Das Ende von „Alone in the Dark“ kann euch mit mehr Fragen als Antworten zurücklassen. Was ist denn nun eigentlich im Derceto passiert und wie groß ist die Lücke zwischen dem Realen und Paranormalen?
Ägypten, Louisiana, Frankreich und schließlich das Derceto. In „Alone in the Dark“ werdet ihr regelrecht auf eine kleine Weltreise geschickt, um zu erfahren, was es mit den Machenschaften des Schattenmanns auf sich hat.
„Alone in the Dark“ und das ungeklärte Ende
Die Handlung von „Alone in the Dark“ erschlägt euch mit zahlreichen Strängen, die es gilt irgendwie zusammenzuführen. Einerseits haben wir Jeremy und seine Wahnvorstellungen, die vielleicht keine sind, den Schattenmann, der die Hartwoods seit mindestens drei Generationen terrorisiert, eine schwarze Ziege mit tausend Jungen, eine verschwundene Künstler-Kolonie und einen mordenden Baum.
Alles ein wenig verwirrend und gar nicht so einfach auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Auch das Ende des Noire-Horrortitels bietet nicht alle Antworten und es liegt an euch, die Punkte zu verknüpfen. Besonders wichtig ist es dabei, das Spiel mindestens zwei Mal zu beenden – einmal mit Emily Hartwood und ein weiteres Mal mit Edward Carnby.
Auch gibt es nicht nur ein mögliches Ende von Derceto und seinen Bewohnern, sondern ein weiteres verstecktes, welches ihr nur mit dem Finden aller Lagniappes freischaltet. Aber jetzt mal ganz von vorne. Was ist eigentlich Phase in „Alone in the Dark“?
Hinweis: Es folgen massive Spoiler. Habt ihr „Alone in the Dark“ noch nicht mit beiden Charakteren beendet, raten wir euch davon ab weiterzulesen!
Emily, Edward und ihre Vergangenheit im Derceto
Die ganze Menge an Informationen, die euch in Form von Hinweisen berieselt, ist nicht so leicht zu sortieren. Eine Sache ist jedoch klar: Unsere beiden Protagonisten sind nicht zum ersten Mal durch die Pforten des Dercetos geschritten.
Dass Emily Hartwood bereits ein oder zweimal ihren Onkel besucht hat, ist nicht unwahrscheinlich und wird seitens der Charaktere auch als Fakt unterstützt. Aber ein längerer Aufenthalt ihrerseits wirkt vorerst abwegig.
Doch Emily, deren Familie mit dem sogenannten „Hartwood-Fluch“ belegt ist, war eine der Bewohner von dem mysteriösen Zimmer Nr. 3 im Derceto. Allerdings nicht wegen irgendeines Fluches, sondern wegen einem psychologischen Phänomen, welches in ihrem Fall aus Trauer ausgelöst wurde.
Emily Hartwood war verlobt mit einem Mann namens John, doch die Ehe konnte nie vollzogen werden. Im Laufe der Geschichte erwähnt die Protagonistin, dass John im Ersten Weltkrieg an der Front in Frankreich ums Leben gekommen ist. Ein nobler Tod – laut Emily.
Wie sich aber herausstellt, ist John nie an der Front gewesen, sondern an der Spanischen Grippe erkrankt. Das Derceto war zwischenzeitlich ein temporäres Krankenhaus, in welchem John später verstorben ist.
Emily, voller Trauer aber auch Scham, verfällt in eine Form der dissoziativen Störung. Ausgelöst durch das Trauma, das sie erlebt hat und der damit verbundenen Scham, erfindet sie eine alternative Realität für John, in welcher er ein heldenhafter Soldat an der Front ist.
Edward Carnby wiederum ist geplagt von unterdrückten Schuldgefühlen, die ihn seit seinem letzten Fall heimsuchen. Unter dem Einfluss von Alkohol und dem Druck seiner Schulden versuchte Carnby den Fall eines entführten Mädchens zu lösen.
Ihr Vater habe der Mutter das Kind entwendet und dabei ein Bild mitgenommen, das er verkaufen wollte. So zumindest der Stand der Informationen von Carnby. Doch der Vater des jungen Mädchens wollte für ein besseres Leben für seine Tochter sorgen, weg von der Mutter.
Als Carnby die beiden gefunden hat, rammt er auf einer Brücke ihr Auto mit seinem und das Vater-Tochter-Gespann fällt in den Fluss. Haben die Insassen überlebt? Im Falle des Vaters definitiv nicht, in dem der Tochter, kann man sich nicht ganz sicher sein.
Alles deutet darauf hin, dass Edward Carnby zwei Menschenleben beendet hat, doch bei seinem vermeintlich ersten Besuch im Derceto springt ihm die Tochter vor die Füße – es handelt sich um Grace. Doch Carnby wusste nicht, ob Grace diesen Unfall überlebte und begraben unter seinen Schuldgefühlen liefert er sich als Patient im Derceto ein.
