Rund 8 Millionen Diesel-Fahrzeuge könnten schon Ende des Jahres ausgemustert werden müssen. Vor dieser Gefahr warnt zumindest Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Ein erwartetes Urteil des Europäischen Gerichtshofs könnte alte Abgasmessverfahren für nichtig erklären. Experten des ADAC haben dazu ihre ganz eigene Meinung.
8 Millionen Diesel vor dem Aus: Wissing macht deutschen Autofahrern Panik
Volker Wissing fordert Klarheit: Ein für November erwartetes Urteil der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könne dafür sorgen, dass bis zu 8 Millionen vornehmlich ältere Diesel-Pkw nicht weiter betrieben werden dürfen. Das betrifft die Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6. Mit seiner Warnung richtet sich der FDP-Politiker an die EU-Kommission, wie aus einem Brief an Präsidentin Ursula von der Leyen hervorgeht (Quelle: Tagesschau).
Grund des Verbots sind frühere Prüfverfahren bei der Typenzulassung, die heute als zu ungenau gelten. Die bis 2017 nach NEFZ-Standard durchgeführten Labortests weisen massive Unterschiede bei den Fahrzeugemissionen gegenüber tatsächlichen Fahrten im Alltag auf. Dieses Problem ist seit Jahren bekannt – und hat bereits mehrere Untersuchungen losgetreten.
Ein deutsches Gerichtsverfahren hat die Frage aufgeworfen, ob die Typenzulassung betroffener Modelle unter diesen Voraussetzungen noch zulässig ist. Das ist inzwischen beim EuGH gelandet. Eine Entscheidung gegen die früheren Zulassungen könnte eine Pflicht zur technischen Nachbesserung nach sich ziehen, so offenbar die Sorgen Wissings. Weil die aber nicht machbar sei, müssten die Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden.
Seine Lösung: Man müsse „in den fraglichen Vorschriften noch vor der Entscheidung des EuGH eine Klarstellung“ vornehmen. Sie könnte dann sicherstellen, dass rückwirkend die Typenzulassung nicht entzogen werden könne und die betroffenen Pkw weiter genutzt werden können. Das Verkehrsministerium werde einen Vorschlag für eine entsprechende Klarstellung formulieren.
Diesel stillgelegt? Experten sehen keine Gefahr
Experten des ADAC sehen jedoch von vornherein gar kein Problem, bezeichnen die von Wissing losgetretene Diskussion als „unsachgemäß“. Denn: „Änderungen im Messverfahren bei der Typgenehmigung eines Kfz zu einem späteren Zeitpunkt können nach Auffassung von ADAC-Juristen nicht rückwirkend Anwendung finden.“ Der Bestandsschutz mache das vermeintliche Problem nichtig.
So sieht es auch die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Hildegard Müller: „Rückwirkende Anwendungen neuer Verfahren und Maßstäbe wären ohnehin ein Verstoß gegen den Grundsatz des Rückwirkungsverbots und das Rechtsstaatsprinzip im EU- und deutschem Verfassungsrecht“, erklärt sie gegenüber der Rheinischen Post.
VDA und ADAC machen klar: Wissings Sorge um die Diesel-Fahrer ist unbegründet. Sie könnte sogar mit voller Absicht vorgeschoben sein. Der Verkehrsminister schafft mit der Ansage, 8 Millionen Diesel seien von der plötzlichen Stilllegung bedroht, ein Problem, das tatsächlich keines ist. Anschließend könnte er mit vollem Einsatz gegen die selbst erdachten Luftschlösser in den Kampf ziehen und sich als strahlenden Sieger feiern – wenn man es ihm durchgehen lässt.