14 Jahre nach Teil 2 kehrt die Kult-Reihe mit Desperados 3 zurück. Entwickelt wurde das Spiel diesmal von Mimimi, die mit dem fantastischen Shadow Tactics: Blades of the Shogun das verloren geglaubte Genre der Echtzeit-Taktik aus der Versenkung geholt haben. Wir klären im Test, warum Desperados 3 den bisherigen Höhepunkt des Genres darstellt.
Was ist Desperados 3?
Alles begann 1998 mit der Veröffentlichung von Commandos: Hinter feindlichen Linien. Das Genre der Echtzeit-Taktik war geboren. Nach einigen Erfolgen, darunter Desperados, welches das Commandos-Spielprinzip in ein Western-Setting verlagerte, verschwand das Genre jedoch ab 2006 wieder in der Versenkung.
Die glorreiche Wiedergeburt gelang 10 Jahre später durch das deutsche Studio Mimimi, das dem Genre durch das fantastische Shadow Tactics: Blades of the Shogun neues Leben einhauchen konnte. Also kam zusammen was zusammen gehört und Mimimi durfte den offiziellen dritten Serienteil entwickeln. In diesem seid ihr mit bis zu fünf Teammitgliedern in den amerikanischen Südstaaten unterwegs und weicht in gewohnter Genre-Tradition gegnerischen Sichtkegeln aus, schleicht euch an Patrouillen vorbei, lenkt feindliche Wachen ab und rätselt euch so quer durch 16 Missionen.
Test-Fazit zu Desperados 3
Es darf darüber gestritten werden, ob bereits Shadow Tactics: Blades of the Shogun den Klassiker Commandos 2: Men of Courage vom Genre-Thron gestoßen hat oder sich diesen zumindest teilen konnte. Nun besteht aber kein Zweifel mehr: Desperados 3 hat sich endgültig die Krone der Echtzeit-Taktik gesichert.
Das Spiel erreicht nicht nur abermals die Qualität von Shadow Tactics: Blades of the Shogun sondern erweitert das Genre um sinnvolle Detailverbesserungen, die für Komfort und Innovation sorgen, ohne den taktischen Kern zu verwässern.
So könnt ihr unter anderem gemeisterte Missionen im Replay analysieren, die Routen von Patrouillen dank Vorspulfunktion noch effizienter auswerten und euch obendrein an einzigartigen Bonus-Missionen messen, die das vertraue Spielprinzip mitunter gründlich auf den Kopf stellen.
Das sind die Stärken von Desperados 3:
- Perfektes Missions-Design, jede Wache, jedes Hindernis und jede Deckung wurde überlegt platziert, nichts wirkt zufällig.
- Abwechslungsreicher Mix aus unterschiedlichen Team-Konstellationen, Tageszeiten und Wetterbedingungen. Jede Mission spielt sich einzigartig.
- Unterschiedliche Lösungswege, Bonus-Missionen und optionale Trophäen bieten ausreichend Wiederspielwert.
- Intuitive, zugängliche Bedienung durch die trotzdem keinerlei Komplexität eingebüßt wird.
Das sind die Schwächen von Desperados 3:
- Profis kommen trotz Desperado-Schwierigkeitsgrad erst in den Bonus-Missionen wirklich ins Schwitzen.
- Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf.
Die Story: Muss ich die Vorgänger gespielt haben?
Knapp 20 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Desperados kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle mit dem Original vertraut sind. Glücklicherweise ist das auch nicht notwendig, denn obwohl der neue Serienteil die Nummer 3 im Titel trägt, erzählt dieser in Wahrheit die Vorgeschichte von Desperados.
Alteingesessene können also endlich erfahren, wie sich John Cooper, Dr. McCoy und Kate O'Hara ursprünglich kennengelernt haben, während Neueinsteiger*innen dem insgesamt fünfköpfigen Team nach und nach vorgestellt werden. Neu mit dabei sind der Axt schwingende Hector und Voodoo-Talent Isabelle.
Zwar gewinnt die Geschichte von Desperados 3 keinen Innovationspreis, als roter Faden zwischen den Missionen taugt die Erzählung rund um Rache, Profit und Verrat aber allemal. Besonders gut funktioniert hingegen das Verhältnis der Charaktere untereinander, deren Chemie nicht nur in den Zwischensequenzen stimmt, sondern die auch im Laufe der Missionen immer wieder mit mal launischen, mal witzigen Kommentaren punkten.
Das Gameplay: So schön wie am ersten Tag
Im Kern schnurrt auch in Desperaods 3 noch immer der bewährte Gameplay-Motor, der bereits Commandos: Hinter Feindlichen Linien vor über 20 Jahrne zum Meisterwerk gemacht hat. Statt also primär auf neue Features und Innovationen zu setzen, die das Spielprinzip im schlimmsten Fall nur unnötig verkomplizieren, setzt Desperados 3 stattdessen auf die konsequente Fokussierung der bewährten Systeme.
