Mit Rainbow Six Extraction schlägt Ubisoft eine deutlich andere Richtung mit der Reihe ein. Vom kompetitiven Multiplayer Siege geht es zum Koop-Shooter Extraction. Ein Wechsel, der dank ein paar spannender Features vielversprechend klingt aber am Ende nicht wirklich abliefert.
Rainbow Six Extraction: Mal laut, mal leise und mit immerhin guten Ideen
Als Spielende gehört ihr in Rainbow Six Extraction zur Spezialtruppe REACT. Ein Parasit hat die Erde infiziert und seine stachelartigen Auswüchse durchbohren Teile des Planeten und machen Städte unbewohnbar. REACT-Operator untersuchen den Parasiten und die Aliens, im Spiel Archaeen genannt, die dieser hervorbringt. Die Geschichte wird durch kleine Zwischensequenzen erklärt, die ihr im Spielverlauf nach und nach freischaltet.
Das Spielprinzip
In Extraction dreht sich erstmal alles um die Meilensteine beziehungsweise ihre Freischaltung. Durch euren Fortschritt bei den Meilensteinen bekommt ihr neue Operator, Zugang zu neuen Maps und REACT-Marken, durch die ihr neue Geräte bekommen könnt. Dazu gibt es für jeden der insgesamt 30 Meilensteine einen neuen Skin und hin und wieder weitere Codex-Einträge.
Die Maps verteilen sich auf vier Gebiete, die alle einen unterschiedlichen Look haben, wie das städtische New York oder das verschneite Alaska. Jedes Gebiet hat drei Einsätze, also drei Maps. Hier kommen wir zur ersten Besonderheit von Extraction. Jede Map ist in insgesamt drei Sub-Zonen unterteilt, in der ihr mit eurem Trupp aus bis zu drei Operators eine spezielle Aufgabe erfüllen müsst. Es gibt allerdings in jeder Sub-Zone einen Evakuierungspunkt an dem ihr mit dem Team den Einsatz beenden könnt. Warum das ein interessantes Feature ist, erfahrt ihr gleich.
Diese Aufgaben können mit jedem Einsatz variieren. Ihr absolviert in eurem zweiten Einsatz in New York in der dritten Sub-Zone also nicht jedes Mal dieselbe Aufgabe, sondern immer eine zufällig Gewählte. Zu den Aufgaben gehört beispielsweise das Fangen eines lebendigen Archaeen, das Absolvieren einer Reihenfolge von Scans oder die Entnahme einer Probe durch einen Takedown an einem Elite-Monster. Jede erfüllte Aufgabe bringt euch Erfahrungspunkte, die werden dann bei erfolgreicher Evakuierung (und nur dann) mit den EP aus Kills zusammengerechnet. Obendrauf kommt noch ein Bonus, je nachdem, auf welchem der vier Schwierigkeitsgrade ihr den Einsatz überstanden habt.
Die Operators
Von denen gibt es 18 Stück, zu Beginn steht auch aber nur die Hälfte zur Verfügung. Die anderen schaltet ihr über die Meilensteine frei. Jeder Operator verfügt über ein eigenes Set an Primär- und Sekundärwaffen, eine spezielle Fähigkeit und einen passiven Vorteil. Jeder Operator kann bis auf Level 10 aufsteigen und erhält so neue Waffen und Verbesserungen für die eigene Fähigkeit. Die freigeschalteten Waffen gelten nur für den einen Operator und auch wenn es Überschneidungen gibt, hat jeder sein eigenes Arsenal. Geräte wie Granaten, Drohnen und andere Ausrüstung stehen nach der Freischaltung aber jedem Operator zur Verfügung.
Die Erfahrung, die ihr mit jedem Operator sammelt, wird quasi addiert und trägt zu eurem Fortschritt bei den Meilensteinen bei. Ihr könnt diesen Fortschritt allerdings auch wieder einbüßen, wenn ihr einen Operator im Einsatz verliert. Wenn ihr im Kampf besiegt werdet, können euch andere Operator zwar genretypisch wieder auf die Beine helfen, gehen eure Lebenspunkte auf null, werdet ihr allerdings in einen speziellen Schaum eingehüllt. Euer Operator gilt dann als im Einsatz vermisst und alle seine EP, die er zum Gesamtfortschritt beigetragen hat, werden abgezogen. Ihr könnt euren Operators allerdings wieder zurückholen. Dafür müsst ihr den Einsatz, in dem ihr den Charakter verloren habt, mit einem anderen erneut spielen und euren vermissten Operator retten. Ihr befreit ihn aus den Klauen des Parasiten und tragt ihn zum nächsten Evakuierungspunkt. Ein Ausstieg in der ersten Sub-Zone ist also manchmal eine gute Option.
