Skull and Bones ist ein Action-RPG vor dem Hintergrund eines Piratendaseins, Schiffskämpfen und offener Koop-Spielwelt. Die Fertigstellung hat elf Jahre gedauert und sechs Verschiebungen benötigt. Kostenpunkt: 200 Millionen US-Dollar. Davon ist im PS5-Test leider wenig zu sehen.
Schlechtes Pacing in den ersten Spielstunden
Der erste Eindruck von Skull and Bones ist kein guter. Entwickler Ubisoft Singapur wirft euch im 17. Jahrhundert metaphorisch gesprochen ins kalte Wasser. Nach einem verlorenen Schiffskampf auf hoher See seid ihr Schiffbrüchiger im indischen Ozean. Danach folgt ein ständig unterbrochener Spielfluss.
Häufig aufpoppende Texteinblendungen reißen euch aus dem Spielgeschehen. Auch die schwarzen Ladebildschirme stören, wenn ihr euer Schiff verlasst oder betretet. Noch nerviger sind die störend langen Dialoge samt Antwortmöglichkeiten. Mit Gewalt cool wollen sie sein, inklusive reichlich Fremdscham.
Zusätzlich stellen die Entwickler im Tutorial sicher, dass ihr mit NPCs reden, Bäume fällen, Kanonen craften und Strecken per Schiff zurücklegen könnt. Fortan besteht das Spiel nämlich darauf, dass ihr diese verpflichtenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen absolviert. Wieder und wieder.
Hier spürt ihr bereits den verworfenen Story-Ansatz von Ubisoft Singapur. Übrig bleibt ein bräsiges Live-Service-Gerüst mit Tätigkeiten aus dem Survival-Genre.
Piratenfans kommen theoretisch auf ihre Kosten, praktisch aber nicht
Dass die Entwickler den vielversprechenden Ansatz von Skull and Bones nicht mit einem abwechslungsreichen Spielablauf kombinieren, ist schon nahezu sträflich ungenutztes Potential.
In der Theorie holt das Spiel jeden Piratenfan ab: Ihr segelt und kämpft auf hoher See, zerstört Stützpunkte und plündert Schiffe von Handelsgesellschaften der Briten, Franzosen und Niederländer. Das alles, um der berühmtberüchtigtste Pirat zu werden.
In der Praxis sammelt ihr Ressourcen, versenkt in drögen Kämpfen gegnerische Flotten, lootet und craftet. Absurd wirkt dabei, dass ihr Steine oder Akazien vom Schiff aus sammeln könnt. Noch absurder ist es, dass dieser Vorgang per Mini-Spiel abläuft.
Ihr könnt auch nicht überall an Land gehen, sondern nur an vordefinierten Außenposten oder Häfen. Auch wenn es mehrere Gebiete und unterschiedliche, belanglose Parteien gibt, sind nur die zwei Häfen Saint-Anne und Telok Penjarah als Piratenverstecke ausgelegt.
In diesen beiden Hubs sprecht ihr mit verschiedenen Händlern und den zwei Anführern der jeweiligen Region, John Scurlock und Admiralin Rahma. Von ihnen erhaltet ihr eure Hauptquests, die im Spiel Contracts genannt werden.
Große Open World von Afrika bis Singapur
In den Piratenverstecken trefft ihr auf NPCs und menschliche Spieler. Doch in einer Spielwelt, die sechs Mal größer als Assassin’s Creed: Valhalla ist, gehen 20 Online-Piraten pro Server leicht unter, zumal der Chat größtenteils nicht funktioniert.
Während der Dialoge fällt auf, wie leblos euer selbst erstellter Charakter und alle NPCs wirken. Das liegt an eisigen, leeren Blicken und minimalistischen Gesichts- und Körperanimationen auf Last-Gen-Niveau.
Als Pirat geht es natürlich auch um Kämpfe mit dem Säbel, das Trinken von Rum oder schwachsinnige Wetten. Nur nicht in Skull and Bones. Hier könnt ihr zu Fuß noch nicht mal springen.
