Final Fantasy 16 ist das erste Action-RPG der „Final Fantasy“-Hauptreihe und möchte somit neue Wege gehen, was sich vor allem im Kampfsystem widerspiegelt. Ob es gelingt, verraten wir euch in unserem Test.
Wichtige Vorabinformation: Obwohl es der 16. Hauptteil ist, benötigt ihr keinerlei Vorkenntnisse. Die Geschichte des Spiels ist eigenständig aufgebaut und steht nicht mit anderen Teilen der Reihe in Verbindung.
Mittelalterliches Fantasy-Drama mit starken „Game of Thrones“-Vibes
In Final Fantasy 16, das in der Welt von Valisthea spielt, übernehmt ihr die Rolle von Clive Rosfield. Die Geschichte von Clive, Erster Schild des Großherzogtums Rosaria und somit Beschützer seines kleinen Bruders Joshua, dem Dominus des Reiches, erstreckt sich über drei Abschnitte seines Lebens. Diese kondensierte Zusammenfassung mag auf den ersten Blick leicht verständlich und übersichtlich klingen, aber glaubt mir: Die Art und Weise der Erzählung stellt euch hier vor eine unnötige Barriere. Ein Hindernis, das gerade für ein Spiel, das auf eine starke Erzählung bauen will, ein Problem darstellt.
FF16 wirft euch ins kalte Wasser und überschüttet euch mit Namen von Herren, Reichen, Kampfkräften und politischen Beziehungen und Rängen, als ob ihr bereits alles über die Welt von Valisthea wissen würdet. Ein sanfter Einstieg in die Story, die mit frei erfundenen Fantasy-Begriffen gespickt ist, sieht anders aus. Ein Problem, das spätestens seit FF13 immer wieder sauer aufstößt.
FF16 bietet eine tiefgründige Welt, in die sich der Spieler aber nur schwer hineinfindet. Es dauert einige Spielstunden, bis ihr so langsam die unterschiedlichen Beziehungen, Vokabeln und ihre Bedeutung begreift. Warum euch die Erzählung ausschließt, bleibt ein Rätsel. Es gäbe durchaus elegantere Methoden, die speziellen Begriffe und ihre Bedeutungen zu erläutern, ohne, dass ihr ständig das Kompendium bemühen müsst.
Wenn ihr von Anfang an in der Welt von Valisthea durchblicken wollt, müsst ihr stetig das Kompendium innerhalb des Spiels öffnen und euch die Einträge durchlesen. Und wenn euch dieser Aspekt des Spiels wichtig ist, könnt ihr euch auf viel Lesen gefasst machen, denn das Kompendium besteht am Ende des Spiels aus mehr als 2.800 Einträgen.
Ihr spielt Clive in seiner Teenager-Zeit, in seinen 20ern und in seinen 30ern. Clives Hauptmotivation zu Beginn des Spiels ist sein Wunsch nach Rache. Im Laufe des Spiels verschiebt sich seine Motivation jedoch und Clive betrachtet die Geschehnisse in Valisthea mit anderen Augen. In jeder Lebensphase besitzt Clive unterschiedliche Ansichten und Einstellungen bezüglich der Welt und der Vorkommnisse, was durchaus glaubwürdig übermittelt wird.
Um nicht zu viel zu verraten, kann ich über die Story jedoch preisgeben, dass sie unterhaltsam ist, aber keine Freudensprünge beim Spieler auslöst. Zu Beginn geht es nicht nur um Clives Rache, sondern auch um die sogenannten Kristalle einer jeden Nation, die als wichtige Ressource gelten, die sich jedoch aufgrund einer ausbreitenden Fäule im Land langsam dem Ende zuneigt. Die im Laufe der gesamten Reihe selten näher beschriebenen Kristalle gehören zwar zu den Grundbausteinen von Final Fantasy, jedoch müsst ihr nichts darüber wissen, um sie im Kontext von Final Fantasy 16 zu verstehen.
