Ich habe meine PlayStation 4 zum Qualmen gebracht und Final Fantasy 15 für Dich komplett bis zum Ende durchgezockt. Warum der neue Ableger des Kult-Rollenspiels trotz Plotlöchern und Bugs durchweg Spaß gemacht hat, erfährst Du in meinem Test.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit, und Zeit fordert Veränderung. Aus Final Fantasy Versus 13 wurde Final Fantasy 15, und mit dem Wechsel der Produzenten mussten auch spielerisch neue Pfade eingeschlagen werden. Diese beschwerliche Reise ist nicht spurlos an Final Fantasy 15 vorbeigegangen. Zahlreiche Bugs, fragwürdige Design-Entscheidungen und eine Handlung voller Plotlöcher hinterlassen zwar einen nervigen Beigeschmack. Trotzdem fällt es mir auch jetzt schwer, die Finger vom Controller zu lassen.
Nach über fünfzig Stunden in Eos und einem Wochenende voll gemischter Gefühle bin ich noch immer ganz hin- und hergerissen, wo ich Final Fantasy 15 einordnen soll. Ganz sicher ist aber: Die Uneinigkeit, die seit Final Fantasy 13 innerhalb der Fangemeinde herrscht, bleibt auch nach Ablauf der Credits bestehen.
Ein Königreich braucht einen Herrscher
Ein großes Problem von Final Fantasy 15 ist unter anderem der schnelle Einstieg. Nur ein optionales Tutorial und eine kurze Cutscene bereiten Dich auf ein kompliziertes Kampfsystem und die politische Situation in Eos vor. Ich mein, eigentlich will man ja auch genau das: Sich direkt ins Abenteuer stürzen und auf eigene Faust erkunden! Trotzdem fühlt sich der Einstieg irgendwie zu ruppig an, und wer den einführenden CGI-Film Kingsglaive: Final Fantasy 15 nicht gesehen hat, merkt das spätestens nach dem ersten Story-Twist.
Für all diejenigen, die sich noch nicht durch Trailer und Demos informieren konnten: Final Fantasy 15 dreht sich um Noctis Lucis Caelum, der nicht nur einen nahezu unaussprechlichen Namen hat, sondern auch royales Blut in sich trägt. Sein Vater König Regis schickt ihn gemeinsam mit seinen drei Freunden Prompto, Ignis und Gladiolus auf eine Reise, um Noctis‘ bevorstehende Hochzeit mit Prinzessin Lunafreya vorzubereiten. Der Hintergrund dieser Vermählung ist allerding weit weniger romantisch, dient sie doch dem Zweck, zwei einst verfeindete Königreiche mit einem symbolischen Friedensakt zu verbinden.
Doch noch bevor One Direction, ähm, ich meine natürlich Noctis und seine Entourage Richtung Ziel segeln können, geschieht eine unerwartete Katastrophe. Das Friedensabkommen zwischen Lucis und Niflheim wird durch einen Putsch überschattet. Noctis‘ Heimat wurde von feindlichen Truppen eingenommen und steht ab sofort unter der Gewalt Niflheims. Aus dem Road Trip wird anschließend ein erbitterter Kampf um Frieden und Gerechtigkeit.
Was im Krisenherd Lucis eigentlich so im Detail passiert ist, wird jedoch größtenteils nicht behandelt. Nebencharaktere schneiden höchstens oberflächlich an, was sich in der Heimat des Prinzen zugetragen hat. Nach einem Patch wurden zwar einige Ausschnitte aus dem Film verwendet, als Nicht-Kingslaive-Gucker ist man leider trotzdem bemüht, Empathie für den offensichtlichen Schicksalsschlag zu empfinden.
Generell hat Final Fantasy 15 ein großes Problem damit, ausreichend Inhalt für dramatische Wendepunkte vorzubereiten. Allen voran Antagonisten und weiblichen Charakteren fehlt genug Zeit, um bestimmte Gefühle bei den Spielern zu hinterlassen. Plotlöcher, fehlende Charakterinteraktionen und plötzlich verschwindende Storylines frustrieren nicht nur, sie ziehen einige der besten Highlights des Spiels herunter. Hier hätte vielleicht ein längerer Prolog das nötige Fundament geboten. Die wahre Stärke von Final Fantasy 15 liegt deshalb bei der Charakterisierung von Noctis und seinen Freunden, auf die ich später zurückkomme.