Dafür fühlt sich die Spielwelt organisch an. Ihr geratet in Gewitterstürme mit hohem Wellengang, seht traumhafte Sandstrände durch euer Fernrohr oder Unterwasserpflanzen in seichten Gewässern. Dennoch ist das grafische Niveau an keiner Stelle etwas noch nie Dagewesenes.
Für Abwechslung sorgen zumindest die vier Regionen. Eure Reise führt zur Red Isle (Madagaskar) und nach Ost-Indien (inklusive Singapur), an Afrikas südwestliche Küsten und in die offene See dazwischen. Ubisoft Singapur liefert zumindest in Sachen Umfang ab.
Skull and Bones unterscheidet sich von Assassin’s Creed 4: Black Flag
Skull and Bones entspringt aus den Seegefechten von AC: Black Flag. Aber weil es in den Kämpfen seinen eigenen Weg geht, führt das ironischerweise zu weniger Spielspaß im Vergleich zum Vorgänger im Geiste.
Wo ihr in Black Flag mit dauerhaft anliegender Feuerkraft in einen Kampfrhythmus findet, fehlt dieser Gameplay-Fluss bei Skull and Bones. Obwohl die Kämpfe gegen NPC-Schiffe optisch und akustisch wuchtig sind, gestaltet sich das Drücken von ein paar Knöpfen auf Dauer eintönig.
Nach jeder Kanonensalve müsst ihr einen Cooldown-Timer abwarten. Ihr könnt zwischenzeitlich mit euren Bug- oder Heckkanonen feuern, jedoch sind die Bewegungen eures Schiffs zu langsam und steif, sodass kein Flow entsteht.
Dafür bietet Skull and Bones mehr Tiefgang bei den Schiffen. Mit Upgrades passt ihr euren Spielstil und eure Waffenarten an.
Auch die kosmetischen Items werten eure Schiffe durch goldene Segel, ehrfürchtige Piratensymbole oder nett anzuschauende Holzfarben auf. Das sollt ihr alles mit Ingame-Währung oder Echtgeld-Mikrotransaktionen kaufen.
Eure Ausdauer hängt vom Essen ab
Das Geschwindigkeitsgefühl eures Piratenschiffs kommt seltsam rüber. Auf Knopfdruck hisst ihr eure Segel. Danach beschleunigt ihr unrealistisch schnell in nur wenigen Sekunden auf eine letzten Endes doch viel zu langsame Reisegeschwindigkeit. Wie gesagt: Es ist seltsam.
Zusätzlich verhindert eine Ausdauerleiste, dass ihr dauerhaft mit voller Geschwindigkeit fahrt. Das ist ein weiterer Dämpfer für den Spielspaß. Gefühlt gibt es diese Funktion nur, weil ihr die Leiste mithilfe von Essen während der Fahrt wieder auffüllen könnt. Dafür müsst ihr aber jeweils auf euer Inventar zugreifen, was auch nicht gerade dazu beiträgt, einen angenehmen Spielfluss zu etablieren.
So ist auch neben den Reisen der gesamte Spielablauf eintönig und repetitiv. Für neue Schiffe oder Kanonen könnt ihr euch auf der Karte die Standorte der entsprechenden Blueprints anzeigen lassen. Seid ihr in deren Besitz, geht es auf zähe Materialjagd, bis ihr alle Ressourcen gesammelt habt. Dann könnt ihr neue Schiffsteile herstellen, um eure Stats aufzuwerten. Danach geht es von vorne los.
Bekämpft ihr nicht gerade gegnerische Schiffe, besiegt ihr auch mal große Seemonster oder Geisterschiffe. Dadurch kommt zumindest etwas Abwechslung rein. Aber beim Spielspaß stellen die Kämpfe eher einen Rückschritt im Vergleich zum elf Jahre alten Black Flag dar.
Ein Koop-Modus mit vielen Problemen
In Skull and Bones seid ihr solo oder wahlweise mit zwei zusätzlichen Spielern als Koop-Crew unterwegs. Gemeinsam könnt ihr Contracts erledigen oder andere menschliche Piraten in Kämpfen gegen NPC-Flotten unterstützen. Als Belohnung gibt es Loot.
Generell ist der Koop-Modus noch kein rundes Erlebnis. In willkürlich aufkommenden World Events tragt ihr Gefechte gegen KI-Schiffe aus. Bitten euch andere Spieler um Hilfe, könnt ihr nicht direkt beitreten.
