An Dragon’s Dogma 2 werden sich die Geister scheiden. Manche werden das Spiel aufgrund einiger archaischer Design-Entscheidungen frustriert deinstallieren. Andere werden selbst nach Jahren noch über dieses Spiel reden. Wir haben das Spiel auf der PlayStation 5 getestet und sagen euch, warum wir zur zweiten Gruppe gehören
Als Dragon’s Dogma 2012 erschien, fand das Spiel anfangs nur wenig Beachtung. Vergleichbar mit Demon's Souls mauserte sich das Spiel jedoch mit der Zeit zum Geheimtipp, denn trotz der auf den ersten Blick frustrierenden und sperrigen Features, gab es schlichtweg keine vergleichbare Erfahrung.
Doch während Soulslikes im letzten Jahrzehnt den Markt fluteten, lassen die Dogmalikes auf sich warten. Dragon’s Dogma 2 kann daher genau an den Stärken des Vorgängers ansetzen, denn so viele der ungewohnten und einzigartigen Mechaniken wirken auch heute noch so frisch und unverbraucht wie vor 11 Jahren.
Singleplayer, aber trotzdem nie allein unterwegs
Dragon’s Dogma 2 beginnt denkbar simpel. In alter Rollenspieltradition brecht ihr als Hanswurst aus einem Gefängnis aus und erkundet fortan eine riesige Open World. Dafür könnt ihr zu Beginn eine von vier Laufbahnen wählen: Kämpfer, Bogenschütze, Magier oder Dieb. Später im Spiel könnt ihr noch mehr Laufbahnen freischalten, etwa den mächtigen Erzmagier, den Illusionisten, die Mystische Klinge oder den Magiebogenschützen.
Allerdings spielt ihr in Dragon’s Dogma 2 keinen dahergelaufenen 0815-Helden, sondern den Erweckten. Kurz gesagt: Ein Drache hat euer Herz gefressen und somit euer Schicksal an sein eigenes gebunden. Vorteile hat das Ganze trotzdem.
Zum einen dürft ihr einen persönlichen Vasallen erstellen, der oder die den Rest des Spiels treu an eurer Seite dienen wird. Zwei weitere Vasallen könnt ihr über Riftsteine anheuern. Das Coole daran: Bei den angeheuerten Vasallen handelt sich um Charaktere, die von anderen, echten Spielern erstellt wurden. Spielen eure Freunde also ebenfalls Dragon’s Dogma 2, könnt ihr deren Begleiter in euer Spiel beschwören.
Anders als euer persönlicher Begleiter leveln angeheuerte Begleiter jedoch nicht mit, ihr solltet also regelmäßig eure Gruppe erneuern und an euer aktuelles Level anpassen. Vasallen eurer Stufe sind kostenlos, für höherstufige Begleiter müsst ihr Riftkristalle bezahlen, die ihr ähnlich wie Gold als Questbelohung oder als Ressource in der Welt finden könnt. Beschworene Vasallen sind nicht nur kampfstark, sondern helfen euch auch bei Quests, die sie in ihrer eigenen Welt bereits abgeschlossen haben.
Quests voller kreativer Möglichkeiten
Der Erweckte zu sein hat jedoch noch mehr Boni, so macht es euch außerdem automatisch zum Herrscher der Welt. Blöd nur, dass auf dem Thron gerade ein Hochstapler sitzt, der sich als der Erweckte ausgibt. Das erklärt auch, warum euer Abenteuer als Gefängnisinsasse begann.
Den Komplott aufzudecken und euren rechtmäßigen Platz als Herrscher einzunehmen, stellt also den roten Faden der Handlung von Dragon’s Dogma 2 dar. Dafür gibt es eine Reihe abwechslungsreicher Quests zu erledigen. So müsst ihr euch beispielsweise als Gast auf den Maskenball des Palasts schummeln, um wertvolle Informationen zu erlangen. Dafür ist allerdings elegante Kleidung notwendig. Wo ihr die herbekommt? Das ist euch überlassen, Dragon’s Dogma 2 nimmt euch so gut wie nie an die Hand.
