In New World seid ihr keine Helden oder Champions, ihr seid gestrandete Glücksritter, die versuchen in einer neuen Welt etwas aufzubauen, die alles daran setzt, dies zu verhindern. New World ist anders und deshalb nicht für jeden.
Nach einem turbulenten, aber letzten Endes erfolgreichen Start für New World normalisiert sich der Warteschlangen-Horror endlich und alle haben Zeit, sich dem Spiel in Ruhe zu widmen. Deswegen gibt es jetzt auch von uns ein erstes (Zwischen)Fazit.
Hinweis: Einen klassischen Test mit einer abschließenden Wertung werdet ihr hier nicht lesen. MMOs sind darauf ausgelegt, über Jahre ein Spielerlebnis zu bieten. Es wäre also auch nach zweieinhalb Wochen Dauerzocken nicht angemessen eine Wertung abzugeben. Trotzdem erfahrt ihr, was euch in New World erwartet, welche Schwachstellen das MMO von Entwickler Amazon Games hat und für wen New World das richtige Spiel sein könnte.
Die Insel Aeternum
Ein paar Worte zur Geschichte: New World spielt im 17. Jahrhundert und abenteuerlustige Glücksritter reisen zur Insel Aeternum, von der es nur Gerüchte gibt, da noch nie jemand von dort zurückgekommen ist. Auf Aeternum gibt es die magische Ressource Azoth und somit den Grund, warum viele die gefährliche Reise zur Insel auf sich nehmen. Euer selbst erstellter Charakter strandet zu Spielbeginn an der Küste und ihr macht euch auf die Insel zu entdecken und zu erobern.
Ihr verfolgt in New World zwar durch die Hauptquest eine Geschichte, allerdings ist die Story von New World eher eine Rahmenhandlung als ein treibendes Spielelement.
Klassen, Waffen und Kampfsystem
In New World gibt es kein Klassensystem, euer Spielstil ergibt sich aus der Wahl eurer Waffen und Rüstung und wie ihr eure Attributspunkte verteilt. Es gibt keine Einschränkung, was eure Ausrüstung angeht, allerdings skalieren die Waffen mit bestimmten Attributen, ihr sollte also durchaus einen Plan für euren Charakter verfolgen.
Ihr könnt immer zwei Waffen gleichzeitig nutzen und diese fließend im Kampf wechseln. Jede Waffe hat zwei Talentbäume, über die ihr aktive Fähigkeiten und passive Boni freischaltet. Ihr müsst dafür die Waffe leveln, indem ihr sie auch benutzt. Euer Charakterlevel gewährt wiederum Attributspunkte und ist losgelöst von eurem Waffenlevel. Waffen verfügen über einen schweren und einen leichten Angriff, außerdem könnt ihr mit ihnen blocken. Die Möglichkeit, eine Ausweichbewegung zu machen, gibt es ebenfalls. Ob das eine schnelle Rolle oder nur ein kleiner Schritt ist, hängt davon ab, wie schwer alle eure Rüstungsteile zusammen sind. Ihr könnt schwere, mittlere und leichte Rüstung frei kombinieren.
New World besitzt ein „Action Combat“-System. Das bedeutet, ihr visiert ein Ziel nicht einfach an und drückt dann die Knöpfe für eure Fähigkeiten und Angriffe, sondern müsst auch genau zielen. Für jeden Schuss mit Bogen oder Muskete müsst ihr das Fadenkreuz über dem Ziel platzieren. Steht ihr falsch zu eurem Gegner, geht der Schlag mit dem Kriegshammer daneben.
Crafting: Ihr seid ein echtes Multitalent
Ihr könnt keine zwei Meter durch Aeternum laufen, ohne nicht über irgendwas zu stolpern, das ihr sammeln, abbauen oder sonst irgendwie verwerten könnt. Das Crafting-System von New World ist ein integraler Bestandteil des Spiels. Ihr könnt jede Fähigkeit ausüben und müsst euch nicht wie in anderen MMOs für ein bis zwei Berufe entscheiden. Ob Fischerei, Kochkunst, Schmiede oder Schneiderei – ihr könnt alles selber machen und das ist auch wichtig. Bis auf die Fraktionshändler gibt es in New World keine Händler und das ganze Wirtschaftssystem liegt bei den Spielern und Spielerinnen, die Materialien, Erzeugnisse und Drops aus der Welt in einem Handelsposten kaufen und verkaufen können.