Für die Operators gibt es noch eine weitere Besonderheit. Jeder besitzt 100 Lebenspunkte. Fallen diese nach einem Einsatz unter 50 ist euer Operator so schwer verletzt, dass er als inaktiv gilt und zunächst nicht mehr ausgewählt werden kann. Ihr müsst dann erst mit einem anderen Operator Einsätze abschließen, um Lebenspunkte als Belohnung zu bekommen, die dann auf alle verletzten Charaktere aufgeteilt werden.
Die Studien – noch nie waren Nebenaufgaben so wichtig
Bei den Studien handelt es sich um Nebenaufgaben, die in jedem Gebiet unterschiedlich sind. Zu den Aufgaben gehören Dinge wie das Töten bestimmter Gegnertypen auf viele unterschiedliche Arten, der Abschluss von Einsätzen oder Takedown-Tötungen. Das wichtige an diesen Studien ist allerdings ihr Beitrag zum Fortschritt bei den Meilensteinen, denn ihr bekommt EP für das Abschließen der Studien und es gibt nur diese zwei Wege, um weiterzukommen. Ihr könnt euren Spielfortschritt also durch die Studien durchaus beschleunigen.
Die Archaeen – irgendwie klebrig
Unter den Monstern tummeln sich die bekannten Typen. Es gibt Nahkämpfer, Fernkämpfer, die Unsichtbaren, die, die explodieren und dabei wahlweise eine Giftwolke hinterlassen und noch ein paar mehr. Dazu kommen noch Elite-Versionen und einige Boss-Monster. Ab dem zweiten Schwierigkeitsgrad kommen dann noch Mutationen hinzu, die das Ganze noch mal schwerer machen sollen. Zum Teil schlurfen die Gegner über die Map, andere stehen in einer Art Ruhezustand herum und sind damit perfekt geeignet für leise Takedowns. Auf der Map gibt es außerdem Nester, die - wenn erstmal alarmiert - weitere Archaeen ausspucken, bis ihr sie zerstört.
Im Extraction sind Teile der Map mit einem Auswuchs bedeckt. Eine schwarze Schicht, die euch verlangsamt, wenn ihr drüberlauft und die Archaeen euch so besser einholen können. Ihr könnt den Auswuchs zerstören, indem ihr einfach drauf schießt, später gibt es noch ein Gerät, womit ihr das klebrige Zeug entfernen könnt, ohne Munition zu verbrauchen.
Fazit
Für die Einsätze in Extraction gibt es zwei Herangehensweisen: laut und leise. Die Methode mit der Brechstange ist nicht sonderlich kompliziert, ihr nutzt Operators mit offensiven Fähigkeiten, Waffenaufsätze für maximalen Schaden und viel Ausrüstung, die tödlich für Gegner ist. Die Schleich-Variante ist da schon etwas aufwendiger. Ihr müsst langsam das Gebiet auskundschaften, leise Takedowns und gut gezielte schallgedämpfte Schüsse nutzen. Leider ist das Gegnerverhalten nicht wirklich gut auf diesen Spielstil ausgelegt. Sie bewegen sich recht viel und erkennen euch manchmal auf 20 Meter und manchmal nicht, wenn ihr kurz vor ihnen steht. In jeder Sub-Zone läuft ein Timer, beim aggressiven Spielstil stört dieser nie, wenn ihr schleicht, bekommt ihr irgendwann ein Zeitproblem.
Eine Sache, über die man durchaus gespaltener Meinung sein kann, ist der „Zwang“, verschiedene Operators zu spielen. Da ein Operator nur eine begrenzte Menge an EP zu den Meilensteinen beisteuern kann, nämlich die exakte Menge, die es bis Level 10 braucht, müsst ihr mehrere Operator spielen. Außerdem behält euer Operator nach der Evakuierung seine Basis-Lebenspunkte bei. Verlasst ihr einen Einsatz mit nur 20 Lebenspunkten, müsst ihr erst andere Operators spielen, um diese wieder aufzufüllen. Auch die Studien verlangen den Einsatz unterschiedlicher Operators. Ihr könnt keine Kills mit Fähigkeiten machen, wenn ihr keinen Operator nutzt, dessen Fähigkeit tödlich ist. Ich vermute, dass einige von euch das als Einschränkung empfinden könnten, weil ihr das Spiel nicht so spielen könnt, wie ihr möchtet. Ich persönlich finde die Idee ganz gelungen und fand es gut, mich diesen Herausforderungen zu stellen.
