Smartphone-Revolution, die Zweite: Im Frühjahr 2019 schickte sich Samsung bereits an, mit dem Galaxy Fold den Mobilfunkmarkt auf ähnliche Weise zu revolutionieren, wie es einst Apple mit dem iPhone geschafft hat – und scheiterte. Der Marktstart des Falt-Handys musste nach Displayproblemen abgesagt werden. Ein halbes Jahr später hat es das Galaxy Fold aber doch noch in den Handel geschafft. Ob Samsung die Kinderkrankheiten ausmerzen konnte und wie sich ein faltbares Smartphone im Alltag macht, klärt unser Test zum Galaxy Fold.
Bei einem Smartphone wie dem Galaxy Fold, das der erste ernstzunehmende Vertreter einer ganz neuen Gerätekategorie darstellt und mit einem UVP von über 2.000 Euro in bislang ungeahnte Preis-Dimensionen vorstößt, ergeben gewöhnliche Testkriterien nur noch bedingt Sinn. Dieses Handy ist nicht für die Masse, für den Durchschnittsnutzer, der sich ein neues Smartphone im Rahmen eines 24-Monats-Vertrags zulegt. Wer sich ein Samsung Galaxy Fold kauft, tut das nicht aus einer Laune heraus, weil er das Handy zufällig im Elektromarkt des Vertrauens gesehen und für gut befunden hat. Käufer von Samsungs Falt-Smartphone wissen haargenau, auf was sie sich einlassen: Sie sind (gutbetuchte) Beta-Tester, die sich selbst zur technischen Avantgarde zählen und kein Problem damit haben, das Geld für einen gebrauchten Kleinwagen in ein Handy zu stecken, das im Worst Case in einem Jahr einen irreparablen Displayschaden hat.
Dieser Test beantwortet daher nicht die Frage, ob das Galaxy Fold sein Geld „wert“ ist und man sich Samsungs Falt-Smartphone tatsächlich zulegen sollte. Das ist vielmehr ein Erfahrungsbericht, der vor allem drei Aspekte beleuchten soll: Wie ist die Hardware des Galaxy Fold verarbeitet? Welchen Mehrwert bietet das Falt-Smartphone im Alltag? Und wie gut ist die Software auf die einzigartigen Eigenschaften der Hardware angepasst?
Samsung Galaxy Fold im Test: Klobig und schwer, aber hochwertig verarbeitet
Bereits beim ersten in die Hand nehmen wird klar, dass das Galaxy Fold kein klassisches Smartphone ist. Mit 263 Gramm ist es mehr als 100 Gramm schwerer als ein Galaxy S10 – und das spürt man auch. Im alltäglichen Handling erinnert das Falt-Handy oft an den legendären Nokia Communicator, der Ende der 1990er-Jahre zum Symbol des vielbeschäftigten Managers von Welt wurde. War das Nokia-Handy damals aber aus Plastik gefertigt, setzt Samsung beim Galaxy Fold auf eine Kombination aus Glas (Vorder- und Rückseite) und Metall (Ränder), die dem Gerät ein absolut hochwertiges Feeling verleihen.
Im Rand eingefasst ist auch der Fingerabdrucksensor zum Entsperren des Galaxy Fold. Die Positionierung ist aber etwas unglücklich und „blind“ nicht sonderlich intuitiv zu erreichen. Oft haben wir zwei oder drei Versuche gebraucht, um den Sensor zu treffen. Weiterer Kritikpunkt: Erst nach dem Betätigen der sich darüber befindlichen Powertaste wird der Fingerabdrucksensor aktiv, was zu einem unnötigen Doppelschritt führt. Wer sein Galaxy Fold entsperren und nicht den ebenfalls zur Verfügung stehenden Gesichtsscanner verwenden möchte, muss also zuerst den Powerbutton antippen und dann den Daumen auf den Fingerabdrucksensor legen. Was nach einer Petitesse klingt, wird im Alltag schnell ziemlich nervig.