Dass Grace sich auch im Derceto aufhält, lässt darauf schließen, dass sie den Unfall überlebt hat, doch dieser war vor mehreren Jahren, während Grace nicht gealtert ist.
Die Leichen im Keller vom Derceto
Wortwörtlich, denn wie ihr mit Emily herausfindet, war das Derceto kurzzeitig ein Notkrankenhaus während der Spanischen Grippe. Im Keller befindet sich neben dem OP-Saal, dem Labor und dem Quarantäneraum auch ein weiteres Gewölbe.
Die Menschen, die 1919 infiziert wurden und im Derceto verstorben sind, liegen noch immer in diesen Gewölben – darunter auch John. Doch Dr. Isaac Herbert, der die Schließung des Notquartiers anforderte, betonte dabei dass, die Patienten nicht etwa an der Spanischen Grippe verstorben sind.
Vielmehr hat sich in den Kellergewölben eine Fäulnis verbreitet, die eine Pilzinfektion und plötzlichen Wahnsinn bei den erkrankten auslöste. Batiste war derjenige, der die Fäulnis als erster entdeckte und sie ansprach. Daraufhin sollten die am schlimmsten befallenen Räume verriegelt werden.
Woher die Fäulnis stammt, ist nicht geklärt, doch der Grund muss tief im Derceto verwurzelt sein. Vielleicht tief genug, um aus den Wurzeln von Shub-Niggurath zu kommen.
Wer oder was ist Shub-Niggurath?
Die schwarze Ziege aus dem Wald mit den tausend Jungen wird oft von den Bewohnern von Derceto erwähnt und ist das große Übel, welches Jeremy versucht von der Welt fernzuhalten – der Grund, weshalb er den Pakt mit dem Schattenmann überhaupt erst eingegangen ist.
Am Johannistag wird im Derceto ein Fest gefeiert, bei dem sie versuchen Shub-Niggurath zu rufen. Insbesondere Grace soll dabei eine wichtige Rolle spielen, nämlich die der Opfergabe.
Doch wer ist Shub-Niggurath? Warum wird der Baum im Wintergarten zum Leben erweckt, woraufhin alle Bewohner des Dercetos ermordert werden?
„Alone in the Dark“ hat schon bei seinem ersten Debüt eine tiefe Verbundenheit zu dem Autor H.P. Lovecraft gehabt. Basierend auf seinen Geschichten entstand die Prämisse für die 1992 veröffentlichte Version – die im Übrigen eine ganz andere Handlung, aber die gleichen Hauptcharaktere hat.
H.P. Lovecraft ist auch ein Teil der Neuauflage, denn Shub-Niggurath ist ein Wesen, das aus seiner Feder stammt. In seinen Geschichten ist Shub-Niggurath eine Allmutter und Göttin, aber nicht unbedingt eine der Barmherzigen. In einem Brief an Willis Conover schrieb Lovecraft:
Yog-Sothoth's wife is the hellish cloud-like entity Shub-Niggurath, in whose honor nameless cults hold the rite of the Goat with a Thousand Young.
Ein Kult, wie er auch im Derceto existiert. In diesem Fall existiert Shub-Niggurath in der Form eines großen Baumes, der im Wintergarten steht. Der Baum stand, laut den Hinweisen, bereits lange Zeit vor dem Bau des Derceto an der Stelle. Erst in den kommenden Jahren wurde der Wintergarten um den Baum herum konzipiert.
Der Schattenmann und der Hartwood-Fluch
Jeremy weiß Bescheid über Shub-Niggurath und das Übel, welches sie über ganz New Orleans bringen würde. Da er die Bewohner des Dercetos nicht davon abbringen kann, das Ritual auszuführen, geht er einen Pakt mit dem Schattenmann ein. Seine Seele, auf ewig eingesperrt in der Welt seines Peinigers.
Der Schattenmann sucht angeblich die Hartwood-Familie seit mehr als drei Generationen heim. Wie wir erfahren, ist er als Magier mit einer Bühnenshow nach New Orleans gekommen, als Jeremy ein Junge war. Zusammen mit seinem Vater ist er zu einer der Zaubervorführungen gegangen. Der Schattenmann hat sich, laut Jeremy, jedoch auf dessen Vater konzentriert, welcher sich in der folgenden Nacht die Zunge abbeißt und an ihr erstickt.
Traumatisiert davon, denkt Jeremy, dass sich der Schattenmann fortan auf ihn fokussiert. Eine Manie, die ihn zu Wahnvorstellungen führt und intensive imaginäre Welten erstellen lässt. Jeremy flüchtet innerhalb seiner Vorstellung in ein mexikanisches Kloster, in welchem Juan auf ihn wartet – ein imaginärer Freund, basierend auf einem Autor, den Jeremy gerne las.