Dass ihr einen Operator verlieren könnt, ist vielleicht auch nicht für jeden ein gutes Feature. Es klingt allerdings dramatischer als es ist. Um den Operator zurückzuholen, könnt ihr die entsprechende Map einfach auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad spielen, den Operator findet ihr immer in der ersten Sub-Zone und selbst als Solist braucht ihr keine fünf Minuten, um den Operator zu retten. Ich finde, diese Mechanik sorgt durchaus für mehr Spannung in den Einsätzen, da tatsächlich mal etwas auf dem Spiel steht. Allerdings sind die Konsequenzen nicht sehr gravierend und führen nur zu einem repetitiven Spielerlebnis.
Wo wir gerade von Solisten reden, falls ihr lieber alleine unterwegs seid, geht das auch – allerdings nur bedingt gut. Die ersten zwei Schwierigkeitsgrade lassen sich problemlos alleine absolvieren und auch im Dritten kommt ihr mir einem Operator auf Level 10 und etwas Erfahrung klar. Danach ist allerdings Schluss und ihr braucht ein Team. Klar wird es einen kleinen Prozentsatz geben, der sogar den Endgame-Content solo hinbekommt, aber das ist wohl eher die Ausnahme. Extraction ist ganz klar ein Koop-Spiel.
Zum Thema Endgame möchte ich natürlich auch noch ein paar Worte sagen. Ihr schaltet zunächst die Aufträge frei. Das sind zeitlich begrenzte verfügbare Variationen der bekannten Gebiete, die zusätzliche Herausforderungen bieten. Danach gibt es an Inhalten nur noch das Malstrom-Protokoll. Statt durch drei Sub-Zonen müsst ihr euch durch neun Bereiche kämpfen, die alle drei Zonen schwerer werden und das Zeitlimit sinkt. Zusätzlich stehen immer nur sechs Operators zu Auswahl, aus denen ein Team zusammengestellt werden kann. Vermisste Operators könnt ihr aber weiterhin im Standard-Modus retten. Als Belohnung gibt es neben massig EP auch die Ingame-Währung für den obligatorischen Shop mit Cosmetics. Im Endgame ist leider nicht mehr viel mit Schleichen zu holen, hier wird fast nur geschossen, womit ein Teil der Gameplay-Mechaniken wegfällt. Das Endgame ist leider wenig gelungen. Einfach nur alles noch mal zu spielen, nur eben noch schwerer, ist wenig raffiniert, dem Ganzen fehlt etwas richtig Neues und so wird Extraction schnell ziemlich repetitiv.
Zwar verfolgt Extraction ein ganz anderes Konzept als Siege, die Verwandtschaft der Spiele spürt ihr jedoch in jeder Minute. Von den kleinen Aufklärungsdrohnen, über das nach rechts und links lehnen, damit ihr in Ecken spähen könnt, bis zur absolut identischen Animation, wenn ihr ein Fenster verbarrikadiert, all das kennt ihr aus Siege.
Ihr habt sicherlich gemerkt, dass ich über die Story noch nicht viel gesagt habe. Deswegen hier mein Fazit: Es gibt eine – glaube ich. Dafür sind die Zwischensequenzen ganz hübsch, nur eben ziemlich irrelevant. Rainbow Six Extraction ist ein reines PvE-Spiel, das ihr am besten mit zwei Freunden im Koop spielt. Es gibt viele interessante Ideen, die dann leider in der Praxis nur halb so gut funktionieren. Exraction wiederholt sich sehr schnell und ist erst mal alles freigespielt, gibt es kaum noch Motivation weiterzumachen. Zwar könnt ihr im Malstrom-Protokoll sogar Ingame-Währung verdienen, aber warum ich für alberne Kopfbedeckungen weiter dasselbe wie vorher spielen sollte, erschließt sich mir nicht.
Immerhin gibt es Extraction für knapp 40 Euro (PC), also nicht zum Vollpreis, und ab dem Release am 20. Januar 2022 auch im Game Pass. Wer Lust auf ein paar Stunden Koop-Action hat oder sich PvE-Content für Siege wünscht, findet ihr vielleicht sein Glück. Die Archaeen sind leider wenig spektakulär und nutzen sich wie das ganze Spielprinzip recht schnell ab.
Wertung
“Rainbow Six Extraction sorgt für eine paar spaßige Koop-Stunden, die ihr am besten mit Freunden erlebt. Leider wird das Alien ein bisschen zu oft wiedergeboren und das Spielprinzip ist zu repetitiv, um lange zu motivieren. Aus den interessanten Ansätzen wird bedauerlicherweise nicht genug gemacht. Der Preis tröstet aber über ein paar der Fehler hinweg.”