Nervig sind auch Länge und Dicke des Fold, die bei 160,9 mm beziehungsweise (im zusammengeklappten Zustand) bei 15,5 mm liegen. Während letzteres bei einem Foldable in der Natur der Sache liegt und man Samsung an dieser Stelle kaum einen Vorwurf machen kann, macht sich die Länge vor allem beim Telefonieren negativ bemerkbar. In Kombination mit der schmalen Taille (62,9 mm) wirkt es oft, als würde man mit seiner TV-Fernbedienung telefonieren. Daran konnten wir uns im Test nie gewöhnen.
Einen Schönheitspreis wird das Galaxy Fold also nicht gewinnen. Zu schwer, zu dick und zu lang ist das Galaxy Fold nach unserem Empfinden geraten. Immerhin lässt die Verarbeitungsqualität des Gehäuses aus Glas und Metall nichts zu wünschen übrig – was bei einem Preis von 2.100 Euro aber auch das Mindeste ist.
Samsung Galaxy Fold im Test: Auf die Größe kommt es an
All die kleineren und größeren Nachteile, die die klobige Hardware des Galaxy Fold mit sich bringt, soll natürlich von einem gewaltigen Vorteil wieder wettgemacht werden: dem faltbaren Display. So zumindest Theorie. In der Praxis kann Samsung dieses Versprechen auch tatsächlich einhalten. So ziemlich alles, was auf einem klassischen Handybildschirm schon Spaß macht, macht auf dem größeren 7,3-Zoll-Display des Galaxy Fold doppelt und dreifach Spaß: Videos gucken, E-Books lesen, Spiele spielen usw. Manchmal kommt es tatsächlich auf die Größe an.
Selbst beim Fotografieren ergeben sich ungeahnte Vorteile, da man im aufgeklappten Zustand nun ein besseres Bild davon bekommt, was am Ende auf dem Schnappschuss landet. Licht und Schatten gibt es hingegen beim 4:3-Format des Displays: Surfen ist deutlich komfortabler aufgrund des größeren Platzes in der Vertikalen, auf YouTube oder Netflix bekommt man beim Videos gucken aber sichtbare schwarze Balken angezeigt. Zusätzlich stört außerdem der Notch, der die gesamte Symmetrie zerstört und spürbar einen Teil des Displays verdeckt.
Mit nur einem Handgriff aus seinem Smartphone ein Tablet machen – das ist etwas, das man selbst erleben muss und das Galaxy Fold zum idealen Begleiter für Pendler oder auf langen Zugfahrten macht, wie wir bereits in unserem Ersteindruck festgestellt haben.
Der Preis für diese innovative Vielseitigkeit kommt aber in Form der Falte, die die Mitte des 7,3-Zoll-Displays durchzieht. Übersehen lässt sich die Falte im Alltag nicht, tritt aber häufig in den Hintergrund und stört nicht den Spaß am Galaxy Fold – zumindest auf hellen Hintergründen. Bei dunkleren Hintergründen springt sie einem aber direkt ins Auge. Ebenso dann, wenn man eher seitlich auf den Bildschirm blickt. Und erfühlen lässt sie sich sowieso. Im Laufe der Zeit ist die Falte außerdem etwas markanter geworden und tritt nun deutlicher zutage als am Anfang. Immerhin ist es aber nicht schlimmer geworden. Erwähnenswert: Bei einigen Apps gab es einen deutlichen Jelly-Scroll-Effekt.
Von der Fragilität der ersten Generation, die im Frühjahr 2019 zum abgesagten Verkaufsstart führte, konnten wir beim Display des neuen Galaxy Fold nichts feststellen. Dabei sind wir nicht gerade zimperlich mit dem Falt-Handy umgegangen. Samsungs ausführliche Pflegehinweise in der Verpackung haben wir nicht beachtet und das Galaxy Fold wie jedes andere Smartphone behandelt. Displayschäden gab es in unserer zweimonatigen Testphase keine. Offensichtlich haben Samsungs Verbesserungsmaßnahmen Früchte getragen.
