Eins ist nach den letzten Tagen wohl klar, die Impfpflicht gegen COVID-19 ist auf dem Weg. Doch ist Deutschland schon bereit dafür? Wer die Impfpflicht durchsetzen will, braucht auch die Werkzeuge. Daran mangelt es jedoch. Wie geht’s voran und warum deshalb digital besser ist … die Erklärung in der aktuellen Ausgabe der Wochenendkolumne.
Impfplicht, aber wie?
Es musste erst schlimmer werden, damit sowohl der politische Wille, als auch die Zustimmung zur Impflicht in der Bevölkerung reift. Im Angesicht einer nie dagewesenen Notlage ist es jetzt aber soweit, im nächsten Jahr wird es sie aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich geben. Es sei denn, dass bei abflachender vierter Welle, doch noch der Mut bei den Entscheidern wieder schwindet.
Noch vollkommen offen ist aber: Wie sollte so eine Impflicht umgesetzt und wie vor allem durchgesetzt werden? Nur eins gilt als sicher, einen Impfzwang wird’s nicht geben. Dennoch, ein Nichtbefolgen der Pflicht muss auch sanktioniert werden können. Wie würde der Staat dies ausgestalten? Meiner Meinung nach gibt’s dafür zwei grundsätzliche Ansätze – ein schwacher und ein starker.
Sollte man noch immer beherzigen:
Bei der schwachen Umsetzung würde man eine entsprechende Impfpflicht gegen COVID-19 mit etwaigen Auflagen aussprechen. Eine Sanktionierung, sprich ein Bußgeld, würde aber nur im Fall der tatsächlichen Kontrolle stattfinden. Also nur im Einzelfall, wenn man halt erwischt wird. Dies könnte beispielsweise bei Stichproben auf öffentlichen Plätzen und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr geschehen. Dennoch gäbe es noch immer Möglichkeiten sich dem zu entziehen, es sei denn man knüpft beispielsweise auch den unausweichlichen Supermarktbesuch an 2G-Regeln.
Digital ist besser: Beispiel Belgien
Der stärkere Ansatz wäre hingegen ein anderer. Grundvoraussetzung: Der Staat weiß schon wer geimpft und wer nicht geimpft ist. Aktuell ist dies aber jedoch nicht der Fall, denn Deutschland hält noch immer am gelben Impfpass fest. Der ist alles andere als fälschungssicher und schon gar nicht digital oder gar vernetzt. Wie es besser, weil digital, geht zeigt zum Beispiel das Königreich Belgien. Die haben zwar auch noch keine allgemeine Impfpflicht, wären aber schon mal wesentlich besser darauf vorbereitet.
Meine Gedanken zum Wochenende: Die Kolumne möchte Denkanstöße liefern und den „News-Schwall“ der Woche zum Ende hin reflektieren. Eine kleine Auswahl der bisherigen Artikel der Kolumne:
Dort kennt man den gelben Impfpass gar nicht. Als ich meine Freundin mal damit konfrontierte staunte sie und wusste nichts damit anzufangen. Stattdessen nutzen Belgier seit geraumer Zeit ein digitales System – MyHealthViewer. Zugriff haben darauf sowohl Ärzte als auch Patienten, ausgewiesen wird sich am Rechner mittels Lesegerät und Personalausweis. Auf dem Portal enthalten sind nicht nur Dinge wie beispielsweise der eigene Medikamentenplan, sondern auch alle Impfungen der letzten Jahre. Dank dieses Tools konnte und kann der belgische Staat seine Bürger dann auch direkt zur Covid-Impfung einladen und weiß schon jetzt, wer geimpft ist und wer nicht.
Nützlich ist dies aktuell auch bei der Booster-Impfung. Lange Warteschlangen weil man sich irgendwo auf Verdacht anstellen muss? Gibt’s bei uns, nicht aber bei unseren Nachbarn. Da läuft es geordnet ab, einst die Paradedisziplin der Deutschen.
Wer ein solches Werkzeug hat könnte dann mit Leichtigkeit auch direkte und ausnahmslose Sanktionen bei einer Impfpflicht aussprechen, denn Schlupflöcher gäbe es so gut wie keine mehr.
Bei uns ist all dies noch Zukunftsmusik. Sinnvoller wäre sicherlich der stärkere Ansatz einer Sanktionierung, doch Deutschland arbeitet sicherlich auch 2022 noch analog im Gesundheitswesen, nicht digital. Dabei wussten es doch schon im Jahr 1995 die Mannen von Tocotronic: Digital ist besser! Man hätte den Song lieber schon mal damals genauer hören sollen.