So bietet das Spiel die komplette taktische Bandbreite, die vom Genre erwartet wird, bricht die dafür nötigen Spielelemente und die Bedienung aber auf ein Minimum herunter. Statt fummeliger Inventarverwaltung wie etwa in Commandos 2: Men of Courage hat jedes Teammitglied in Desperados 3 genau fünf Waffen beziehungsweise Fähigkeiten, die alle nach dem selben, logischen System belegt sind. So ist etwa Aktion 1 immer ein Nahkampfangriff oder Aktion 3 stets eine Ablenkungsfunktion.
Das klingt zunächst trivial, ich betone das aber gerade deshalb so explizit, da die Anfang des Jahres erschienene HD-Neuauflage von Commandos 2: Men of Courage auf derartige Interface-Entschlackungen komplett verzichtete und stattdessen,nahezu jeder einzelnen Taste auf der Tastatur eine Funktion zugewiesen wurde, genau wie im Jahre 2000. Desperados 3 hingegen erreicht den gleichen Grad an Komplexität und taktischer Tiefe mit den Tasten A, S, D, F, G, STRG, der Leertaste und der Maus.
Dazu kommen allerhand kleine Komfort-Features, die zusätzliche Klicks ersparen. Bei gleichzeitigem Druck auf STRG und der Nahkampftaste werden beispielsweise besiegte Gegner*innen automatisch gefesselt beziehungsweise geschultert, was in 99 Prozent der Fälle ohnehin genau die Aktion ist, die ich als nächstes hätte durchführen wollen.
Die gleichen Tugenden gelten auch für das Gegnerdesign. Die drei elementaren Gegnertypen Schütze, Poncho und Long Coat lassen sich auf den ersten Blick voneinander unterscheiden und folgen klar etablierten Regeln. So verlassen etwa Ponchos nicht ihre Posten, womit sie praktisch immun gegen McCoys verlockenden Arztkoffer sind, während Long Coats zunächst betäubt werden müssen, bis sie überwältigt werden können und zudem Kates Verkleidung durchschauen.
Obwohl auch Desperados 3 im Kern ein Trial & Error-Spiel ist – und aus diesem Spielstil dank ständiger Schnellspeicher-Erinnerung auch kein Geheimnis macht – lassen sich Situationen logisch analysieren und planen, da sich die Gegner*innen stets nachvollziehbar verhalten.
Die Neuerungen: Spiel's noch einmal, Cooper
Obwohl Desperados 3 den Genre-Konventionen der Echtzeit-Taktik treu bleibt, dürft ihr euch trotzdem über ein paar gelungene Neuerungen freuen. Die wohl größte Innovation ist Isabelle Moreau als fünftes Teammitglied. Während Cooper, McCoy, Hector und Kate den bekannten Archetypen Allrounder, Scharfschütze, Schwergewicht und Spionin folgen, bietet Isabelle vollkommen neuartige Interaktionsmöglichkeiten.
Ihre wohl mächtigste Fähigkeit ist die Gedankenkontrolle, mit der sie Gegner*innen gegen den eigenen Willen agieren lassen kann. Damit das Spiel dadurch nicht zu leicht wird, zahlt ihr davor jedoch einen hohen Preis in Form eurer eigenen Lebensenergie. Ebenso nützlich ist das Verbinden mehrerer Charaktere. Was der einen Person geschieht, widerfährt auch der anderen. Das eröffnet selbst Profis vollkommen neue, taktische Möglichkeiten.
Weiterhin erhaltet ihr im Spielverlauf mehrere optionale Bonusmissionen, die euch in bereits absolvierte Level zurückschicken, deren Regeln aber auf den Kopf stellen. So haben sich nicht nur die Missionsziele geändert, sondern es gelten auch zusätzliche Einschränkungen oder Vorgaben. In einer Bonusmission gilt es etwa mehrere Zielpersonen auszuschalten, allerdings wurden sämtliche offensiven Fähigkeiten aus dem Repertoire der Figuren entfernt. Ihr seid also ausschließlich auf Schleichen, Ablenkung und geschicktes Timing angewiesen.
Zum Release sind vier solcher Missionen verfügbar, allerdings hat Mimimi bereits bekannt gegeben, dass jedes einzelne der insgesamt 16 Level nachträglich durch eine Bonusmission im Form von kostenlosen Updates bereichert werden soll. Ein fantastischer Grund, regelmäßig zu Desperados 3 zurückzukehren.
Wertung
“Die Echtzeit-Taktik hat mit Desperados 3 nicht nur ein neues Meisterwerk, sondern den bisher besten Vertreter des Genres gewonnen.”