Stattdessen müsst ihr langatmig per Schiff anreisen. Eine Schnellreise ist nur von Anlegepunkt zu Anlegepunkt möglich. Das hilft wenig, finden die Gefechte doch auf offener See statt.
Auch bei den Cutthroat Cargo Hunts gibt es offensichtliche Probleme. Hierbei handelt es sich um PvP-Events, in denen ihr Schiffen von menschlichen Spielern Schaden zufügen könnt. Das ist sonst zu keiner Zeit im Spiel möglich.
Auf jeden Fall müsst ihr als Erster die Waren eines Handelsschiffs erbeuten und an einem bestimmten Außenposten abliefern. Die anderen Spieler verfolgen dasselbe Ziel. Eine gute Idee und eine nette Abwechslung. Dumm nur, wenn euch dabei ein KI-Schiff eines unabhängigen Events in der Open World versenkt.
Frustiger Endgame-Content
Beim Endgame-Content geht es primär um Missionen des Schmugglernetzwerks The Helm. Ihr schaltet diese Funktion durch eine Quest im Spielverlauf frei. Danach könnt ihr neue Ressourcen wie Zuckerrohr sammeln oder von feindlichen Schiffen erbeuten.
Damit könnt ihr wiederum Opium oder Rum herstellen und diese Güter für die Endgame-Währung namens Pieces of Eight eintauschen, um noch bessere Schiffsteile freizuschalten.
Aber auch das läuft in Skull and Bones nicht ohne Probleme ab. Die illegalen Güter werdet ihr nur an Außenposten los. Auf dem Weg dahin jagen euch zahlreiche feindliche Schiffe. Habt ihr zu wenig Repair-Kits an Bord, braucht ihr die Reise gar nicht antreten.
Ohne Schnellreise dauern die Fahrten sehr lange und ihr könnt während eines Kampfes nicht einfach an einem Außenposten anlegen. Ihr müsst erst alle Schiffe besiegen. Da diese zahlenmäßig überlegen sind, ist Frust unvermeidlich.
Dafür kommt ihr so eurem dauerhaften Ziel näher: Ihr steigt Rang für Rang im sogenannten Infamy-Level auf, erhöht durch neue Gegenstände das Level eures Schiffs und die Loot-Spirale beginnt von vorne.
Skull and Bones ist bereits erhältlich für PC, PS5 und Xbox Series X|S.
Test-Fazit
Für mich scheitert Skull and Bones auf zu vielen Ebenen. Nach dem langatmigen Spieleinstieg offenbart sich das repetitive Gameplay. Es entsteht eine demotivierende Spirale, in der ihr Ressourcen in Mini-Spielen sammelt oder in Seegefechten lootet. Das alles, um damit Verbesserungen für euer Schiff zu craften und dann geht es stumpf von vorne los.
Auch die Kämpfe gegen NPC-Schiffe steuern sich sperrig und ihr Ablauf fühlt sich zäh und schwer kontrollierbar an. Immerhin sehen sie wuchtig aus und hören sich auch so an.
Die größte Stärke von Skull and Bones ist die große offene Spielwelt mit unterschiedlichen Regionen und hübscher, aber nicht überragender Grafik.
Zu jeder Zeit wünsche ich mir den verworfenen Story-Ansatz zurück. Denn so bleibt nur ein bräsiges Live-Service-Gerüst mit Tätigkeiten aus Survival-Spielen übrig. Dabei hätte dieses Spiel ein GTA mit Piraten-Setting sein können. In seiner aktuellen Form sollte es als Free-to-Play und nicht zum Vollpreis spielbar sein.
Skull and Bones ist Vieles, aber mit Sicherheit kein AAAA-Spiel. Auch wenn die Aussagen von Ubisoft-CEO Yves Guillemot genau das behaupten. Dieses Piratenspiel ist von so einer Kategorie viele Seemeilen weit entfernt.
Wertung
“Skull and Bones ist ein repetitives Live-Service-Game ohne Story und bis auf die großen Insel-Landschaften überzeugen weder die Seeschlachten, noch die Besuche an Land.”