Amazon hat mit dem Kindle Scribe den bisher größten und vielseitigsten seiner erfolgreichen E-Reader präsentiert. Entscheidend beim Scribe ist vor allem der Stift, mit dem ihr handschriftlich in euren Dokumenten arbeiten könnt. Aber braucht der Kindle das? Nach mehreren Monaten mit dem Scribe kann ich die Frage für mich jetzt klar beantworten.
16 Wochen mit dem Kindle Scribe: Der Riese unter den E‑Readern
Amazons Kindle Scribe ist seit Ende vorigen Jahres auf dem Markt: Einerseits ein Kindle wie jeder andere, könnt ihr darauf E-Books und Dokumente in Hülle und Fülle speichern und lesen. Dafür sorgen Speichervarianten mit 16, 32 oder 64 GB. Andererseits soll sich der Scribe durch die handschriftliche Eingabe und seine Größe von der Reihe absetzen. In meinem Erfahrungsbericht verrate ich euch, wie sich Amazons neuer E-Reader im Alltag macht.
Der erste Eindruck beim Kindle Sribe fällt positiv und wertig aus. Im Gegensatz zu manchen der deutlich kleineren Versionen hat man sofort das Gefühl, ein Qualitätsprodukt in Händen zu halten. Doch das kommt auch mit einem kleinen Nachteil: Für ein Mobilgerät hat der Scribe ein stolzes Gewicht von 433 Gramm. Als Arbeitsgerät kein Problem, aber zum Lesen unterwegs kann der große Kindle mit der Zeit schwer werden.
Das trifft natürlich nur im Vergleich zu anderen E-Readern zu: Mit 158 Gramm ist der 2022er Kindle nicht einmal halb so schwer. Ein aktuelles iPad Pro hingegen kommt fast aufs gleiche Gewicht – das kann aber auch deutlich mehr, doch dazu kommen wir später. Manch einem gebundenen Wälzer gegenüber schneidet auch der größere Kindle auf der Waage gut ab.
Und schließlich hat die Größe auch unbestreitbare Vorteile. Ihr könnt etwa mit Dokumenten im A4-Format arbeiten, ohne euch ständig mit dem Zoom rumärgern zu müssen. Wer den Kindle Scribe vor allem als Arbeitsgerät nutzen will, wird sich über diese Größe freuen. Aber auch als privater Leser passt viel mehr Text auf eine Seite – oder ihr könnt größere Schriftarten wählen, ohne andauernd blättern zu müssen.
Apropos blättern: Die Touch-Funktion ist im Vergleich zu meinem mehrere Jahre alten Kindle viel präziser geworden. Das moderne 10,2-Zoll-Paperwhite-Panel zahlt sich hier aus. Die Bedienung ist reaktiver, wodurch der Kindle Scribe bei der Nutzung einfach mehr Spaß macht als alle Modelle, die ich bisher genutzt habe.
Schreiben auf dem Kindle: Amazons größter Pluspunkt, eine nette Kleinigkeit
Einerseits ist das einfach ein netter Bonus und fühlt sich gut an. Andererseits muss das Display des Scribe gut auf Eingaben reagieren. Sonst ist das Hauptmerkmal des E-Readers passé: Die Schreibfunktion.
Denn der Name ist beim Kindle Scribe Programm: Ihr könnt mit dem beiliegenden Stift, der keinen Strom benötigt, Textstellen markieren und so Wichtiges herausstellen. Oder ihr erstellt handschriftliche Notizen, sowohl in Büchern oder anderen Dokumenten als auch im zusätzlichen Notizbereich:
Wer schon einmal versucht hat, eine andere Kindle-Version als Arbeitsgerät zu nutzen, wird diese neuen Freiheiten sehr zu schätzen wissen. Ich selbst habe während meiner Uni-Zeit hin und wieder PDF-Dateien auf den Kindle gezogen, um sie darüber zu lesen und Druckerpapier zu sparen. Da musste dann aber immer der Notizblock extra dabei sein, sonst konnte ich mir die Mühe gleich sparen. Dieses Problem behebt der Kindle Scribe tatsächlich. Dass das viele Kunden betrifft, bezweifele ich aber.
