Es gab in der letzten Dekade eine Menge an Zombie-Koop-Shootern, dennoch blicken Genre-Fans auf Back 4 Blood mit anderen Augen. Der geistige Nachfolger von Left 4 Dead ist in vielen Punkten eine gelungene Weiterentwicklung, doch lässt eine Zutat vermissen, die L4D zum Kult machte.
Wenn ihr jetzt einen Blick auf die Spielerzahlen von Left 4 Dead 2 werft, werdet ihr vermutlich feststellen, dass noch immer über 10.000 Leute dieses zwölf Jahre alte Koop-Spiel zocken. Tatsächlich sind das weniger als sonst, viele spielen wahrscheinlich gerade Back 4 Blood.
Turtle Rock Studios kommt nicht zuletzt durch die Wahl des Namens Back 4 Blood kaum am Vergleich mit Left 4 Dead vorbei (und natürlich, weil sie auch die L4D-Reihe entwickelt haben). Back 4 Blood nimmt die Zombie-Horden, die fiesen Mutationen und die Director-AI aus L4D, packt diese in einen modernen Koop-Shooter und kombiniert das Ganze mit einem Deck-System für mehr Spieltiefe und ein motivierendes Fortschrittssystem.
Ehrliches Zombie-Killer-Handwerk
Die Grundidee von Left 4 Dead wurde für die Kampagne von Back 4 Blood nicht verändert. Vier Spieler und Spielerinnen (in Back 4 Blood Cleaner genannt) kämpfen sich durch in Akte aufgeteilte Missionen von Saferoom zu Saferoom. Neben den Horden an Standard-Zombies (in Back 4 Blood heißen sie Infizierte) werfen sich euch dabei noch besondere Mutationen entgegen. Tallboys sind beispielsweise große Mutationen, die euch mit einem langen Arm im Nahkampf zusetzen oder die Hockers, die euch mit einer klebrigen Substanz an Ort und Stelle fesseln.
Um den Untoten Einhalt zu gebieten, steht euch ein großes Arsenal an Waffen und Ausrüstung zur Verfügung. Die Waffen besitzen verschiedene Seltenheitsstufen und können mit diversen Aufsätzen verbessert werden. Waffen und Ausrüstung findet ihr auf den Maps oder kauft sie für die Ingame-Währung Kupfer in den Shops in jedem Saferoom. Dort könnt ihr außerdem Aufwertungen und Boni für das ganze Team kaufen. Für 1.500 Kupfer bekommt zum Beispiel das gesamte Team zehn Prozent mehr Gesundheit, oder ihr wertet alle offensiven Ausrüstungsgegenstände um eine Stufe auf.
Absolutes Highlight: Das Deck-System
Vor jeder Mission dürft ihr aus selbst erstellten Decks eine zufällige Karte ziehen. Diese Karten gewähren unterschiedliche Vorteile. Sie erhöhen Dinge wie Gesundheit, Ausdauer, den Schaden mit bestimmten Waffentypen oder verändern Fähigkeiten wie den normalen Nahkampfschlag und ersetzen ihn durch einen Messerangriff. Besonders gute Karten haben aber auch ihre Nachteile, so gewährt die Karte „Munitionsträger“ zum Beispiel einen Bonus von 75 Prozent auf eure Munitionskapazität, deaktiviert aber gleichzeitig den Slot für Ausrüstung wie Medikits oder Verbände.
Die Decks ermöglichen es, eigene Klassen zu erstellen. Allerdings müsst ihr die Karten zunächst freischalten, indem ihr Versorgungspunkte für den Abschluss von Koop- oder PvP-Partien verdient und diese dann in neue Karten investiert. Die Decks bieten viel Spielraum, um herumzuexperimentieren und unterschiedliche Spielstile zu kreieren. Für den höchsten Schwierigkeitsgrad „Albtraum“ sind effektive Decks und gut abgestimmte Teams ein Muss.
Nicht ihr, sondern auch die Zombies ziehen vor jeder Mission Karten und verändern dadurch immer ein wenig den Durchlauf. Diese geben dann eine optionale Aufgabe, erhöhen das Aufkommen bestimmter Mutationen oder tauchen das Level in dichten Nebel.
Heiter bis wolkig: Die Atmosphäre stimmt
Die einzelnen Missionen bieten ein breites Spektrum an Stimmungen. Während ihr noch an einer Stelle über einen nebligen Friedhof schleicht und auf jedes kleine Geräusch achtet, watet ihr anderer Stelle durch Blut und Gedärme in einer Bar, während laute Musik aus einer Jukebox dröhnt und noch mehr Zombies anlockt.
Die Charaktere tragen ebenfalls ihren Teil zur Atmosphäre bei. Sie bringen neben eigenen spezifischen Boni auch ihre Persönlichkeit mit ins Spiel und haben den einen oder anderen lustigen Spruch parat und reagieren auf das Verhalten der anderen Spieler. Es macht Spaß, ihnen bei ihren Sticheleien zuzuhören.