Auf sie mit Gebrüll! Aber wo anfangen?
Weiterhin kontrovers bleibt auch das Kampfsystem von Final Fantasy 15. Auch wenn die Entwickler Framerate-Probleme und andere Glitches seit den Demos weitestgehend ausbügeln konnten, bleibt die Kernmechanik immer noch Geschmackssache. Für cool aussehende Moves müssen viel zu schnelle Kameraschwenker in Kauf genommen werden, die bei Kämpfen mit mehreren Gegnern echt nervig werden können. Dem Kampfsystem fehlt es aber nicht an Tiefe: Noctis kann on the fly Waffen wechseln, Combos in der Luft und am Boden ausführen und gemeinsam mit seinen Freunden kritische Partner-Combos zum Besten geben.
Vor allem in Einzelkämpfen kommt das Zusammenspiel zwischen Noctis und seinen Mitstreitern am besten zum Tragen. So kann Noctis einem Gegner schon einmal ein Horn oder ein anderes Körperteil abtrennen, was verdammt fett aussieht. Trotzdem – oder vielleicht gerade wegen dieser Vielfalt an Möglichkeiten – habe ich auch fünfzig Stunden später noch immer das Gefühl, das Kampfsystem nicht zu 100 Prozent verstanden zu haben. Final Fantasy 15 findet einfach keinen eleganten Weg, mir alle Kniffe und Tricks während des Abenteuers näherzubringen. Stattdessen muss ich meine Erfahrungen mit anderen Spielern austauschen – was zwar irgendwie cool, aber weniger zweckerfüllend ist.
Mein größtes Problem mit dem Kampfsystem bleibt das Anvisieren von Gegnern in hektischen Situationen, in denen mir die Kamera vorgibt, wen ich anvisieren darf. Zwar gibt es ein „Lock-On“-Feature wie in Dark Souls, stimmt aber der Kamerawinkel nicht, brauche ich mehrere Anläufe. Das ist frustrierend, wenn man Gegner in einer bestimmten Reihenfolge ausschalten möchte.
Eine Reise, die Spaß macht
Weit weniger Sorgen musst Du Dir über die offene Spielwelt von Final Fantasy 15 machen, denn die ist mit wenigen Ausnahmen durchweg gelungen. Gerade in den ersten 10 bis 20 Stunden wirst Du vollends mit Nebenaufgaben und Sammelaktionen dankbar beschäftigt sein. Hier warten unterschiedlichste Monster und versteckte Höhlen sowie abstaubbare Items darauf, von Dir entdeckt zu werden. Auch Wetterveränderungen und der Wechsel von Tag und Nacht sorgen für spannende Abwechslung in Eos.
Anders als andere Open-World-Spiele, fordert Dich Final Fantasy 15 dazu auf, es langsam angehen zu lassen. Dafür sorgen auch die unterschiedlichen Transportmittel. Hauptsächlich bist Du natürlich mit Deiner Karre, der Regalia, unterwegs, und da Du zu Beginn des Spiels nur begrenzte Schnellreisemöglichkeiten hast, bleibt Dir gar nichts anderes übrig, als jeden Winkel der Szenerie zu bestaunen.
Manchmal machen Dich auch Deine Team-Mitglieder auf Dinge in der Welt aufmerksam und bitten Dich auszusteigen, um einen näheren Blick zu riskieren. Das kommt oft unerwartet und motiviert, Eos bis ins letzte Detail zu erkunden. Später kannst Du auch die ikonischen Chocobos mieten, was sogar noch mehr Spaß macht und das Entdecken abgelegener Orte deutlich einfacher gestaltet.