Einkaufslisten, To-Dos oder was ihr euch auch immer aufschreiben wollt, lassen sich außerdem als PDF speichern und exportieren, sodass ihr – einigermaßen – nahtlos damit auf euren anderen Geräten weiterarbeiten könnt. Amazon bietet außerdem einen Premium-Stift zum Kinde Scribe an, der mit einer programmierbaren Funktionstaste ausgestattet ist. Den konnte ich allerdings nicht testen.
Mit Kindle Unlimited habt ihr Zugriff auf jede Menge E-Books:
Mit dem jüngsten Update hat Amazon inzwischen mehr Varianten für die Schreibfunktion nachgeliefert. Neben Kugelschreiber und Textmarker könnt ihr jetzt auch zwischen Füllfederhalter und Bleistift wählen. Letzterer reagiert auf Druckstärke und den Winkel, in dem ihr den Stift aufsetzt. Damit ergeben sich noch einmal viel mehr Nutzungsszenarien: Ihr könntet etwa schöne handschriftliche Briefe digital erstellen und anschließend als PDF verschicken. Oder nutzt den Kindle Sribe für eure Skizzen unterwegs, wenn ihr künstlerische Ambitionen verfolgt.
Akku und Preis: Amazon hält Versprechen – und lässt sich das was kosten
Der Einsatz unterwegs ist aber wie oben bereits erwähnt einerseits durch das hohe Gewicht und die größeren Maße meiner Ansicht nach etwas eingeschränkt. Der Akku gibt dafür jede Menge Nutzungszeit her, ohne dass ihr euch Sorgen um die nächste Steckdose machen müsst. Nach gut 16 Wochen mit dem Kindle Scribe musste ich ihn noch kein zweites Mal aufladen. Amazons Angabe von mindestens 12 Wochen Laufzeit, je nach täglicher Nutzungsdauer, passt also.
Für einen E-Book-Reader bietet der Kindle Scribe damit eine Menge unterschiedlicher Funktionen und praktische Erweiterungen – innerhalb seiner Klasse ein Alleinstellungsmerkmal. Doch dafür müsst ihr auch tiefer in die Tasche greifen als bei anderen Kindle-Versionen. Mit 16 GB Speicher und Standard-Stift erhaltet ihr den Kindle für ab 369,99 Euro (bei Amazon ansehen). Für die Vollausstattung ruft Amazon sogar stolze 449,99 Euro UVP auf – das muss man wollen. Die Preise sind seit Markteinführung bereits deutlich gefallen.
Fazit: Scribe bleibt ein Kindle, mit allen Vorteilen – aber auch Nachteilen
Aber selbst neben einem günstigen Einsteigertablet bleibt der Scribe zurück. Zwar findet ihr einen Web-Browser, über den ihr etwa schnell mal etwas bei Google nachprüfen könnt. Aber um E-Mails zu checken, fürs Online-Shopping abseits von Amazons Bücherangebot oder um mal ein Video anzusehen – für all das ist der Kindle nicht ausgelegt. Bewusst, natürlich.
Amazon will den Scribe als Arbeitsgerät präsentieren. So lässt sich alles, was der Kindle nicht kann, auch positiv verpacken: „Ohne Ablenkungen lesen oder arbeiten – E-Mails, Textnachrichten oder soziale Medien sind auf Kindle Scribe nicht verfügbar“, so heißt es bei Amazon.
Für mich erfüllt der Kindle damit nur einen extrem eingeschränkten Zweck. Der E-Reader reizt zwar die Grenzen seiner Geräteklasse aus, bleibt aber trotzdem ein E-Reader. Wer mehr will oder einfach – wie ich – für den Kindle Scribe keinen echten Einsatzzweck sieht, ist mit einem Tablet besser beraten.