Jede Nation besitzt zudem einen Dominus. Ein Dominus ist eine Person, die eine Esper in sich trägt. Der Dominus ist sozusagen die Massenvernichtungswaffe eines jeden Reiches. Diese Personen werden in ihrer jeweiligen Heimat unterschiedlich behandelt und dienen oftmals als Schachfiguren für die politischen Machtkämpfe innerhalb von Valisthea. Mit dem nahenden Ende der Ressource sind politische Gefechte und Intrigen vorprogrammiert.
Neben der ursprünglichen Motivation von Clive tritt aus dem Schatten jedoch eine weitere, mysteriöse und fantasiereiche Storyline, die weitaus interessanter ist. Leider braucht das Spiel etwas zu lang, um sie aufzudecken und aufzulösen.
Nach der Enthüllung treten Geheimnisse und Ungereimtheiten im Land auf, die Clive aufdecken will. Zudem möchte er die alte Ordnung der Reiche stürzen, um eine neue Welt aufzubauen, in der kein Klassensystem mehr herrscht und Menschen frei nach ihrem Willen agieren dürfen.
So mancher Twist der Geschichte ist jedoch für erfahrene Spieler keine Überraschung und mutmaßlich emotionale Momente haben oftmals keine Wirkung, da die Verbindung zu manchen Charakteren zu schwach ist. Die Geschichte von FF16 bietet seichte Unterhaltung, die aber nur die wenigsten überraschen wird. Nichtsdestotrotz können zumindest die englischen Synchronsprecher überzeugen.
Was im Jahr 2023 jedoch sehr verwunderlich ist und für hochgezogene Augenbrauen sorgt, ist die Entscheidung, dass in einer AAA-Produktion keinerlei Wert auf Diversität gelegt wurde. Magie, Chocobos und Esper sind in der Spielwelt normal, aber bei der Darstellung von Minderheiten in Haupt- und Nebenrollen hört es auf? Ich bin sicherlich kein Fan davon, aus den falschen Gründen eine Diversität erzwingen zu wollen, aber eine komplette Abwesenheit ist heutzutage mehr als verwunderlich.
Hervorragende Action, die sich nicht immer entfalten darf
Vor allem im Kampfsystem zeigt sich: FF16 ist ein reines Action-RPG. Es gibt keine rundenbasierten Kämpfe mehr, sondern Kämpfe in Echtzeit, was nicht jeden FF-Fan begeistern wird. Zudem könnt ihr Partymitgliedern, mit der Ausnahme eures hündischen Begleiters, keine Befehle mehr erteilen. Sie kämpfen von alleine und werden grundsätzlich von der CPU gesteuert. Action-Fans bereitet FF16 im Kampf jedoch große Freude. Der Einfluss von Ryota Suzuki als Battle Director, der beispielsweise auch bei Devil May Cry 5 mitwirkte, ist positiv spürbar.
Ihr könnt Magie, Nahkampfangriffe, Esper-Fertigkeiten und Esper-Kräfte nahtlos aneinanderreihen und somit vernichtende Kombos kreieren. Neben den normalen Angriffen erhaltet ihr im Verlauf des Spiels Zugang zu mehreren Esper-Fertigkeiten und Esper-Kräften, bis ihr irgendwann sechs Fähigkeiten und drei Kräfte zeitgleich im Kampf zur Verfügung habt.
Die Kräfte könnt ihr immer einsetzen, eure Fertigkeiten basieren jedoch auf einer Abklingzeit. Es ist wichtig, dass ihr sie immer zum richtigen Zeitpunkt einsetzt, da die feindlichen Angriffe oftmals nicht unterbrochen werden können und ihr innerhalb der Anwendungsphase der Fertigkeiten verwundbar seid. Falls ihr trotzdem eine falsche Entscheidung treffen solltet, könnt ihr jedoch die Fertigkeit canceln und aus ihr heraus ausweichen, um feindlichen Schaden zu vermeiden.
