Es hieß also: Marina, teste das Spiel bitte über die nächsten Tage. Nun ist ein wenig Zeit vergangen und ich bin schon recht weit gekommen: Meine Reise begann im Hinterzimmer eines dreckigen Bahnhofs, wo ich einen betrunken Freund vom Spieltisch gezerrt und mich selbst dazu gesetzt habe. Wie wär's mit einer Runde?, haben mich die unangenehm riechenden Männer am Tisch gefragt. Klar, habe ich geantwortet. Hier kommt also mein Test – über einen der besten 'Poker-Simulatoren‘, an dem ich mich je vergreifen durfte.
Wann kommst du dazu, Poker zu spielen? Oder Skat? Oder wenigstens Romée? In meiner Familie werden zu gewissen gemeinsamen Festen – wie Weihnachten – zumindest die Romeé-Karten auf den Tisch gelegt; wenn ich Glück habe gibt's eine Runde Skat. Habe ich Pech, kommt es nicht einmal zu MauMau. Ein Spiel, das ohnehin eher zu den einfacheren Varianten des Kartenspiels gehört und nicht wirklich herausfordernd ist.
Poker also. Aber niemand spielt mit mir Poker (ebenso wenig wie Schach, um das einmal anmerken zu dürfen). Niemand bis auf befremdliche Simulatoren-KIs, die stets mit mechanischer Stimme verlauten lassen, „Erhöhe. Auf zwei. Euro.“ Aha. Das Ganze sieht dann in etwa so aus:
Womöglich ist der Poker Simulator 2018 auf Steam sogar das bessere Poker (ziemlich sicher sogar), zumindest zur eigentlich recht abgespeckten Variante in Red Dead Redemption 2. Der Simulator bietet verschiedene Spiel-Modi, Turniere, Körpersprache und und und. Was nichts daran ändert, dass du typischerweise auf ein derartiges Gegenüber triffst:
Zumindest in Simulatoren. Und falls du lieber auf eine gänzlich kostenlose Variante ausweichst, stehen deine Karten recht gut für ein Spiel ohne NPCs. Nun ist Red Dead Redemption 2 weit entfernt von einem Free2Play-Titel, das weiß ich. Und dennoch habe ich mich einem echten Pokerspiel noch nie derart nahe gefühlt, wie im stinkigen Hinterzimmer eines Bahnhofs keine 5 Kilometer von Valentine entfernt.
Red Dead Redemption 2 bietet nicht das komplexeste Poker-System, das die Welt je gesehen hat. Aber nun – falls du deswegen verlierst, kannst du dein Gegenüber noch immer erschießen und ausrauben. Win-Win (außer für den NPC)! Aber Scherz beiseite: Es liegt natürlich an der Atmosphäre; an dem Gefühl, tatsächlich dort zu sein, in einem verrauchten Keller oder in einer dubiosen Bar, wo NPC-Spieler kommen und gehen, während du von abends bis morgens mit Arthur Morgan am Pokertisch sitzt und zockst.
Es ist kein neues Feature, denn schon in Red Dead Redemption konntest du Poker spielen, im Offline- sowie im Online-Modus (mit dem DLC Liars and Cheats); und du konntest betrügen – etwas, das ich in Red Dead Redemption 2 noch nicht entdeckt habe, aber ich bin weiterhin hoffnungsvoll. Während ein Spiel gegen reale Menschen verlockend ist, muss ich jedoch auch die verschiedenen Poker-Szenarien im Singleplayer-Modus verteidigen: Es gibt sogar eine Mission, in der du zu den Karten greifen darfst, und die ist nur die Spitze des Eisbergs.
Neben anderen Spielen wie Blackjack, Domino und Five Finger Fillet (fünf Finger & ein Messer) spielst du stets Texas Hold'em, die wohl berühmteste Variante von Poker. Und dem Spiel frönen kannst du über die gesamte Map verteilt in verschiedenen Städten: Mit niedrigeren Einsätze in Gegenden wie Valentine (oder dem Hinterzimmer, in welchem meine Karriere begonnen hat), und mit höheren Geldbeträgen in Städten wie Saint Denis. Auch die Gegenüber am Tisch werden pfiffiger: Während ich die Taschen der Trunkenbolde schon recht leicht leeren kann, sind die Poker-Meister in gewissen Etablissements lange nicht so einfach zu besiegen.
Damit wir es hinter uns haben: Red Dead Redemption 2 ist ein gutes Spiel. Aber warum? Vielleicht, weil es uns vergessen lässt, dass es überhaupt ein Spiel ist. In meinem Artikel rede ich über die kleinen Dinge, die Red Dead Redemption 2 so besonders machen.
Und ich habe gegen viele von ihnen gespielt. Habe geplufft, Vorsicht walten lassen; habe gewonnen und allzu oft verloren – denn in Red Dead Redemption 2 trittst du nicht gegen austauschbare KIs mit Cowboy-Skin an, sondern gegen Charaktere: Diejenigen etwa, die stets mitgehen oder risikofreudig bluffen. Diejenige, denen kein Blatt gut genug ist, die das Spiel verlassen, sobald jemand mehr als den üblichen Einsatz in die Mitte wirft. Und diejenigen natürlich, die ständig ein gutes oder wenigstens akzeptables Blatt in der Hand halten, als hätten sie das Poker-Glück mit dem Löffel zum Frühstück gegessen.
Gibt jemand seinen letzten Penny im Spiel aus, ärgert er sich sichtlich, steht auf und macht Platz für den nächsten. Im Laufe einer Poker-Nacht – die viel zu schnell vergeht – kann sich dabei die gesamte Runde ändern, vorausgesetzt du schafft es, allen die Chips zu klauen (auf völlig legalem Weg natürlich). Ich habe es bereits gesagt: Poker in Red Dead Redemptions 2 ist nicht besonders komplex. Aber die Welt darum ist es; die NPCs sind es und du bist es schließlich auch – Arthur Morgan, der einmal mehr die letzte Nacht durchgezecht hat, und in den frühen Morgenstunden zurück ins Camp reitet, um zu schlafen.
Der Teufel liegt im Detail – und er kann recht gruselig sein:
Ich habe nie immersivere Poker-Runden gespielt; ich hatte nie derart große Lust darauf, die eine Runde mit einer weiteren zu beenden und Minute um Stunde in ein Minispiel zu stecken. Es ist ein derart winziges Detail in dieser seltsamen Welt des Wilden Westens, aber sind es nicht gerade die kleinen Dinge, die Großes schaffen? Vielleicht ist es genau dieser Aspekt, der Red Dead Redemption 2 von anderen Spielen im Genre abhebt.