Das mag einige Spieler frustrieren, ermöglicht aber allerhand kreative Möglichkeiten, Quests zu lösen. Überhaupt steckt das Spiel voller kreativer Möglichkeiten, sei es in den Quests oder den Kämpfen. Beispielsweise gibt es eine Taste zum Greifen, mit der ihr verwundete Begleiter vom Schlachtfeld tragen, Gegner aufheben und in tödliche Gewässer werfen, fliehende Schurken und Quest-NPCs festhalten und natürlich überlebensgroße Monster erklettern könnt.
Fantastische Kämpfe, frustrierende Performance
Vor allem in den Kämpfen gegen mächtige Zyklopen, Drachen und weitere Monster merkt ihr, dass Capcoms Experten aus dem Monster-Hunter-Team mit an der Entwicklung beteiligt waren. Zu viert einen riesigen Drachen zu bekämpfen, an der Kreatur hinaufzuklettern, Schwachstellen auszunutzen, auf die passende Bewaffnung zu achten, gezielt Spezialangriffe auszulösen und dabei den Angriffen des Gegners ausweichen, ist echter Adrenalintrip. Den ersten gewonnen Kampf gegen einen Drachen werdet ihr so schnell nicht vergessen.
Je spektakulärer die Kämpfe, desto mehr offenbart sich jedoch auch eine der größten Schwächen des Spiels. Zum Testzeitpunkt leidet das Spiel auf allen Plattformen unter Performance-Problemen. Im Eifer des Gefechts kann die Framerate dabei auch spürbar unter 30 FPS fallen, was nicht nur den Spielfluss stört, sondern auch ganze Spielstile aushebelt.
So habe ich etwa die Laufbahn meines Charakters im späteren Spiel zum Krieger geändert, der mit einem gewaltigen Zweihänder in den Kampf zieht. Mit dem richtigen Timing, lassen sich meine Schläge zu einem mächtigen Serienangriff kombinieren. Allerdings nützt das beste Timing nichts, wenn dieses vor allem in Bosskämpfen durch eine schwache Framerate unterbrochen wird.
In Monster Hunter World hat Capcom das Problem mit einem optionalen Performance-Modus gelöst, in Dragon’s Dogma 2 fehlt von so einer Option bislang jedoch jede Spur. Capcom, bitte patchen! Ich weiß doch, dass ihr es besser könnt!
Geniale Features oder nur schlechtes Design?
Während die Performance-Probleme nur schwer schöngeredet werden können, steckt Dragon’s Dogma 2 voller Features, an denen sich die Geister scheiden werden. Was für die einen unzeitgemäß ist und für Frust sorgt, ist für die anderen ein Teil der Faszination, die Dragon’s Dogma 2 ausmacht.
Ein wichtiger Punkt ist die Schnellreise. Statt per Tastendruck quer über die Weltkarte zu sausen, gibt es zu Beginn so gut wie gar keine Möglichkeiten zum Schnellreisen. Zwischen größeren Städten und Dörfern verkehren Ochsenkarren, eine Fahrt kostet 200 Gold. Allerdings können diese Karren mit etwas Pech auch unterwegs von Kobolden oder anderen Monstern überfallen werden. In dem Fall steht ein kurzer Kampf bevor, ehe es weitergehen kann. Im schlimmsten Fall wird im Getümmel aber der Karren zerstört oder der Kutscher getötet, dann heißt es zu Fuß bis in den nächsten Ort.
Weiterhin gibt es Reisesteine, um direkt an vorgefertigte Orte im Spiel, in der Regel die größeren Städte, teleportieren zu können. Reisesteine sind allerdings zum Spielbeginn sehr selten und obendrein teuer. Die Teleportation in die Sicherheit der Stadt sollte also Notfällen vorbehalten sein.