Im letzten Drittel Deines Abenteuers musst Du Dich aber leider auf eine 180-Grad-Wendung im Level-Design gefasst machen. Später weicht die offene Spielwelt nämlich einer sehr linearen Struktur, um die Story schneller voranzutreiben. Das funktioniert stellenweise ganz gut, verliert ab einem bestimmten Zeitpunkt aber leider komplett an Fahrt – vor allem, weil ein frustrierender Dungeon das Spiel kurzweilig in ein komplett anderes Genre verabschiedet, was meines Erachtens leider überhaupt nicht funktioniert hat. Das große Finale kann dann zwar wieder punkten, ein bitterer Nachgeschmack bleibt aber trotzdem.
Allerdings solltest Du Dich nach dem Besiegen des letzten Bosses noch einmal in die offene Spielwelt wagen, um Dich neuen Monstern und Dungeons zu stellen, die während der Story nicht zugänglich waren. Dich erwarten teilweise ein paar richtig schöne Überraschungen, die zur erneuten Entdeckungsreise in Eos einladen.
Wahre Freunde
Am wenigsten hätte ich übrigens damit gerechnet, dass mir die eigentlich eher klischeehaften Hauptcharaktere von Final Fantasy 15 so ans Herz wachsen würden. Man merkt, wie nahe sich Noctis, Ignis, Gladiolus und Prompto stehen. Während ich die offene Spielwelt nach Erfahrungspunkten abgrase, gibt es ständig irgendeine Bemerkung von einem der Jungs. Was in anderen Spielen nervt, funktioniert bei Final Fantasy 15 ausnahmsweise richtig gut. Auch die Hobbies der einzelnen Charaktere gewähren tiefere Einblicke in ihre Gedankenwelt. Allen voran Promptos Ambitionen als Fotograf sorgen für einige der schönsten Momente im Spiel.
Während des gesamten Road Trips macht der Gute nämlich Schnappschüsse, die in Deinem Fotoalbum gespeichert und über soziale Netzwerke geteilt werden können. Nach mehreren Stunden in der Spielwelt sorgt es schon für ein melancholisches Gefühl, wenn man sich langsam dem Ende der Handlung nähert und noch mal abschließend durch die Fotos blättert.
Zwischendurch bitten Dich die Freunde auch um einen Gefallen, was dann in unterschiedliche Nebenaufgaben eskaliert, in denen Du Ignis vielleicht beim Kochen oder Gladiolus beim Trainieren helfen musst. Diese Momente sind es auch, die einige Abschnitte in der Hauptstory später so unfassbar emotional machen. Diese glaubwürdige Freundschaft, die in Final Fantasy 15 letztlich einen der stärksten Pluspunkte ausmacht, konnte mir in den letzten Zwischensequenzen den ein oder anderen Heulkrampf bescheren.
Mein Test-Fazit zu Final Fantasy XV
Konnte Final Fantasy 15 den Erwartungen standhalten? Natürlich nicht! Aber welches Spiel kann das schon nach zehn Jahren Entwicklungszeit von sich behaupten? Für mich ist Final Fantasy 15 trotz vieler Wenn und Abers jede Stunde des Kopfschüttelns wert. Ja, es gibt noch sehr viele Glitches, das Kampfsystem ist ziemlich überambitioniert und Nebenquests als Haupteinnahmequelle stören in der Story-Phase schon heftig. Trotzdem hat mich das Spiel in den richtigen Momenten berührt. Final Fantasy 15 bleibt für mich also vielleicht als trashigster, aber auch als einer der sympathischsten Ableger der Reihe in Erinnerung.
Final Fantasy 15 erschien am 29. November 2016 für PlayStation 4 und Xbox One. Die witzigsten Glitches zum Spiel haben wir für Dich in einem weiteren Artikel gesammelt.
Wertung
“Plotlöcher und Glitches nerven, aber das komplexe Kampfsystem ist cool und die Bromance zwischen Noctis und seiner Crew funktioniert. Einige Story-Wendungen konnten mir sogar Tränen entlocken. Final Fantasy 15 ist nicht perfekt, aber ein unfassbar sympathischer Mischmasch.”