Was nützt eine umfangreiche Streaming-Bibliothek, wenn die Bedienoberfläche das Publikum in den Wahnsinn treibt? Amazon Prime Video sollte sich in dieser Hinsicht unbedingt etwas von Netflix abschauen.
Ein Kommentar von Gregor Elsholz
Die Prime-Video-App auf meinem LG-Fernseher zu bedienen, fühlt sich an, wie über einen Flohmarkt zu laufen. Ein lauter, unübersichtlicher Flohmarkt, bei dem mir Verkäufer schreiend am Ärmel ziehen, um mir wertlosen Krempel anzudrehen. Klar, auf manchen der Tische liegen wertvolle Schätze unter Bergen von mittelmäßigen Blockbustern versteckt, aber die Suche nach lohnenswerten Filmen und Serien ist bei Amazon Prime eine unerfreuliche und zeitintensive Arbeit. Warum bekommt es das Riesen-Unternehmen nicht auf die Kette, einen vernünftigen Streaming-Service zu basteln?
Prime Video ist ein Armutszeugnis für Amazon
Die Prime-Video-App ist vor allem deswegen so nervtötend zu navigieren, weil an allen Ecken und Enden Filme und Serien aufploppen, die nicht im Prime-Abo enthalten sind. Stattdessen werden überall Highlights angepriesen, die als Video on Demand extra ausgeliehen oder gekauft werden müssen – und die dann auch noch oft separat in eine 4K- und eine HD-Version aufgeteilt sind, sodass schnell die falsche Version im Einkaufskorb landet.
Auch gesonderte Channel-Abos wie MGM, Home of Horror oder Arthaus+, die zwar in die Prime-Oberfläche integriert, aber nicht inklusive sind, sorgen beim Scrollen für Verwirrung. Zusätzlich wird seit einiger Zeit Freevee immer stärker beworben, ein Gratis-Channel, der auf die bahnbrechende Idee gekommen ist, Filme mit Werbe-Unterbrechungen anzubieten.
In unserem Video vergleichen wir die größten Streaming-Anbieter für euch:
Nicht nur das Hin- und Herspringen zwischen inklusiven Inhalten, Extra-Channels und VoD-Angeboten ist chaotisch, auch die Einteilung in unterschiedliche Genre-Sparten geht bei Amazon Prime Video und insbesondere Freevee drunter und drüber – beispielsweise fanden sich im ominösen Reiter Best of Freevee eine Zeitlang sowohl die preisgekrönte Serie Peaky Blinders als auch Softcore-Pseudo-Dramas, Scream 4 und einige B-Movie-Ausflüge von Nicolas Cage. Wer in diesem Chaos fündig wird, hat garantiert nach nichts gesucht.
Lieber Netflix schauen: Amazons Streaming-App enttäuscht auf ganzer Linie
Eine oder mehrere vernünftige Filter-Funktionen könnten in der App leicht Abhilfe schaffen. Zumindest würde aber eine Ansicht, die nur Prime-Inhalte anzeigt, weniger den Eindruck von einem siffigen Grabbeltisch vermitteln, an dem alles extra kostet. Fairerweise ist solch ein Toggle-Filter in der App für Mac und PC enthalten – doch auf LG-Fernsehern und über den Browser fehlt diese Option.
Noch viel frustrierender ist es allerdings, wenn ich in dem Tohuwabohu tatsächlich einmal etwas finde, das ich anschauen möchte – zum Beispiel irgendeinen obskuren Horror-Trash aus den 1980ern – dann aber nach dem Starten feststelle, dass der Original-Ton fehlt. Bei einem Streaming-Service 2023 allein die deutsche Synchronisation als Option anzubieten, ist lächerlich – passt aber wunderbar zu dem unaufgeräumten und mangelhaften Auftreten von Prime Video im Allgemeinen.
Wer auf den Flohmarkt geht, muss nun einmal mit kaputten und unvollständigen Produkten rechnen und gewillt sein, sich bei der Suche nach versteckten Perlen die Finger schmutzig zu machen. Beim Streamen kann ich auf all die Enttäuschung und Extra-Arbeit allerdings gut verzichten und schaue deswegen lieber nach, was die Konkurrenz so bietet – Alternativen gibt es ja zum Glück genug.
In unserer Bilderstrecke zeigen wir euch 8 Gründe, warum der Original-Ton immer besser ist: