Sanfte Klänge untermalen die Winterlandschaft; tanzende Schneeflocken und eine braun-weiße Eule gleiten durch die Lüfte. Ihr Blick streift das vereiste Boot; im Schnee begraben und darin eine Frau, Kate Wa — Hier bricht die deutsche Sprachausgabe leider ab.
Du bist im Stress und hast keine Zeit den ganzen Text zu lesen? Unten gibt es ein Fazit.
Dunkle, schmutzige Kammern; gefolterte, einbeinige Jungen; Menschen, die Dich anschreien, wenn Du nicht sprichst und endlose, endlose Straße und Gassen, aus denen Du niemals entkommen wirst: Syberia 3 beobachtet Dich aus dem Schatten eines Grafikfehlers und wird genau dann mit dem Ladebalken auf Dich einschlagen, wenn Du es am wenigsten erwartest. Ein Spiel, das selbst die härtesten Adventure-Veteranen auf die Probe stellt.
Es hätte gut werden können
Du kennst das: Wenn Du Dir Popcorn in der Mikrowelle machen möchtest, die kleinen, leckeren Körner mitsamt Alufolie in den Kasten schiebst, ihn einschaltest und alles explodiert? Das ist nämlich mit Syberia 3 geschehen. Im Sequel zur Adventure-Reihe wird die Geschichte von Kate Walker fortgesetzt — und die Story, welche erzählt wird, ist noch das Beste am Spiel.
Melancholische Klänge begleiten Dich durch eine schneeweiße Winterlandschaft; nackte, vereiste Äste greifen gen Himmel, während Du einer Eule durch die Lüfte folgst. Ein zertrümmertes Boot ragt aus dem Boden und darin Du, mehr tot als lebendig. Doch Hilfe naht: In gemächlichem Trott marschieren die Strauße einer Youkol-Karawane in Deine Richtung, ehe die dicklichen, kleinen Männer und Frauen Dich entdecken und aufnehmen. Sie werden Dir das Leben retten und Dich dann in ein Sanatorium bringen, in welchem Dein Abenteuer startet.
Du schlüpfst in die Haut von Kate Walker, der Anwältin, welche auch den ersten zwei Teilen der Reihe Leben eingehaucht hat. Kate macht es sich zur Aufgabe, den Inuit-ähnlichen Youkol bei ihrer Reise zur Brutstätte der Schnee-Strauße zu helfen. Dabei wird ihre Geschichte fortgesetzt, obwohl es nach dem gelungenen Ende in Syberia 2 nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Aber gut — Du wachst also im Sanatorium auf …
Mein Kopf brummt, als ich die Augen aufschlage. Ein tiefer Riss zieht sich durch die Decke über mir; ich wende den Kopf und sehe einen einbeinigen, dicken Jungen, festgeschnallt auf einer Liege. Meine Brust zieht sich ängstlich zusammen, während ich aufstehe; überall blättert die Farbe von den Wänden und ein trauriges Tröpfeln dringt durch den Raum...
Wo bin ich?
Hallo, Kate Walker.
Erschrocken drehe ich mich zu dem Jungen: Wie konnte er sprechen, ohne einen einzigen Ton von sich zu geben? H-Hallo… frage ich verwirrt. Und er beginnt zu reden, er hat eine Stimme! Erleichtert höre ich ihm zu, doch Seltsames geht vor sich: Immer wieder bricht der junge Mann mitten im Satz ab und zu allem Überfluss erschreckt er mich mit unfreundlichen, lauten Ermahnung, falls ich zu lange über meine Worte nachdenke.
Wo bin ich nur gelandet?
Ja, wo ist Kate Walker da nur gelandet? Es hätte doch gut werden können.
Wäre da nicht
Die unsägliche deutsche Sprachausgabe. Wie bereits angedeutet wartet Syberia 3 mit einer so grauenhaften deutschen Synchronisation auf, dass sich der geneigte Abenteurer am liebsten die Ohren vom Kopf reißen möchte. Sätze brechen mittendrin ab und übersteuerte Forderungen nach einer Antwort versetzen Dich in Alarmbereitschaft, solltest Du drei Sekunden länger im Gespräch nachdenken wollen. Aber keine Angst: Die Dialoge sind ohnehin wenig anspruchsvoll, weswegen das nicht sehr oft vorkommen wird.
Wäre da nicht
Der Ladebalken. Obwohl ich das Spiel mit der PS4 Pro testen durfte, lädt es … sehr ... oft … und … sehr … lange. Der Ladebildschirm wird zu Deinem besten Freund: Nicht nur zu Beginn Deines Abenteuers darfst Du über einen längeren Zeitraum intime Blicke mit ihm wechseln, nein, auch während des Spiels kommt er immer wieder aufgepoppt, um Dir Hallo zu sagen. Dabei gibt das Adventure Dir die Möglichkeit, Deine Beziehung zu ihm auszubauen — nach und nach erscheint er nämlich immer öfter, sodass sich sein Antlitz in Dein Gedächtnis brennt.
Hier ein Vorgeschmack:
Wäre da nicht
Die Grafik. Beinahe möchte der Spieler meinen, Syberia 3 wäre aus nostalgischen Gründen den Vorgängern angepasst worden. Im Game wirst Du sofort 15 Jahre in die Vergangenheit versetzt, denn grafische Ausgestaltung und Steuerung fühlen sich verdächtig nach 2002 an. Der Charme des Retro-Gameplays geht aber leider verloren, sobald Dich das Grafik-Monster angreift:
Du bewegst Kate Walker in alter Adventure-Manier, indem Du sie mit Pfeiltasten oder Stick durch den Raum manövrierst. Die Steuerung entwickelt sich zum Minigame, sobald die Kameraperspektiven plötzlich wechseln und Dich erfolgreich verwirren. Wirst Du den richtigen Weg durch das irre Grafik-Labyrinth finden?
Was bleibt?
Syberia 3 mag technisch eine Katastrophe sein, doch es gibt auch schöne Momente. Schade nur, dass diese leider im Frust über Ladezeiten, Dialoge und grafische Unzulänglichkeiten untergehen.
Die musikalische Kulisse von Inon Zur trägt einen Großteil der düsteren Atmosphäre und lässt Dich mühelos in die Story eintauchen. Dazu begeistert die Geschichte um Kate Walker und es macht Spaß, die nicht allzu kniffligen Logikrätsel im Spiel zu entschlüsseln. Auch ein Pluspunkt: Während die grafische Umgebung veraltet ist, haben Gesichter und manche Räume doch einen gewissen fantastischen Charme, was das Spiel dem belgischen Comiczeichner Benoît Sokal zu verdanken hat.
Syberia 3 - Geeignet für:
Willensstarke Fans der Reihe, die sich nicht so leicht aus der Fassung bringen lassen. Gelangweilte Adventurer, die bereits jedes andere Spiel des Genres durchgespielt haben und einen neuen Titel brauchen. Trash-Liebhaber.
Wertung
“Syberia 3 überrascht nach 13 Jahren Entwicklung mit einer katastrophalen Grafik, endlosen Ladezeiten und einer Synchronisation, die Dich das Fürchten lehrt. Ein unterdurchschnittliches Adventure, das selbst Fans der Serie enttäuschen dürfte.”