Wer das nicht gewöhnt ist, wird schnell frustriert sein. Allerdings erkundet und erlebt ihr Dragon’s Dogma 2 auf diese Weise ganz anders und viel intensiver als sonstige Rollenspiele. Zu Fuß kommt nicht nur die Größe der Spielwelt am besten zur Geltung, ihr lernt auch allerhand Geheimnisse und Verstecke kennen. Ihr findet Schätze, Abkürzungen, Quests, Bosse; ihr erkundet die Spielwelt, statt einfach nur Content abzuarbeiten.
Unergründete Gebiete wirken dadurch außerdem umso bedrohlicher und ungewiss. Wollt ihr wirklich einem Pfad ins Unbekannte folgen, ohne die Gewissheit, euch jederzeit in Sicherheit teleportieren zu können? Eine so spannende Erkundung der Spielwelt gab es zuletzt in der ersten Hälfte von Dark Souls.
Die begrenzte Schnellreise bringt euch auch dazu, euch mit dem Hier und Jetzt zu befassen. Ihr plant eure Ausflüge außerhalb der Stadt gründlich, überlegt genau, was und wie viel ihr mitnehmen wollt, welche Quests in der Umgebung warten und welche ihr davon priorisiert. Questziele und NPCs warten nicht bis ins Endgame auf euch. Quests können scheitern, wenn ihr euch zu lange Zeit lasst. Braucht ein kranker NPC Medizin oder wurde ein Junge von Wölfen verschleppt, dann tickt die Ingame-Uhr. Das widerspricht jeder Komfort-Regel, die ihr durch andere Spiele gewöhnt seid und aus genau solchen Gründen werdet ihr Dragon’s Dogma 2 hassen oder lieben.
In die gleiche Kerbe schlägt das Speichersystem. Es gibt nur einen Save Slot, der automatisch überschreiben wird. Schnellspeichern, etwas ausprobieren, das Resultat bereuen und anschließend neu laden könnt ihr also vergessen. In Dragon’s Dogma 2 müsst ihr mit allen Konsequenzen leben, wodurch alle Entscheidungen umso spannender werden.
Test-Fazit zu Dragon’s Dogma 2
Dragon’s Dogma 2 ist sperrig, mutig, unkonventionell, kreativ und vor allem überraschend. Wer den ersten Teil gespielt hat, wird wissen, was ich meine. Selbst im Endgame habe ich das Gefühl, gerade einmal die Spitze des Dragon’s-Dogma-Eisbergs gesehen zu haben und obendrein ist es dem Spiel absolut egal, ob ich über die Hälfte des Umfangs komplett verpasse. Endet das Spiel mit dem Abspann oder beginnt an diesem Punkt das Abenteuer erst? Das Spiel steckt voller Geheimnisse und Tiefgang, die euch über Wochen und Monate zum Staunen bringen werden.
Dragon’s Dogma 2 ist kein Standard-Rollenspiel vom Fließband, sondern eine einzigartige und konsequente Vision, die von den Entwicklern nicht zugunsten von Komfort-Features oder vermeintlichen Genre-Konventionen verwässert wurde. Das ist zugegebenermaßen nicht für jeden etwas, aber wer das Risiko wagt, wird reich belohnt werden. Gebt euch einen Ruck, lasst eurer Kreativität und eurem Entdeckerdrang freien Lauf, ignoriert die unnötigen Mikrotransaktionen und taucht in ein unvergessliches Spielerlebnis ein, von dem ihr auch in mehreren Jahren noch schwärmen werdet.
Wertung
“Lasst euch von den anfangs frustrierenden Features und unnötigen Mikrotransaktionen nicht täuschen. Dragon’s Dogma 2 ist ein einzigartiges Meisterwerk, über das wir auch in mehreren Jahren noch sprechen werden.”