. Nur kurz nochmals die Fakten: Apple befand sich Mitte der Neunzigerjahre kurz vorm Knock-out. Doch dann holte man sich den zuvor geschassten Firmengründer Steve Jobs zurück. Ein einzigartiger Coup, denn Jobs räumte auf, strich das Apple-Sortiment zusammen und legte den Fokus auf die Entwicklung neuer Produktgattungen.
Mit dem legendären iMac gelingt 1998 dann der technische und optische Neuanfang. Der von Jony Ive designte All-in-One-Computer machte so ziemlich alles anders als zeitgenössische PCs: Statt eines grauen Kastens bestand er aus halbtransparentem Plastik und war später in mehreren knalligen Farben erhältlich. Er besaß abgerundete Formen und einen Tragegriff. Nicht mehr zeitgemäße Anschlüsse wurden abgeschafft zugunsten neuer Standards und eines integrierten Modems. Das Betriebssystem war nutzerfreundlich und zugänglich gehalten. Der Fokus lag auf dem einfache und schnellem Zugriff auf das damals noch recht neue World Wide Web.
25 Jahre: Vom iMac hin zur Apple Vision Pro
Doch dieser Neuanfang war so für viele Beobachter nicht direkt als erfolgsversprechend erkennbar. Vielmehr wurde der iMac von einigen als bunter Kinder-Computer abgetan. Ein Spielzeug, mehr nicht.
Apple-Fan und Schauspieler Jeff Goldblum sprach vor 25 Jahren die Werbespots für den iMac ein:
Diese und ähnliche Fragen sollten den iMac bloßstellen: Warum hat der nur diese neuartigen USB-Anschlüsse? Da gibt es doch gar keine Peripherie für. Und warum fehlt eigentlich das Diskettenlaufwerk?
Aus heutiger Sicht erscheinen uns derartige Bedenken sonderbar. Vor 25 Jahren indes gab es ordentlich Punktabzug aus Teilen der Presse. Dem Erfolg des iMac tat dies jedoch keinen Abbruch. Der quirlige Rechner zeigte nämlich: Ein Arbeits-PC muss kein hässlicher grauer Kasten sein. Er darf einfach zu bedienen sein, die Kreativität der Nutzenden widerspiegeln und, ganz banal, Spaß machen. Was er auch tat – trotz der ergonomisch heraufordernden „Eishockey-Puck“-Maus. Der iMac verkaufte sich in Folge millionenfach und gewann zahlreiche Designpreise.
Der iMac war, als erstes i-Produkt, auch ein Wendepunkt für Apple: Er bereitete den Weg für zahlreiche neue Apple-Produkte, die einen ähnlichen Ansatz verfolgten und einen radikalen Fokus auf Usability legten. Es folgten der iPod (2001) mit dem ikonischen Click Wheel, das iPhone (2007), dessen kapazitiver Touchscreen alles veränderte, das iPad (2010) als Revolution im Bereich der Tabletcomputer und die Apple Watch (2014) als erste massenkompatible Smartwatch. Aus der einstigen Computerfirma Apple wurde das wertvollste Unternehmen der Welt. Ohne den bunten „Spielzeug-Computer“ iMac als Initialzündung wäre das undenkbar.
Der heutige iMac:
Den iMac gibt es auch heute noch. Seit zwei Jahren hat dieser auch seine Farbe zurück und ist in verschiedenen Kolorierungen erhältlich. So wichtig wie damals ist der iMac für Apple zwar nicht mehr, doch ohne ihn würde es Apple in der heutigen Form wohl nicht mehr geben.
Eine derartige Bedeutung eines einzelnen Produktes war 1998 für die wenigsten Menschen ersichtlich. Auch dieser Tage könnte sich eine solche Fehleinschätzung wiederholen. Die vor wenigen Wochen gezeigte „Apple Vision Pro“ sorgte zwar für ein großes Medienecho, der Preis von 3.500 US-Dollar wiederum für großes Kopfschütteln.
Da fehlt es erneut nicht wenigen „Experten“ am Glauben: Wie schon beim iMac polarisiert ein Apple-Produkt. Wie schon der iMac ist diese „komische Datenbrille“ anders. Wie schon der iMac könnte dieses Teil Apple nachhaltig für die nächsten 25 Jahre verändern – und die Vorstellung davon, was ein Computer ist.
Macht nicht nur den iMac in den nächsten Jahren obsolet:
Denken wir uns die Apple Vision Pro einfach günstiger, leichter und somit zugänglicher, dann hat diese Brille das Zeug, gleich mehrere Produktkategorien auszuradieren. iPhone, iPad und Mac werden obsolet.
Ohne iMac kein iPhone:
Das Jahr 2048: Der iMac hat ausgedient
In 25 Jahren von heute aus betrachtet bin ich (hoffentlich) 71 Jahre alt – toi, toi, toi. Der iMac wird meiner Einschätzung nach seinen 50. Geburtstag aber nicht mehr erleben. Ersetzt werden wird der dann von den Nachfahren der jetzt vorgestellten Apple Vision Pro. Nur die wäre ohne den bunten Knuddel-Mac aus dem Jahr 1998 nie vorstellbar gewesen.
In diesem Sinne: Glückwunsch zum 25. Geburtstag und ruhe schon mal in Frieden.
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