Elon Musk versprach nach dem Kauf von Twitter mehr Meinungsfreiheit. Innerhalb weniger Wochen hat er sein neues Unternehmen aber so krachend gegen die Wand gefahren, dass man meinen könnte, Twitter wird vom Tesla-Autopilot gesteuert. Twitter wird damit aber nicht nur zum persönlichen Debakel für Musk, sondern auch zum Problem für Tesla.
Ein Kommentar von Claudio Müller
Warum hat Elon Musk so viele leidenschaftliche bis fanatische Fans? Weil er seinen Unternehmen einen Sinn gegeben hat, hinter dem sich diese Menschen versammeln konnten. Weil seine Visionen viele Menschen davon überzeugt haben, dass Musk tatsächlich das langfristige Wohl der Menschheit im Sinn hat.
Schauen wir kurz auf das Versprechen seiner beiden Vorzeige-Unternehmen.
Die Mission von Tesla ist es, mit massentauglichen Elektroautos den Wandel hin zu nachhaltigen Transportmitteln zu beschleunigen. (Quelle: Tesla)
Die Mission von SpaceX ist es, die Menschheit zu anderen Planeten zu bringen und ihr langfristiges Überleben zu sichern. (Quelle: SpaceX)
Twitter: Nobles Ziel, chaotische Realität
Für Twitter formulierte Musk in den vergangenen Monaten verschiedene Ziele, mal sollte es ein öffentlicher Marktplatz sein, auf dem jeder seine Meinung äußern darf, zuletzt sollte es die präziseste Informationsquelle über die Welt sein. (Quelle: Elon Musk)
Auch das klingt – wie die Missionen von Tesla und SpaceX – zunächst gut. Dumm nur, dass Twitter kein Zukunftsprojekt ist, sondern jede Entscheidung und ihre Konsequenzen sofort und unmittelbar sichtbar werden – und damit viel über Musk verraten, aber nicht viel Gutes.
Hier ein kleines Best of Twitter unter Musk:
- arbeitsrechtlich und moralisch fragwürdige Massenentlassungen
- die nahezu komplette Auflösung der Content-Moderations-Teams
- damit verbunden der (temporäre) Abschied zahlreicher Unternehmen
- die chaotische Einführung von Produktneuerungen wie Twitter Blue
- das Zurückholen von gebannten Usern wie Donald Trump und Kanye West
- … der umgehend wieder gebannt wurde, nachdem er eine Swastika gepostet hatte
- und zuletzt das unbegründete Bannen von Reportern, die in der Vergangenheit kritisch über Musk berichtet hatten
(Das und mehr im Detail nachzulesen zum Beispiel bei The Verge.)
Wo Elon Musk überall seiner Finger im Spiel hat, zeigt euch folgendes Video:
Elon Musk: Der Heilsbringer zerstört sich selbst
Was wie Chaos anmutet, hat jedoch Methode. Denn die Entscheidungen von Musk dienen eben nicht der Mission, Twitter zum Leuchtturm der Meinungsfreiheit und Faktentreue zu machen. Für Musk geht es offensichtlich nur darum, seine persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen, um seinen Profit zu maximieren (oder vielmehr: seinen Verlust durch den überteuerten Kauf von Twitter zu minimieren).
Das mag jetzt wenig überraschend klingen, schließlich sprechen wir von einem Silicon-Valley-Gründer. Die eigene Profitgier hinter blumigen Visionen zu verstecken, das können auch die Chefs von Amazon, Facebook, Google oder Apple.
Das Problem für Musk: Seine Aktionen auf Twitter werfen dunkle Schatten auf Tesla und SpaceX. Denn so gut deren Missionen klingen, spätestens seit den letzten Wochen muss nun auch der letzte Fanboy erkennen, dass Musk nur 2 Dinge wichtig sind: Er selbst und sein Vermögen.
Zwar ist nicht auszuschließen, dass er auf eine verquere Art und mit einem enormen Gott-Komplex tatsächlich daran glaubt, die Menschheit retten zu müssen. Viele seiner Anhänger und Investoren haben diesen Glauben aber längst verloren, wie der Blick auf den Aktienkurs von Tesla zeigt:
Auch in Deutschland, dem drittgrößten Markt von Tesla, dreht die Stimmung. Wer einen Tesla fährt, wurde vor Jahren noch bewundert, heute schämen sich Menschen dafür. Für Musk ein Desaster, denn der Erfolg seiner Unternehmen basierte immer auch auf dem Mythos Musk: Der geniale Ingenieur und Geschäftsmann, der mit Mut und Weitblick schafft, woran andere scheitern.
Seit Twitter ist klar: Musk ist nur ein weiterer kleingeistiger Schlangenöl-Verkäufer, der Wunderdinge verspricht, und sich am Ende mit einer Handvoll Dollar aus dem Staub zu machen versucht.