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KI 2042: Was mir eine Maschine übers Menschsein beibrachte

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Ist eine Maschine, die eigenständig lernt und denkt, die sich ihrer selbst bewusst ist, eigentlich noch eine Maschine, oder schon ein Mensch? Als künstliche Intelligenz laufen lernte, wollte ich darauf eine endgültige Antwort bekommen – und fand sie bei einem ganz besonderen Wesen.

Heute, im Jahr 2042, ist für uns vieles selbstverständlich, was noch in meiner Jugend unter Science Fiction lief. Fortschritte im maschinellen Lernen und bei Quantencomputern haben unsere Welt fundamental verändert und den lang gehegten (Alb)traum der ersten echten künstlichen Intelligenz wahr werden lassen. Wie echt diese KI ist? Ich habe es selbst erlebt.

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Themenwoche Zukunft auf GIGA

Ja, das ist ein Beitrag über das Jahr 2042. Nein, ihr habt keine Zeitreise gemacht. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Die Zukunft im Jahr 2042“ auf GIGA, in der wir unser Millennium um 21 Jahre weiterdrehen und euch zeigen, wie die Tech- und Gaming-Welt im Jahr 2042 aussehen könnte.

Eine besondere Begegnung

Professor Kling, einer der weltweit führenden Forscher im Bereich der Humanrobotik und Mensch-Maschinen-Synthese an der Albert-Einstein-Universität in Berlin, empfing mich mit wenig hoffnungsvollen Worten: Maschinen seien Menschen heute in nahezu allen Belangen überlegen.

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Schon vor drei Jahrzehnten übertrumpften künstliche Intelligenzen den Menschen, aber nur in Spezialfällen. Spiele mit klaren Regeln wie Schach, Go und StarCraft beherrschten sie so gut, dass Menschen gegen sie kaum noch eine Chance hatten. In den Zwanzigerjahren lernten die Algorithmen dazu – Übersetzungen aus und in alle bekannten Sprachen, Proteinfaltung für die Gen-Therapie vormals unheilbarer Krankheiten, smarte Logistik, Stromnetz-Tarierung und Verkehrsfluss-Steuerung zum Beispiel. Unser Leben wurde besser durch sie.

Professor Kling und sein Team arbeiten seit Jahren am nächsten großen Schritt: Menschliches Verhalten so zu simulieren, dass es sich nicht mehr vom Denken und Handeln eines echten Menschen unterscheidet. Die heutigen Quanten-Rechner machten die dafür notwendigen Algorithmen endlich möglich.

Dieses Ziel sei ja nicht neu, sagte ich ihm, und bislang scheiterte jeder Versuch. Darauf hatte er wohl nur gewartet, um mir das Gegenteil zu beweisen. Er tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle an seinen Kopf, woraufhin sich eine Klappe öffnete und mir … Schaltkreise offenbarten, Kabel, Platinen, Kondensatoren.

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Die Mensch-Maschine ist real

Vor Bestürzung und Faszination verschlug es mir die Sprache. Kling wirkte immens kompetente, aber etwas zerstreut. Eben menschlich. Niemals hätte ich gedacht, dass er eine Maschine ist.

Der echte Professor Kling sitzt im Nebenraum, so der Maschinen-Kling. Per Brain-Interface könne der Bot jedoch Klings gesamte Erinnerungen abrufen, von glänzenden Momenten wie Wissenschafts-Preisverleihungen über Alltagserlebnisse bis hin zu Traumata und düsteren Geheimnissen.

Persönlichkeit, erklärte mir die Kling-Kopie, bestehe zum einen aus genetischer Prägung, die sich kopieren und in Algorithmen übersetzen ließe. Prägungen durch bewusst oder unbewusst erlebte Ereignisse seien ebenfalls kopierbar. Er sei in diesem Sinne eine vollkommene Kopie des echten Professor Kling.

Die Synthese von Persönlichkeit

Ich fragte ihn nach Emotionen und Trieben, also zutiefst menschlichen Empfindungen. Auch die seien Teil seiner Persönlichkeit, erklärte er, mit zwei Ausnahmen: Die Angst vor dem Tod sei nicht Teil seiner Prägung. Die könne er nicht authentisch empfinden, da er zwar zerstörbar sei, aber seine Hardware nach Belieben dupliziert und die Software von einem Backup wiederhergestellt werden könne.

Was ihm ebenfalls abgeht: Unmoralisches Verhalten. Eine Software-Firewall verhindert, dass er sich selbst und anderen Schaden zufügen kann. Er bezeichnete die Firewall als seine „10 Gebote“ und lachte über diese Anspielung, denn religiös kann er ohne Angst vor dem Tod ja auch nicht sein. (Humor hat der Kling-Bot also offenbar auch.)

Der menschliche Professor Kling hatte sich inzwischen zu uns gesellt. Auf meine letzte Frage mussten beide herzlich lachen: „Haben Sie ein Bewusstsein?“ Ich war verwirrt. „Natürlich habe ich ein Bewusstsein!“ sagte der Maschinen-Kling. „Bewusstsein ist Biochemie, nichts weiter als Neuronen, die Signale feuern. Input und Output. Ich bin mir meiner bewusst, ich reflektiere mein Denken und unterscheide zwischen mir und meinem Gegenüber.“

Während die beiden sich weiter amüsierten, quälte mich ein Gedanke: Wenn eine Maschine so sein kann wie ich, wer oder was bin ich dann noch?

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Was sich sonst noch getan haben könnte im Jahr 2042, zeigen wir euch in der Spezial-Ausgabe unserer GIGA Headlines:

„Haben Sie keine Angst,“ versuchte der echte Kling mich zu beruhigen. „Vielleicht behauptet er ja nur, ein Bewusstsein zu haben. Die Behauptung könnte genauso gut eine Nebenroutine seiner Selbstprogrammierung sein. Und noch schlimmer,“ fügte er schmunzelnd hinzu, „wer sagt denn, dass mein eigenes menschliches Bewusstsein wirklich existiert? Auch bei mir können sie es nicht wissen, oder?“ Die Beruhigung verfehlte ihre Wirkung.

Und wer bin ich?

„So lange sie sich ihrer eigenen Existenz sicher sind“, dozierte Kling-Bot, „so lange Sie einen 2039er Grauburgunder genießen oder Hoffnung für Ihre Kinder und Enkel empfinden, ist das Ergebnis dasselbe – egal ob es real oder nur simuliert ist. Ob das alles von Elektromotoren oder einem faustgroßen Hohlmuskel am Leben erhalten wird, macht keinen Unterschied.“

Dieser philosophierende, lachende, selbstreflektierte Maschinen-Kling wirkte auf mich derart überzeugend menschlich, dass mir eines klar wurde: Diese Hybriden werden Teil unserer Gesellschaft, ja wahrscheinlich sogar ein nächster Schritt auf der Leiter der Evolution sein.

Ist der Maschinen-Kling der bessere Mensch, weil er digitale Interfaces besitzt, kontinuierlich verbessert werden kann? Wird der Homo Sapiens aussterben, weil er ein Auslaufmodell ist, mit Fehlern, die die verbesserte Version in Form dieses angereicherten Menschen nicht aufweist und – nun, sterblich ist?

Meine Begegnung mit Professor Kling hat mich verblüfft, schockiert, verunsichert. Kann ich solchen Wesen vertrauen, mit ihnen leben? Tue ich es vielleicht schon, ohne es zu wissen? Vielleicht kann sich erst die nächste Generation auf diese Realität einlassen – eine Generation von Menschen und menschenartigen Maschinen.

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