PvP und PvE
Der Fokus von New World liegt stark auf dem Thema PvP. Nach einer Tutorial-Phase müsst ihr eine Fraktion wählen. Zur Auswahl stehen das Syndikat, die Marodeure und das Bündnis. In jedem Gebiet bietet euch ein Fraktionsvertreter spezielle Quests an, die euren Ruf bei der gewählten Fraktion steigern und so den Zugang zu hochrangiger Ausrüstung erweitert. Einen Teil der Quests könnt ihr mit aktivem World-PvP-Status (das heißt jedes Mitglied einer anderen Fraktion kann euch außerhalb einer Stadt angreifen und töten) absolvieren, was die Belohnungen erhöht.
Innerhalb einer Fraktion können Spieler und Spielerinnen Kompanien (Gilden) bilden, die die Kontrolle über ein Gebiet übernehmen können. Hatte eine Kompanie ein Gebiet erobert, bekommen die Mitglieder der Kompanie Boni in diesem Gebiet, aber auch die anderen Fraktionsmitglieder profitieren davon. Die Kompanie kann außerdem bestimmen, wie hoch die Steuern in diesem Gebiet sein sollen. Die anderen beiden Fraktionen können das Gebiet aber erobern, indem sie es zunächst destabilisieren und dann der Kompanie den Krieg erklären. Das Ganze gipfelt dann in einer PvP-Schlacht mit insgesamt 100 Spielern und Spielerinnen, der Sieger übernimmt oder behält die Kontrolle über das Gebiet.
In Sachen PvE gibt es neben der Hauptquest und den Nebenquests natürlich auch Dungeons, die in New World Expeditionen heißen und instanziierte Gebiete für fünf Spieler und Spielerinnen sind. Im Verlauf der Hauptquest besucht ihr diese Expeditionen mindestens ein Mal. Zu weiteren PvE-Inhalten gehören offene Events in der Welt, wie die Breschen der Verderbten, die ihr schließen müsst oder die Invasionen ganzer Gebiete durch starke Monster.
Im Grunde sind PvP und PvE an vielen Stellen miteinander verknüpft. Bei den Stadtprojekten erledigt ihr Quests, die zum Ausbau der Siedlung beitragen (wie das Verbessern von Handwerksstationen) ihr verbessert aber auch die Verteidigungsanlagen, die dann im PvP-Krieg wichtig sind. Mit dem Krieg selber müsst ihr aber nichts zu tun haben.
Das Housing: Nicht bloß reine Kosmetik
Zwar baut ihr in New World eure Bleibe nicht selbst, das Housing ist aber mehr als nur Deko. Im Verlauf der Level-Phase dürft ihr in insgesamt drei Siedlungen je ein Haus kaufen. Diese Häuser könnt ihr dann mit selbstgebauten Möbeln und anderen Dingen einrichten. Die Häuser zählen aber auch als Schnellreisepunkt, den ihr von überall aus Aeternum auswählen könnt. Ihr könnt in den Häusern Trophäen platzieren, die dann bestimmte Boni gewähren. Allerdings müsst ihr aufpassen, eure Steuern zahlen zu können, sonst verliert ihr die Vorteile.
Stärken und Schwächen: Für wen ist New World das richtige MMO?
New World hat einige große spielerische Stärken. So zum Beispiel die Verzahnung der Spielelemente untereinander und eine Art von Grind, der euch stets mit spürbarem Fortschritt belohnt. Ein simples Beispiel macht deutlich, was damit gemeint ist.
Ihr tötet einen Wolf und das bekommt ihr dadurch:
- Ihr erhaltet Erfahrungspunkte und euer Charakterlevel steigt, wodurch ihr weitere Attributspunkte bekommt.
- Ihr levelt die Waffen, die ihr dafür benutzt habt und schaltet neue aktive und passive Fähigkeiten frei.
- Ihr erhaltet Gebietsruf und steigt dort im Rang, wodurch ihr Gebietsboni erhaltet.
- Der Wolf lässt möglicherweise Loot fallen, den ihr ausrüsten, zerlegen oder verkaufen könnt.
- Ihr häutet den Wolf und erhaltet Rohleder, Fleisch und eventuell auch weitere seltenere Handwerksmaterialien. Außerdem steigt euer Fähigkeitsrang für das Häuten von Tieren.
- Das Töten des Wolfes könnte Teil einer Quest sein und ihr erhaltet Erfahrung, Gebietsruf und fördert ein Stadtprojekt.
- Das erhaltene Material oder etwas, das ihr daraus herstellt, könnte Teil einer Quest sein. Durch die Verwertung der Materialien steigt euer Rang in den entsprechenden Herstellungsberufen.