Das erste große Aber: Die Solo-Kampagne
Grundsätzlich ist Back 4 Blood natürlich als Multiplayer-Spiel ausgelegt, doch die Kampagne lässt sich auch im Solo-Modus, also mit Bots spielen. Leider können Solo-Spieler keine Vorratspunkte verdienen und werden so eines echt motivierenden Fortschrittssystems beraubt. Es gibt zwar gesonderte Decks für den Solo-Modus, für die alle Karten frei verfügbar sind, doch sollten die Entwickler noch mal überdenken, ob es sinnvoll ist, Solo-Spieler komplett davon auszuschließen, irgendwelchen Fortschritt zu machen und Karten sowie Cosmetics freizuschalten.
Das zweite große Aber: Der Schwarm-Modus
An dieser Stelle wird das Left-4-Dead-Vermächtnis zum Problem. Ein nicht gerade unwichtiger Grund für den Kult-Status von Left 4 Dead ist der Versus-Modus. In diesem PvP-Modus übernehmen echte Spieler und Spielerinnen die Rolle von speziellen Zombies und bekämpfen ein Koop-Team während dieses die Kampagne spielt.
Diesen Modus gibt es in Back 4 Blood nicht. Stattdessen gibt es den Schwarm-Modus, bei dem ein Team aus Cleanern gegen ein Team aus Mutationen spielt. Die Cleaner versuchen auf einer immer kleiner werdenden Map so lange wie möglich gegen die Mutationen zu überleben, danach werden die Seiten gewechselt. Nach drei Runden gewinnt das Team, das am längsten überleben konnte. Der Schwarm-Modus besitzt auch wieder eigene Karten und Decks. Das wird den L4D-Fans nicht reichen.
Back 4 Blood: Test-Fazit
Falls ihr Fans von Left 4 Dead oder grundsätzlich von Zombie-Koop-Geballer seid, werdet ihr mit Back 4 Blood euren Spaß haben. Das Missionsdesign ist abwechslungsreich und die Maps hüten das eine oder andere Geheimnis. Back 4 Blood ist ein moderner Shooter und hat ein langsameres Tempo als Left 4 Dead, dadurch kommen aber andere Neuerungen besser zur Geltung.
Das Lootsystem in Kombination mit den Kartendecks ist für mich ein absolutes Highlight. Für jeden Waffentyp kann ich ein Deck bauen und es ergeben sich stark unterschiedliche Spielstile durch die Karten. Ich muss die Karten aber erst mal freischalten, was für mich zu einer treibenden Motivation wurde und letztendlich den Wiederspielwert steigert. Es war eine pure Freude, mir ein Deck für den Nahkampf mit jeder Menge Bonus-Heilung und Lebensdiebstahl zu bauen und dann festzustellen, dass ich tatsächlich problemlos durch die Zombiehorden rennen konnte. Und das nur mit einem Baseballschläger.
Die Schwierigkeitsgrade könnten meiner Meinung nach noch etwas Balancing vertragen. Während „Rekrut“ auf Tutorial-Niveau bleibt, ist „Albtraum“ genau das und mit unorganisierten Gruppen kaum zu schaffen. Doch immerhin bietet Back 4 Blood eine echte Herausforderung und die Feinheiten bei der Team- und Deckzusammenstellung kommen dann erst richtig zur Geltung.
Die von mir getestete PC-Version hatte zwar ein paar kleinere Stotterer, lief aber sonst ohne Probleme. Insgesamt macht Back 4 Blood optisch durchaus was her. Ein kleines und vielleicht sehr persönliches Highlight möchte ich noch hervorheben und das ist Fort Hope. Bei Fort Hope handelt es sich um einen Social-Hub, an dem sich Gruppenmitglieder treffen können. Dort gibt es unter anderem einen Schießstand, der Waffen und Aufsätze zum Testen bereithält. PvP ist in diesem Areal aktiv und ein kleines Sniper-Duell, während die Gruppe auf den vierten Cleaner wartet, ist ein lustiger Zeitvertreib.
Warum Turtle Rock Studios Solo-Spielern den Fortschritt verwehrt, kann ich nicht nachvollziehen. Das sollte so schnell wie möglich geändert werden, denn es gibt schlicht keinen Grund dafür. Die für mich größere Enttäuschung ist allerdings der PvP-Modus. Zwar ist „Schwarm“ bei Weitem kein Desaster, der Modus verliert aber nach kurzer Zeit seinen Reiz. Außerdem ist er absolut kein Ersatz für den Versus-Modus. Zum Glück kann die Koop-Kampagne vollends überzeugen. Die „Modernisierung“ und die frischen Ideen haben der Reihe extrem gut getan.
Back 4 Blood erscheint am 12. Oktober 2021 für PS5, PS4, Xbox Series X|S, Xbox One und PC. Das Spiel unterstützt Crossplay und soll in Zukunft noch mit drei DLCs erweitert werden.
Wertung
“Back 4 Blood drückt mit seiner Koop-Kampagne genau die richtigen Knöpfe und ist dank moderner Shooter-Elemente und dem Decksystem die richtige Weiterentwicklung der Left-4-Dead-Reihe. Bei einigen Dingen sollte noch nachgebessert werden, einzig der fehlende Versus-Modus wird schwer auf den infizierten Herzen der Fans lasten.”