Mit dem von ChatGPT ausgelösten Hype um Künstliche Intelligenz erleben auch die Untergangspropheten neuen Aufschwung. Ihre größte Sorge: KI zerstöre massenhaft Arbeitsplätze. Dabei bieten KI-Tools auch enorme Chancen – vor allem für jungen Menschen.
Ein Gastbeitrag von Kai Gondlach
Künstliche Intelligenz (KI) macht vielen Menschen Angst, dass es zu massenhaften Stellenstreichungen kommt: Durch Roboter, generative KI wie ChatGPT oder andere KI-Anwendungen im Handwerk, der Industrie oder Verwaltung.
Diese Angst, auch FOBO genannt („fear of becoming obsolete“), ist jedoch oft unbegründet. Es ist weniger die KI, die Jobs ersetzt, sondern Menschen, die mit KI umgehen können. Die beste Nachricht: Noch können Erwerbstätige mit einfachen Schritten ein solides Fundament aufbauen, um sich für Arbeitgeber interessant zu machen.
KI-Jobs sind gefragt – und die Ausbildung wird gefördert
Immer mehr Jobangebote setzen KI-Kenntnisse voraus (siehe Abbildung unten). Ende 2023 waren ca. 7.000 Stellen mit KI-Bezug auf einem der größten Jobportale (Indeed) gelistet. Selbst wenn europäische Staaten hier noch nicht führend sind, seid euch sicher: Das kommt noch. Also fangt lieber früher als zu spät an, euch mit KI-Grundlagen zu beschäftigen.
Die Einstiegsbarrieren für KI-Personal sind – noch – sehr niedrig. Die Agenturen für Arbeit fördern Fortbildungen besonders gern in innovativen Bereichen, weil die Chance der Vermittlung dadurch enorm steigt. Außerdem gibt es zahlreiche kostenlose oder preiswerte Online-Zertifikatskurse. KI-Fähigkeiten eröffnen euch viele neue Chancen und ein tolles Gehalt auf dem Arbeitsmarkt.
Schüler:innen, Azubis und Studierende sind in der besten Situation, in der eine heranwachsende Arbeitsbevölkerung je war. Die Demografie hat die Position der Erwerbstätigen in den vergangenen Jahren gestärkt, gegenüber den aktuell Erwerbstätigen seid ihr aber in der hervorragenden Situation, euch jetzt mit KI-Grundlagen befassen zu können, bevor ihr in den Arbeitsmarkt eintretet.
Konkretes Beispiel: KI in der Maschinen- & Fahrzeugtechnik
Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe werden von mehreren Millionen Menschen ausgeübt. Grundsätzlich ist dieser Bereich schon heute stark durch KI untersetzt. Entsprechend gehen wir davon aus, dass dieser Trend zur verstärkten Automatisierung auch in den nächsten Jahren anhalten wird. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Prozesse in diesem Umfeld hochgradig standardisiert, dokumentiert und digital unterstützt sind – der nächste folgerichtige Schritt ist die KI-isierung.
Dieser Text ist ein redaktionell bearbeiteter Auszug aus dem Buch „KI jetzt!“ von Kai Gondlach und Mark Brinkmann. Das Buch erscheint am 25.4.2024 und ist im GABAL Verlag oder auf Amazon für 29,90 Euro erhältlich.
Diverse Berufe in diesem Sektor eignen sich sehr gut für KI-Unterstützung, was insbesondere durch den Fachkräftemangel getrieben wird. Es geht in vielen Fällen darum, dass die Maschinen und Anlagen sich zunehmend selbst regulieren und steuern und das Personal zu sich „rufen“, wenn eine Reparatur oder Wartung ansteht. Diese wird bereits in vielen Fällen durch die Augmentierung von Datenbrillen unterstützt, die in Echtzeit sowohl die Diagnose unterstützt als auch nützliche Unterstützung bietet.
Dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass es auch hier weniger darum geht, Beschäftigte durch eine KI zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen und somit die Produktivität der Gesamtanlage zu erhöhen. Die Maschinen lernen sozusagen, autonome Entscheidungen oder Vorhersagen zu treffen und die Menschen darauf hinzuweisen, wann sie gebraucht werden.
Im folgenden Video erklärt: So funktioniert „Kunst“ mit KI.
Der Einsatz von Daten-Headsets wie der Microsoft Hololens ist bei Pionieren längst Standard, wird sich aber in den kommenden Jahren auch im Mittelstand vermehrt verbreiten. Einerseits hat es bis jetzt Sinn gemacht, auf die ersten Erfahrungen der Pioniere zu warten – andererseits ist diese Zeit nun vorbei und die individuelle Lösung müssen Betriebe selbst gestalten. Die wird ihnen von keinem IT-Anbieter dieser Welt generalisiert zur Verfügung gestellt. Und im besten Fall geschieht dieser Schritt, bevor die große Rentenwelle hereinbricht.
Für Beschäftigte in diesem Bereich heißt das: Es wird bald Fortbildungen für den Umgang mit KI- und ER-Systemen regnen (ER = Extended Reality, auch Mixed oder Augmented Reality genannt, bezeichnet die Erweiterung des Sichtfelds durch virtuelle Informationen mittels einer Datenbrille). Wer schneller sein und sein Gehalt aufbessern möchte, kann sich am besten in der IT-Entwicklung fortbilden, um die Systeme selbst zu entwickeln und bei der Implementierung zu unterstützen. Denn ohne Fachwissen sind die Geräte nutzlos.
KI-Skills lernen: 2 Dinge sind entscheidend
Ähnliche Chancen tun sich in vielen anderen Branchen auch auf, zum Beispiel: Gastronomie, Büro & Verwaltung, Sozialarbeit, Verkehr, Erziehung oder Handwerk. Damit ihr euch fit macht für den Einstieg in Jobs, die KI-Kenntnisse erfordern, müsst ihr vor allem zwei Dinge tun.
Grundverständnis aufbauen: Lernt die Begriffe kennen und versteht, wie sie zusammenhängen. Nicht alle müssen programmieren können, aber alle brauchen ein solides Fundament, um die Mechanik der KI zu verstehen. Die wenigstens wissen genau, wie Elektrizität funktioniert, aber alle können einen Stecker in die Steckdose stecken.
Tools ausprobieren: Von ChatGPT bis Midjourney – probiert die Tools aus, so lernt ihr spielerisch, wie man mit KI arbeiten kann. Probiert am besten eine Vergleichsplattform für KI-Tools aus (zum Beispiel chathub.gg), um mehr kennenzulernen als die Hype-Tools. Auf Plattformen wie „There’s an AI for that“ findet ihr zudem KI-Tools für alle denkbaren Anwendungen.
Über den Gastautor:
Kai Gondlach studierte Soziologie, Politik-/Verwaltungswissenschaft und Zukunftsforschung. Er ist selbstständiger Autor, Keynote Speaker, Podcast-Host und Geschäftsführer der Leipziger PROFORE Gesellschaft für Zukunft mbH, einem jungen Institut für Zukunftsforschung und Strategieberatung. Als Mitglied der akademischen Zukunftsforschung arbeitet er im Umfeld der UNESCO und dem Club of Rome an der Umsetzung wichtiger Zukunftsthemen.