Allein im Töten eines Wolfes stecken so viele Fortschrittssysteme und das gilt für so ziemlich alles in New World. Jeder Baum, den ihr fällt, jedes Erz, das ihr abbaut und jede Quest, die ihr abschließt, hat immer eine Vielzahl von Effekten. Deswegen macht es auch deutlich mehr Spaß, mal eine Stunde Holz zu hacken als in anderen Spielen. Ein Pluspunkt, der indirekt damit zusammenhängt, ist die wirklich gelungene Spielwelt. Aeternum ist eine hübsche Insel, die voll von lebendiger Flora und Fauna ist. Das Ganze wird von einer tollen Soundkulisse untermalt. Wie die Axtschläge eines Holzfällers durch den dichten Wald hallen, schafft eine sehr einnehmende Atmosphäre.
Falls ihr also Spaß an einem komplexen und tiefgreifenden Crafting-System habt, ist New World in dem Punkt das richtige Spiel für euch. Theoretisch könnt ihr auf das Craften zwar zu großen Teilen verzichten, allerdings gibt es dann zahlreiche Nebenquests, gerade bei den Stadtprojekten, die ihr nicht machen könnt. Zu empfehlen ist der Verzicht also nicht.
Ebenfalls eher weniger zu empfehlen ist New World, wenn PvP so absolut nicht euer Ding ist. Es beseht zwar keine Notwendigkeit, gegen andere Spieler zu kämpfen, es macht aber dennoch einen großen Teil des Spiels aus. Eine treibende Kraft in New World sind die Fraktionskämpfe und die Rivalitäten zwischen Kompanien, denn in New World sollen die Spieler und Spielerinnen die Geschichte schreiben. Das ist auch nötig, denn außer der eher soliden Hauptquest kann New World nicht gerade mit starken Geschichten überzeugen. Die Nebenquests sind eintönig und nicht sonderlich kreativ gestaltet.
Womit wir auch bei einer Schwäche von New World wären: den PvE-Inhalten. Amazon Games schwenkte nach der Kritik aus den ersten Spieltests vom extrem starken Fokus auf PvP ab und entwickelte weitere PvE-Inhalte. Davon gibt es in New World, vor allem im Endgame, aber noch zu wenige. Wer ein MMO mit starkem Story-Fokus und breiten PvE-Inhalten sucht, wird bei New World zumindest aktuell noch nicht fündig.
Stolperstein: Ingame-Shop
New World kostet einmalig 40 Euro, was natürlich die Frage der Monetarisierung auf lange Sicht aufwirft. Aktuell gibt es im Ingame-Shop nur kosmetische Gegenstände und Emotes zu kaufen. In einem früheren Spieltest gab es im Shop Booster für Erfahrung und Handwerk, was zu einem Aufruhr bei der Community führte. Amazon Games versicherte daraufhin, dass es zum Launch keine Shop-Inhalte geben wird, die Spielern und Spielerinnen Vorteile bringen. Ob das so bleibt, wird sich zeigen.
Ein bisschen Oldschool
In Sachen MMO-Geschichte geht New World ein bisschen in der Zeit zurück und legt wieder mehr Wert auf die sozialen Interaktionen zwischen den Spielenden. Es gibt zum Beispiel einen Sprachchat, mit dem ihr zu allen Spielern in eurer unmittelbaren Nähe sprechen könnt. Ein Tool, über das ihr eine Gruppe für eine Expedition findet, gibt es nicht. Ihr müsst aktiv auf die Suche nach Leuten gehen. Wer an Kriegen teilnehmen will, muss von der führenden Kompanie ausgewählt werden, es ist also notwendig, sich aktiv in einer Kompanie zu beteiligen. New World möchte, dass Spieler und Spielerinnen selbst bestimmen, was in der Welt passiert und dass sie miteinander interagieren.
Fazit
Wie bereits erwähnt, werdet ihr hier keine Wertung finden. New World ist als MMO nicht für jeden gemacht. Falls ihr ein Online-Rollenspiel sucht mit einem ausgefeilten Crafting-System, Action-Combat, der diese Bezeichnung verdient, und einer treibenden Kraft, die von den Spielern und Spielerinnen durch ihre PvP-Aktivitäten ausgeht: New World könnte euer Spiel sein. Seid ihr jedoch auf der Suche nach aufwendig erzählten Geschichten mit komplexen Charakteren und einer Heldenreise durch spannende PvE-Inhalte, die ihr gemeinsam mit anderen bestreiten könnt, ist New World aktuell wohl nichts für euch. Spielt ihr grundsätzlich nicht gerne mit anderen zusammen, solltet ihr zum einen die Wahl des MMO-Genres überdenken, zum anderen gibt es Spiele (selbst MMOs), die besser zu euch passen würden.