Euer Timing, das Wissen um eure Fertigkeiten und Kräfte, schnelles Denken und Ausführen von Aktionen macht das Kämpfen zu einem komplexen System. Das Jonglieren der genannten Faktoren bietet über den kompletten Spielverlauf einwandfreie Action.
Zudem trifft FF16 mit dem Levelsystem eine super Entscheidung. Ihr könnt eure Fertigkeitspunkte jederzeit zurückholen, ohne Strafe. Wenn ihr neue Esper-Fertigkeiten erlangt, wird somit das Ausprobieren und das Experimentieren mit neuen Fähigkeiten gefördert. Und falls die neu erlangten Abilities doch nichts für euch sind, könnt ihr sie einfach wieder zurücksetzen und zu anderen neuen oder vorherigen Fertigkeiten wechseln. Als Kritikpunkt muss allerdings gesagt sein, dass die jeweiligen Verbesserungen der einzelnen Fertigkeiten nicht explizit im Menü erklärt werden und ihr oftmals gar nicht wisst, wie das Upgrade nun genau aussieht.
Der Spieler leidet jedoch manchmal unter dem imposanten Effektfeuerwerk auf dem Bildschirm. Oftmals treten durch die Fähigkeiten so viele Effekte gleichzeitig auf, dass ihr den Überblick über das Kampfgeschehen verliert. Da durch die Fertigkeiten der Teammitglieder und der Feinde ebenfalls weitere Bildeffekte auftreten, ist oftmals unklar, welcher Angriff nun von Freund oder Feind kommt.
Neben den normalen Kämpfen kommt es aber auch zu Gefechten zwischen den Esper selbst, in denen ihr die Gelegenheit habt, selbst eines der imposanten Wesen zu kontrollieren. Stellt sie euch als Kaijū-Kämpfe vor. Das Aufeinandertreffen zweier Esper läuft einzigartig ab und zählt immer zu den Highlights des Spiels, auch wenn der eine oder andere Kampf etwas zu lange andauert und unnötig in die Länge gezogen wird. Die Bosskämpfe nehmen absurde “Over the Top“-Actionformen an. Entweder werdet ihr es lieben oder als zu übertrieben empfinden, das kommt ganz auf euren Geschmack an.
Falls ihr mit Actionspielen nicht so vertraut seid, müsst ihr euch aber keine Sorgen machen, denn es gibt sogenannte Hilfsaccessoires. Sie könnt ihr von Anfang an ausrüsten, wenn ihr den Story-Fokus wählt. Es gibt insgesamt fünf von ihnen, von denen ihr jeweils drei gleichzeitig ausrüsten könnt, um den Kampf zu erleichtern.
Eine lange Straße mit vielen Bremsschwellen
Auf technischer Ebene läuft das Spiel einwandfrei. Es ist deutlich, dass FF16 für die neue Konsolengeneration konzipiert wurde. Ladezeiten sind quasi nicht vorhanden, das Spiel sieht wunderschön aus und die Action läuft konstant ohne FPS-Drops, selbst bei hohem Effektfeuerwerk. Aufgrund der actionreichen Kämpfe empfehlen wir euch, den Leistungsmodus zu wählen, damit ihr eine höhere Bildfrequenz erhaltet.
Leider kommt in den gesamten 35 bis 45 Spielstunden nur sehr selten ein reibungsloser Spielfluss zustande. Eure Reise in FF16 kann mit einer langen Straße verglichen werden, auf der Tempolimit 100 herrscht. Ihr fahrt an, beschleunigt und plötzlich kommt eine fette Bremsschwelle, die euch zwingt abzubremsen. Nun beschleunigt ihr wieder und denkt, dass es endlich richtig losgeht, nur um auf die nächste Schwelle zu treffen. Dieser Ablauf zieht sich durch das gesamte Spiel. Der Abstand zwischen den Bremsschwellen ist zwar unterschiedlich lang, aber auf die erlaubten 100 km/h zu beschleunigen ist fast unmöglich.