Samsung Galaxy Fold im Test: Nachholbedarf bei der Software
Vielleicht noch wichtiger als beim klassischen Smartphone ist bei einem Foldable die Software. Denn was nutzt schon ein faltbares Display, wenn die Software dadurch keinen erkennbaren Vorteil herausholt? Der größte Pluspunkt ist zweifellos das Plus an Platz: Auf dem Galaxy Fold lassen sich bequem zwei Apps nebeneinander verwenden. So lässt sich zum Beispiel auf WhatsApp chatten, während man auf YouTube ein Video schaut. Noch nützlicher sind produktive Anwendungsbeispiele. Auf der einen Seite eine E-Mail verfassen, während man auf der anderen Seite den Kalender offen hat – genial! Samsungs One-UI-Software erlaubt sogar drei Apps gleichzeitig, allerdings sind die App-Fenster dann so klein, dass das keinen Spaß mehr macht. Sowas verbuchen wir eher unter der Kategorie „Schaueffekt.“
Der Übergang vom kleinen Cover-Display zum großen (und umgekehrt) funktioniert reibungslos, muss aber in den Einstellungen vorher aktiviert werden. Wer also kurz auf eine eingehende Nachricht antworten möchte und merkt, dass die Nachricht doch etwas länger wird, kann das Galaxy Fold einfach aufklappen und am größeren Display weitermachen. Das macht im Alltag wirklich Spaß.
Viele Apps sind allerdings noch nicht auf das Galaxy Fold angepasst und zeigen zum Beispiel abgeschnittene Bilder an – etwa Instagram Stories. Interessanterweise erkennen die Apps oftmals außerdem nicht, dass sie im aufgeklappten Zustand das Tablet-Layout anzeigen sollen und verbleiben beim (gestreckten) Smartphone-Format. Hier kann es helfen, die Bildschirmdarstellung auf klein zu setzen. Dadurch haben wir bei einigen Apps (aber nicht allen) das Tablet-Layout zum Laufen bekommen. Samsung und die App-Entwickler haben also auf jeden Fall noch Nachholbedarf.
Samsung Galaxy Fold im Test: Was sonst noch wichtig ist
- Gute Akkulaufzeit (4.235 mAh) sorgt für mindestens einen ganzen Nutzungstag, bei geringer Nutzung auch zwei
- Fast- und Wireless Charging mit je 15 Watt
- Reverse Wireless Charging mit 9 Watt
- Kameras auf Niveau des Galaxy S10
- Cover-Display an der Front mit 4,6-Zoll-Diagonale recht klein
- Spitzenperformance dank Snapdragon 855 und 12 GB RAM
- Massig Speicher (512 GB), aber kein SD-Slot
- Nur Single-SIM
- Keine IP-Zertifizierung
- Galaxy Buds und Cover gibt es kostenlos dazu
Samsung Galaxy Fold im Test: Fazit
Mit dem Galaxy Fold ist Samsung ein interessanter Erstaufschlag in der Kategorie der faltbaren Smartphones gelungen. Getreu dem Motto „Better done than perfect“ applaudieren wir den Südkoreanern, dass sie den Mut hatten, als erster namhafter Hersteller ein Falt-Smartphone auf den Markt zu bringen – und sich nicht von den anfänglichen Problemen haben entmutigen lassen.
In den kommenden Generationen müssen aber die Kinderkrankheiten ausgemerzt werden. Dazu gehört vor allem ein schlankeres und leichteres Gehäuse, ein Display ohne erkennbare Falte, bessere Softwareanpassung und natürlich ein deutlich geringerer Preis. Sollte Samsung das schaffen, könnte das Galaxy Fold tatsächlich eine ähnliche Bedeutung erreichen, wie einst das Ur-iPhone – und die Smartphone-Welt nachhaltig verändern.
(Hinweis: Aufgrund der besonderen Natur des Samsung Galaxy Fold verzichtet GIGA auf eine klassische Prozentwertung)