Außer immer höheren und unnötigeren Pixeldichten gibt es im Bereich der Smartphone-Displays zurzeit wenig Neues. Eine Innovation, die eigentlich nahe liegt und die wir gerne sehen würden, wird von den Herstellern derweil aber konsequent ignoriert: Displays mit 120 Hz.
Gerade das letzte Jahr hat einige Innovationssprünge auf dem Smartphone-Sektor gebracht, allen voran bei den immer häufiger verbauten, immer schneller werdenden Fingerabdrucksensoren. Aber auch Smartphone-Kameras wurden 2015 deutlich besser, 2016 dürften auch Prozessoren endlich mal wieder ein signifikantes Leistungs-Upgrade erfahren. Nur Displays stehen hinten an.
Okay, auch Smartphone-Displays haben und werden Verbesserungen erfahren. Allerdings nur in Form von Gimmicks wie Samsungs edge-Displays und mit dem fragwürdigem Fokus immer höherer Auflösungen. So gab es 2015 mehr Geräte mit Bildschirmen in der WQHD-Auflösung von 2.560 x 1.440, mit dem Sony Xperia Z5 Premium sogar ein erstes Gerät mit 4K-Panel.
Nun sind wir bei Smartphones mittlerweile in Pixeldichte-Bereichen angelangt, in denen das menschliche Auge keine Unterschiede mehr wahrnehmen kann. Schlimm genug ist, dass höhere Pixeldichten keinen Vorteil bringen – schlimmer noch, dass solch hohe Auflösungen im Alltag sogar kontraproduktiv sind. Denn mit mehr Pixeln auf gleicher Fläche steigt auch der Akkuverbrauch. Sowohl direkt, aufgrund des weniger genügsamen Displaypanels, als auch indirekt, weil CPU und GPU mehr Rechenleistung aufwenden müssen, um das Mehr an Pixeln zu berechnen und zu bewegen.
Fortschritt um des Fortschritts willen
Um es ganz deutlich zu sagen: Smartphone-Auflösungen über Full HD machen sich nur auf dem Datenblatt gut und nutzen praktisch ausschließlich dem Marketing – sieht man mal vom speziellen, aber nur für wenige Nutzer relevanten Einsatzzweck VR ab. Klar, der Energieverbrauch sinkt durch effizientere Fertigungsmethoden bei CPUs, GPUs und Displaypanels auch wieder, trotzdem ist die Leistung, die zur Befeuerung eines WQHD- oder gar 4K-Displays notwendig ist, de facto verschwendet. Leistung, die an anderer Stelle besser eingesetzt wäre. Zum Beispiel bei höheren Bildwiederholraten.
„Bessere“ Fernseher besitzen bereits seit geraumer Zeit Wiederholraten von 200 Hz und mehr. Das bedeutet, dass sie 200 Einzelbilder pro Sekunde oder mehr darstellen können. Da Fernsehen in Deutschland fast ausschließlich mit 25 oder 30 FPS (Frames pro Sekunde) ausgestrahlt wird, nutzen die Hersteller spezielle Algorithmen, um Zwischenbilder zu berechnen. Im Ergebnis wirken Bewegungen auf dem Bildschirm dadurch spürbar flüssiger und natürlicher. Auch PC-Monitore der Oberklasse besitzen immer häufiger Bildwiederholraten von 120 Hz oder 144 Hz statt des Quasi-Standards 60 Hz und können diese dank neuer Technologien wie G-Sync oder FreeSync sogar variabel an die Bildraten anpassen, die von den Grafikkarten angeliefert werden. Insbesondere Gamer wissen die so deutlich höhere Flüssigkeit zu schätzen.
Videos können aufgrund ihrer eingeschränkten Bildraten – selbst 60 FPS sind noch sehr selten im Netz anzutreffen – den Effekt eines 120 Hz-Display kaum darstellen. Wer aber mal mit eigenen Augen einen 120 Hz-Monitor im Einsatz gesehen, vielleicht sogar direkt mit einem 60 Hz-Gerät verglichen hat, weiß den Unterschied zu schätzen.
Wo bleiben Smartphone-Displays mit 120 Hz?
Stellt sich die Frage, warum nicht längst auch Smartphones in der Lage sind, diese neue Flüssigkeit darzustellen, Standard bei den Panels sind weiterhin 60 FPS. Ein Smartphone, das dank 120 Hz die doppelte Anzahl an Einzelbildern in der Sekunde darzustellen in der Lage wäre, böte einen echten und für den Endnutzer deutlich wahrnehmbaren Vorteil.
Daran, dass es an der Hardware fehlt, kann es nicht liegen. Bereits 2014 hat der taiwanische Chiphersteller MediaTek die Unterstützung von 120 Hz-Bildausgabe im GPU-Part seiner High-End-Smartphone-SoCs eingeführt, einen entsprechenden Bildschirm-Prototyp hat JDI im gleichen Jahr gezeigt. Theoretisch sollte es also gehen. Um zu ergründen, warum es Anfang 2016 trotz des ansonsten so rapiden Innovationstempos in der Branche immer noch keine 120 Hz-Smartphones gibt, muss man spekulieren.
Vielleicht liegt es daran, dass dafür Änderungen am Android-Framework notwendig wären oder allgemein die Performance von Android weiter optimiert werden müsste. Vielleicht sieht auch noch kein Hersteller die Notwendigkeit, denn auf Smartphones konsumierbarer Videocontent liegt weiterhin überwiegend in 25/30 FPS vor, selten in 60 FPS und nur die wenigsten Games würden derzeit von 120 Hz profitieren. Sichtbar wären die Änderungen überwiegend auf dem Homescreen und in Apps – aber mal ehrlich, genau dort befinden wir uns doch zu einem Großteil der Zeit, wenn wir auf unsere Smartphones blicken. Vielleicht ist es den Herstellern aber auch einfach noch nicht gelungen, die notwendige Koordinationsleistung zwischen Google als Hauptentwickler des Android-OS, den Hardware-Zulieferern und sich selbst als Bindeglied zu erbringen.
Schade, denn um es noch einmal deutlich zu sagen: Ein Display mit 120 Hz ließe sich ähnlich gut vermarkten wie „Retina“ oder „3D Touch“, weil es sich um eine Innovation handelt, deren Nutzen in dem Moment offenbar wird, da man sie mit dem eigenen Auge sieht. Diese Innovation würde auch das (schon lange nicht mehr berechtigte) Klischee von Android als Ruckel-OS endgültig in den Orkus des Vergessens befördern.
Also, liebe Industrie, hier noch einmal ganz deutlich: Mir persönlich ist ein 1080p-Display mit 120 Hz wesentlich lieber als ein 4K-Display mit 60 Hz. Wer ist der erste, der meinen Wunsch erfüllt?