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Erfolgs-App Safespace: Warum die gut gemeinte Idee ein Armutszeugnis ist

Solltet ihr euch einmal unsicher fühlen, seid ihr nicht allein (Bild: Getty Images / innovatedcaptures).
Solltet ihr euch einmal unsicher fühlen, seid ihr mit Safespace nicht allein (© Getty Images / innovatedcaptures)
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Mit nur 17 Jahren hat eine Schülerin aus Münster eine App auf den Markt gebracht, mit der man sich abends auf dem Nachhauseweg weniger allein fühlt. Einerseits ein Lösung, die es braucht. Andererseits eine, die es eigentlich nicht brauchen sollte.

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„Melde dich, wenn du angekommen bist!“

„Melde dich, wenn du angekommen bist!“ verabschiedet mich meine Freundin stets nach unseren Treffen. Was im ersten Moment wie eine Floskel klingt, ist eine ernstgemeinte Bitte. Einerseits ist damit die Sorge verbunden, dass immer etwas passieren kann. Andererseits das Versprechen, dass ich nicht allein bin. Dass sie auf mich wartet, während ich nachts allein unterwegs bin. Während ich das Starren oder die Sprüche von Männern in der U-Bahn ignoriere. Während ich einen Blick über die Schulter oder in die Spiegelung von Fenstern werfe, um zu checken, ob jemand hinter mir läuft. Während ein unangenehmes Gefühl in mir hochsteigt, wenn da tatsächlich jemand ist.

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Nicht nur Frauen und weiblich gelesene Personen kennen diese Situationen. Lösungen gibt es einige: Über das „Heimwegtelefon“ kann man bis nachts mit den Ehrenamtlichen telefonieren, um sich unterwegs sicherer zu fühlen (Telefonnummer: 030 12074182). Das Projekt „Luisa ist hier“ wird dagegen vor allem in der Gastronomie angewendet. Fühlt man sich von einer Person bedrängt, kann man an der Theke einer teilnehmenden Bar oder eines Restaurants fragen „Ist Luisa hier?“. Das Personal weiß dann Bescheid und sorgt für Hilfe. Seit Anfang diesen Jahres gibt es nun eine weitere Option, die euch vielleicht schon auf TikTok begegnet ist:

Safespace-App: Einfaches Ampelprinzip für einen sicheren Heimweg

Nour Idelbi hat mit nur 17 Jahren die App „Safespace“ ins Leben gerufen. Ist man unterwegs und fühlt sich unwohl, kann man die hinterlegten Notfallkontakte informieren. Die App funktioniert dabei wie ein Ampelsystem: Aktiviert man den grünen Button, signalisiert man seinen Kontakten, dass alles gut ist. Bei Gelb erhalten sie eine Nachricht und man kann zwischen einem Notfallkontakt-Anruf, einen Anruf mit anderen aktiven Nutzenden und einem Fake-Anruf zur Täuschung wählen. Bei Rot werden schließlich die Polizei und deine Notfallkontakte alarmiert. Die App läuft auf Android (zum Google Playstore) und iOS (zum Apple Appstore).

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Safespace soll ein sicherer Ort für die Nutzenden sein und ein Gefühl des Zusammenhalts schaffen. Nach Idelbis Wunsch künftig auch für Menschen mit mentalen Probleme. Einige User nutzen die App dafür schon jetzt (Quelle: Businessinsider). Doch nicht nur bei der Community kommt Safespace gut an. Im Juli 2022 haben Nour Idelbi und ihre Social Media Managerin Joline Reker bei den „Startup Teens Awards“ 10.000 Euro gewonnen. Auch in der Gründerszene machen die jungen Frauen also Eindruck.

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Ein Screenshot zeigt das Ampelsystem der App Safespace.
Bei Safespace könnt ihr angeben, wie sicher oder unsicher ihr euch gerade fühlt (© GIGA)

Trotz Safespace und Luisa: Das eigentliche Problem bleibt

Lösungen wie die Safespace-App oder das Heimwegtelefon sind eine Hilfe, um sich unterwegs sicherer zu fühlen. Idelbi erklärt in einem Interview mit NRWision: „Die App Safespace entstand tatsächlich aus diesem Unwohlsein heraus. Ich glaube, das kennen vor allem viele weibliche Zuschauer. Vielleicht wenn man auf dem Weg nach Hause ist, die Straße ist dunkel, unbeleuchtet. Man fühlt sich einfach unwohl, das hat keinen bestimmten Grund.“

Und genau da beginnt in meinen Augen das Problem, weil es einen bestimmten Grund hat. Frauen und weiblich gelesene Menschen sind es schon fast gewohnt, sich unterwegs unwohl zu fühlen: Der Schlüsselbund wird als potenzielle Waffe in die Faust genommen. Kopfhörer werden aufgesetzt, um anderen zu signalisieren, dass man sie nicht wahrnimmt. Aber Musikhören ist tabu, um aufmerksam für die Umgebung zu sein. Ist der Weg nach Hause zu lang oder zu unsicher, ruft man lieber ein Uber, anstatt mit Bus oder Bahn zu fahren. Eine Garantie, dass es im Taxi sicher ist? – Gibt es nicht.

Sexualisierte Gewalt gibt es auch bei Künstlicher Intelligenz. Mehr dazu erfahrt ihr hier:

Eine App wie Safespace lindert die Symptome, bekämpft aber nicht die Wurzel allen Übels. Dass Männer Grenzen überschreiten, das Wort „Nein“ nicht respektieren und schlimmstenfalls gewalttätig werden. Ja, nicht alle, aber zu viele. Und weder Safespace, noch das Heimwegtelefon oder Luisa können das ändern. Es ist ein systemisches Problem, das einer systemischen Lösung bedarf. Damit dieses Dilemma nicht übersehen wird, darf nicht bei den Opfern, sondern muss bei den (potenziellen) Tätern angesetzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass unsere Angst vor sexualisierter Gewalt normalisiert wird.

Es ist eine riesige Leistung, dass eine 17-jährige Schülerin so eine App entwickelt hat. Sie zeigt damit, dass junge Menschen ernstgenommen werden wollen und sollten. Aber wiederum ist es ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass wir überhaupt so eine App benötigen.

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