Das Prinzip von Streaming-Diensten ist einfach erklärt und doch gibt es Überlegungen bei den Anbietern, wie die Idee künftig stark aufgeweicht werden könnte. Entsprechende Pläne wurden diese Woche von Disney+ publik. Was ist das los, kapitulieren die Dienste und rudern zurück? Ein kleiner Gedankenaustausch innerhalb der Wochenendkolumne von GIGA.
Streaming-Dienste wie Netflix und Co. muss man eigentlich nicht mehr erklären. Serien und Filme stehen dort online für einen monatlichen oder jährlichen Obolus zum Abruf bereit und können bei Bedarf jederzeit von den Kundinnen und Kunden gesehen werden. Hier und da lassen sich die Inhalte auch zeitweise auf Mobilgeräte wie ein iPhone oder ein iPad herunterladen, doch im Fokus steht noch immer der direkte Online-Abruf.
Disney+ will künftig lineare Kanäle anbieten
Im Gegensatz dazu kämpft das klassische lineare Fernsehen weiterhin um Akzeptanz und Relevanz. Dort müssen sich Zuschauer nach den Sendern richten und im richtigen Augenblick einschalten. Oftmals aber läuft das Programm einfach als Hintergrundrauschen den ganzen Tag durch. Hauptsache, die Kiste ist an und gibt Geräusche und ein Flackern von sich. Von den Zuschauern mag man da nicht mehr wirklich sprechen, der Terminus „Zombie“ trifft es meiner Meinung nach eher.
Genau diese spezielle Zielgruppe wollen neuerdings auch die Streaming-Dienste ansprechen. Entsprechende Überlegungen von Disney+ wurden kürzlich öffentlich. So möchte man künftig lineare Streaming-Kanäle bereitstellen (Quelle: The Information). Dort läuft klassisch den ganzen Tag ein Programm durch. Thematisch könnte es verschiedene Kanäle geben – Star Wars, Marvel, Zeichentrickfilme, Krimis etc.
Ihr wollt Geld beim Streaming sparen? Da haben wir einige Tipps für euch:
Einfluss aufs Programm haben die Zuschauer nicht, die sollen einfach nur passiv berieselt werden. So wie man es vom klassischen Fernsehen her kennt. Warum macht man so etwas? Will sich Disney+ vom klassischen Streaming verabschieden?
Die Erklärung findet sich wie so oft im schnöden Mammon. Es gilt einerseits neue zahlungsbereite Zielgruppen zu finden und anderseits neue Umsatzkanäle zu etablieren. Innerhalb der neuen Streaming-Kanäle will Disney+ nämlich gerne Werbung schalten. Wohl auch unabhängig vom jeweiligen Abo. Man würde also in jedem Fall zusätzliche Werbeeinnahmen generieren und am Ende die Verweildauer der Kunden auf der eigenen Plattform erhöhen.
Kunden müssen sich nicht jedes Mal aktiv einen neuen Film oder eine neue Serie heraussuchen, sondern würden einfach ständig beschallt. Disney+ könnte also den TV komplett okkupieren und die Konkurrenz ausschließen im Idealfall – so die leicht zynischen Überlegungen.
Das Ende vom Streaming bedeutet dies meiner Meinung nach aber nicht, nur möchte man die letzte Lücke zum normalen Fernsehen schließen und dieses endgültig obsolet machen. Mit etwas Glück stoßen Zuschauer so auch auf neue Inhalte, die man später „on demand“ wieder abrufen kann.
Tatsächlich sollte Disney+ vielleicht sogar überlegen, einen Teil dieser Kanäle als Lockmittel kostenfrei anzubieten, um sich so zahlungswillige Neukunden zu schnappen. Nach dem Motto: Wir zeigen dir hier kostenfrei die erste Staffel von „The Mandalorian“, die restlichen zwei Staffeln gibt es aber nur im Abo bei Disney+.
Ein Trend, der das Ende des klassischen Fernsehens vorwegnimmt
Auch ist Disney+ nicht der erste Streaming-Anbieter mit dieser Idee. Schon verwirklicht wurde dies beispielsweise bei Amazon Prime Video. Wer dort auf „Live TV“ geht, der bekommt nicht nur kostenfrei das Angebot der öffentlich rechtlichen Sender in Deutschland, sondern auch eine Auswahl von kostenlose TV-Kanälen unter der hauseigenen Marke „Freevee“ vermarktet (bei Amazon ansehen). Beispielsweise so illustre Sender wie „River Monsters“, „Top True Crime“ oder auch „BBC History“.
Meine Gedanken zum Wochenende: Die Kolumne möchte Denkanstöße liefern und den „News-Schwall“ der Woche zum Ende hin reflektieren. Eine kleine Auswahl der bisherigen Artikel der Kolumne:
Die Streaming-Anbieter kapitulieren also nicht vor den klassischen Sendern, sondern wollen sich jetzt noch kurzerhand deren Sendeprinzip einverleiben. Ziemlich clever, aber noch nicht hundertprozentig zu Ende gedacht. Denn klassisches Fernsehen kommt nur teilweise aus der Dose. Echte Live-Formate wie Sport, Nachrichten oder auch große Shows sind heute noch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den Streaming-Diensten.
Aber auch da wollen Netflix, Amazon oder auch Disney+ schrittweise aufschließen. Streaming hat noch lange nicht fertig, es sind vielmehr die regulären Fernsehsender, die wohl alsbald kapitulieren müssen.