Der maßlose Hass gegenüber der neuen Star-Wars-Serie The Acolyte ist übertrieben. Es gibt Kritikpunkte, aber auch einen riesigen Pluspunkt. Ich für meinen Teil will unbedingt eine zweite Staffel – und ich sage euch, warum.
Ein Kommentar von Marina Hänsel
Auch eine unperfekte Serie kann Spaß machen
Warnung: Ich versuche den Text so Spoiler-frei wie möglich zu halten. Möglich ist das aber nur bis zu einem gewissen Grad.
Es ist absolut in Ordnung, wenn ihr The Acolyte nicht mögt. Den größten Teil der Serie über habe ich nicht verstanden, warum die Hauptcharaktere Mae und Osha so handeln, wie sie handeln. Ihre Charaktere sind nicht sonderlich gut geschrieben – und an einigen Stellen kam es mir amüsant vor, wie „cool“ sie in Szene gesetzt wurden.
The Acolyte ist gespickt mit Szenen, die seltsam wirken. Ein wichtiger, hochgeschätzter Charakter stirbt, scheint aber nach drei Szenen komplett vergessen zu sein. Nach einer der größten Kampfszenen sprechen Charaktere, als wären sie gerade beim Kaffeekränzchen gewesen. Warum tut dieser Charakter, was er gerade tut?! Ja, diese Frage kann man sich öfter stellen und ich wünschte, The Acolyte hätte das alles einfach besser umsetzen können.
Denn The Acolyte hat mir trotzdem verdammt viel Spaß gemacht. Weil das Thema hier tatsächlich interessant ist – für mich so interessant, dass ich genau so eine Serie schon seit dem Ende von The Rise of Skywalker sehen wollte. Und The Rise of Skywalker ist mindestens genauso schlecht wie The Acolyte: Nur hat The Rise of Skywalker keinen großen Spaß gemacht. Oder ein zufriedenstellendes Ende gefunden.
Doch einmal reinschauen? Hier der deutsche Trailer zu The Acolyte.
Die Jedi sind zu stolz – und ihr Ansichten veraltet
Versteht mich nicht falsch, ich liebe Geschichten über die Jedi. Doch sie sind keine weißen, unfehlbaren Helden, welche die Lösung für Glück und Frieden in ihrer Macht-Religion gefunden haben. Allzu oft sind sie zu sehr auf sich selbst fokussiert und so stolz, dass sie zu glauben scheinen, es stets besser als alle anderen zu wissen.
Und „dunkle“ Gefühle wie Trauer oder Wut zu unterdrücken, ist so in etwa das Dümmste, was man machen kann. Es funktioniert auch nicht. Es ist der Ursprung dieses ach so schlimmen Ungleichgewichts, von dem Jedi allzu gern sprechen. Wenn jemand von den Jedi zu den Sith überwechselt, überrascht mich das nicht: Diese Leute haben nie gelernt, dass es okay ist, einmal traurig oder wütend zu sein. Es wurde ihnen nicht erlaubt. Kein Wunder, dass sie austicken.
The Acolyte (auf Disney+ ansehen) beschäftigt sich endlich einmal mit genau diesen Problemen der Jedi – und des Jedi-Ordens. Dieser arrogante Glaube, Menschen einer fremden Kultur retten zu müssen, weil man es ja besser weiß, ist hier die Wurzel allen Übels. Gute Absichten, schlechte Taten – und The Acolyte bleibt hart, wenn es darum geht, diese aufzudecken. Es gibt kein Zurück, und das Ende von The Acolyte hat mich deshalb absolut glücklich zurückgelassen.
Über die letzten Folgen hinweg wurde es immer undurchsichtiger, wer hier eigentlich der „Gute“ ist – und wer der „Böse“. Wenn am Ende ein Sith gegen einen Jedi kämpft, sind die typischen Rollenbilder verschwunden. Beide haben Recht. Beide haben Unrecht. Beide sind irgendwie gut und böse.
Ich habe mich nicht sehr für das Schicksal der zwei Protagonistinnen interessiert, aber alles darum herum hat mich nicht enttäuscht. The Acolyte endet bittersüß, und zwar mit einem Finale, das ich mir ähnlich für The Rise of Skywalker erhofft hätte.
Ich will, dass eine zweite Staffel erscheint; egal, wie unwahrscheinlich das aufgrund der negativen Wertungen und Zuschauerzahlen ist. Ich will, dass Staffel 2 es besser macht. Und ich will, dass die angerissenen Themen in The Acolyte nicht angerissen bleiben, sondern noch tiefer und gnadenloser ergründet werden.