Juan ist aber nicht die einzige imaginäre Person, die in Jeremys Kopf Platz findet. Auch der Erkunder Jacob von Ostadte, von dem Jeremy einst gelesen hat, ist eine Persona. Jeremy selbst betitelt ihn als Feuer, welches gegen das Feuer kämpft. Juan wiederum bezeichnet Jacob als Wächter von Jeremys Fantasien, der die Manie im Bann halten sollte, aber ohne diese nicht existieren kann.
Das Ende von „Alone in the Dark“: Paranormalität oder Realität im Derceto?
Was ist wahr, was ist nur Einbildung? „Alone in the Dark“ läuft auf einem schmalen Grad zwischen beidem und lässt nur vermuten, was die eigentliche Realität ist.
Fakt ist: Jeremy leidet unter einer Manie, die ihn in Paranoia versetzt. Diese mentale Krankheit, die in seiner Familie als der Hartwood-Fluch gilt, kann durchaus vererbt worden sein. Sein Vater litt unter ihr, so wie auch Jeremy und teilweise auch Emily. Ihr Vater, Jeremys Bruder, scheint von dem angeblichen Fluch verschont geblieben zu sein.
Der Schattenmann, der laut Jeremy der fleischgewordene Fluch ist, ist mit großer Wahrscheinlichkeit lediglich ein Künstler, der mit seiner Show nach New Orleans gekommen ist. Mit der Karnevalsmaske, die er trägt und dem ägyptischen Ambiente seiner Show, hat er bei dem damals jungen Jeremy einen bleibenden Eindruck hinterlassen und das Kind vermutlich auch verängstigt.
Als Folge dessen, gepaart mit der vererbten psychischen Krankheit, flüchtet Jeremy in seine Bücher und imaginären Welten und findet Freunde wie Juan, aber auch „Wächter“ wie Jacob, welche den Schattenmann und die Manie fernhalten sollen.
Dr. Gray, welcher Jeremy im Derceto betreut, versucht Jeremy durch diese Manie zu leiten und ihn auch von ihr zu heilen – allerdings ohne Erfolg.
Als dann Miss Thompson von ihrem christlichen Glauben abweicht und sich immer mehr mit dem Louisiana Voodoo beschäftigt, tritt Shub-Niggurath auf die Fläche. Begleitet wird die Haushälterin dabei von den Tubois-Geschwistern, die mit den Praktiken des Voodoos vertraut sind.
Während Batiste zurückhaltender ist, aufgrund einer Vorhersage der ansässigen Voodoo-Priesterin, unterstützt Lottie Miss Thompson. Zusammen wollen sie Shub-Niggurath erwecken. Jeremy will das verhindern und sich selbst Opfern, damit New Orleans gerettet werden kann und unterschreibt den Vertrag mit dem Schattenmann und die Handlung von „Alone in the Dark“ wird ins Rollen gebracht.
Durch die Fäulnis, die sich vom Keller aus durch das ganze Anwesen hindurchzieht, könnte der erhöhte Wahnsinn der Bewohner begründet werden. Doch ob die Fäulnis von dem Baum, der Shub-Niggurath sein soll, stammt oder von woanders, ist nicht klar.
Auch die Reisen, die Emily und Edward mit dem Talisman unternehmen, könnten durch die Fäulnis begründet sein. All die Orte die sie gesehen haben, könnten Wahnvorstellungen sein, die durch verlängerten Kontakt mit der Fäulnis auftreten. Jedes Mal, wenn die beiden in die reale Welt zurückkehren, finden sie sich an einem anderen Ort im Gebäude wieder.
Der Kampf gegen Jacob war ein Kampf gegen Jeremy selbst, dessen Ende eine versehentliche Lobotomie ist. Denn auch hier finden sich Emily und Edward nach dem Kampf wieder in den vier Wänden des Derceto wieder. Das Versteck Jeremys wurde also gefunden, doch durch die Wahnvorstellungen der Protagonisten sah es für sie so aus, wie eine weitere Vorstellung Jeremys.
Ist der Talisman also wirklich magisch? Leidet Jeremy an einer multiplen Identitätsstörung? Und wie kommt es dann, dass der Baum zum Leben erwacht und alle umbringt?
Unserer Meinung nach deutet alles darauf hin, dass viele paranormale Handlungen in „Alone in the Dark“ auf die Fäulnis und den mentalen Zustand der Gäste vom Derceto zurückzuführen sind. Was in der Realität am Ende wirklich passiert ist, warum all diese Menschen verstorben sind und das Derceto in Schutt und Asche liegt, ist allerdings nicht wirklich klar. Vielleicht ist ein Stückchen Paranormales tatsächliche Realität und Shub-Niggurath hat tatsächlich im Derceto gewütet.