Leider wird der Spielfluss immer und immer wieder durch sehr viele Cutscenes und endlose Dialoge unterbrochen. Die Welt Valisthea mit ihren ausufernden Hintergrundinformationen ist Fluch und Segen zugleich, da das Spiel endlose Grundinformationen hineinquetschen muss, damit der Spieler ansatzweise etwas versteht.
Zudem ist das Questdesign der Nebenmissionen altbacken und eine Nebenquest ist langweiliger als die andere. Zum Glück könnt ihr am Symbol einer Nebenmission erkennen, ob die Belohnung wichtig ist oder nicht. Wer die mehr als 70 Nebenquests abschließen möchte, kann sich auf viele Fetch-Quests einstellen oder manchmal einfach nur auf Dialoge „freuen“, die den Tiefgang einer Pfütze haben. Dank des Symbols der Quest könnt ihr euch aber selbst entscheiden, ob ihr die Nebenmission auf euch nehmen wollt oder nicht. Achtet auf das Plus-Symbol, diese Nebenmissionen solltet ihr auf jeden Fall erledigen!
Was positiv hervorsticht, ist der „New Game Plus“-Modus, der „Final Fantasy“-Modus genannt wird. In diesem Modus nehmt ihr alles, was ihr euch im ersten Spieldurchlauf erarbeitet habt, in einen zweiten Durchgang mit. Allerdings sind Platzierung und Schwierigkeit der Feinde angepasst, sodass sich der zweite Durchlauf vom ersten unterscheidet und eine größere Herausforderung bietet. Außerdem könnt ihr noch weitere Ausrüstungen freischalten, die ist es im ersten Durchlauf nicht gibt.
Final Fantasy XVI erscheint am 22. Juni 2023 für die PlayStation 5. Das Spiel benötigt circa 91 GB Speicherplatz.
Fazit von Olaf Fries
Final Fantasy 16 bietet exzellente Action, die allerdings von der Erzählgeschwindigkeit der Geschichte zurückgehalten wird. Die ausgezeichneten Kämpfe halten Action-Fans bei der Stange und das Kampfsystem ist die stärkste Komponente des Spiels. Die Erzählung der Geschichte und die darin vorkommenden Charaktere bieten allerdings nur eine seichte Rahmenhandlung und können keine echte Tiefe kreieren. Ob sich für euch FF16 lohnt, hängt nicht von eurer Liebe zur Reihe ab, sondern eher davon, ob ihr die stetigen und manchmal auch unnötigen Unterbrechungen im Spielfluss ertragen könnt, um zur nächsten spielbaren Sequenz zu kommen.
Fazit von Christopher Bahner
Am meisten Spaß macht Final Fantasy 16 wahrscheinlich, wenn ihr euch nur auf die Hauptquest konzentriert, denn die fulminante Inszenierung und das spaßige Kampfsystem können durchaus mitreißen. Darüber hinaus fehlt mir beim neuen Serienteil allerdings an allen Ecken und Enden der Zauber vergangener Ableger. Die Nebenquests sind furchtbar dröge inszeniert und bestehen zu 90 % aus Gesprächen mit einem kleinen Kampf dazwischen. Die abwechslungsarme Spielwelt und stetes Backtracking tragen ihr übriges dazu bei. Mir fehlt der Erkundungsdrang, da es kaum etwas zu entdecken gibt. Coole Secrets, Minispiele oder Endgame-Dungeons suche ich vergebens. Alles wirkt sehr glattgebügelt und ich verspüre kaum Lust, mich weiter mit Valisthea auseinanderzusetzen.
Wertung
“Ein hervorragendes Kampfsystem lässt das Herz eines jeden Actionfans höher schlagen, nur um im nächsten Moment wieder durch die Erzählgeschwindigkeit der Geschichte abzuflachen. FF16 springt zwischen ausgefeilten und nicht durchdachten Mechaniken hin und her und bietet somit ein durchaus solides und weitgehend unterhaltsames, aber auch durchwachsenes Spielerlebnis.”